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Uta Falck stützt sich in ihrer lebendig geschriebenen Darstellung sowohl auf zahlreiche Archivmaterialien, retrospektive Aussagen von Zeitzeugen aus dem DDR-Gesundheitswesen, der ehemaligen Volkspolizei, dem gastronomischen und dem Taxigewerbe als auch auf die Informationen von ehemaligen DDR-Huren, die sich zu ausführlichen Gesprächen mit der Autorin bereitfanden. Während das Thema Prostitution in der DDR bisher nur Gegenstand sensationslüsterner Medienberichte war, liefert Uta Falck hier erstmalig eine chronologisch angelegte Gesamtdarstellung über vier Jahrzehnte.

Produktbeschreibung
Uta Falck stützt sich in ihrer lebendig geschriebenen Darstellung sowohl auf zahlreiche Archivmaterialien, retrospektive Aussagen von Zeitzeugen aus dem DDR-Gesundheitswesen, der ehemaligen Volkspolizei, dem gastronomischen und dem Taxigewerbe als auch auf die Informationen von ehemaligen DDR-Huren, die sich zu ausführlichen Gesprächen mit der Autorin bereitfanden. Während das Thema Prostitution in der DDR bisher nur Gegenstand sensationslüsterner Medienberichte war, liefert Uta Falck hier erstmalig eine chronologisch angelegte Gesamtdarstellung über vier Jahrzehnte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.1998

"Zu bereuen gibt's da nichts"
Im Dienste operativer Abschöpfung: Prostitution in der DDR

Uta Falck: VEB Bordell. Geschichte der Prostitution in der DDR. Ch. Links Verlag, Berlin 1998. 205 Seiten, 38,- Mark.

Prostituierte, denen in der Bundesrepublik immer der Ruch des beklemmend-kleinbürgerlichen Milieus anhing, genossen in der DDR das Flair von Freiheit und Abenteuer. Denn viele Kunden kamen aus dem Westen. Das brachte West-Geld, also - wegen des Tauschkurses - überdurchschnittlichen Reichtum in den tristen DDR-Alltag. Da die sexuelle Westbindung nur auf wenige Anlässe, etwa Messen, und wenige Orte, vornehmlich Leipzig und Ost-Berlin, beschränkt war, gab es vergleichsweise wenige professionelle Prostituierte. Sollte der Nimbus der Prostitution im Osten die Erforschung des Themas eigentlich erleichtern, so wird das Thema zu einem schwierigen Gegenstand. Denn die empirische Grundlage ist schmal, und die Zeitzeugen sind nicht übertrieben auskunftsfreudig.

Das muß nichts heißen, wie man aus anderen Forschungsprojekten zur DDR-Zeit weiß. Stets haben sie sich mit unvollständigen oder falschen Statistiken, beschönigenden Zeugenaussagen und irreführenden Darstellungen aus DDR-Zeiten auseinanderzusetzen. Aber bei der Prostitution kommt zum gesellschaftlichen Umbruch, der die Vergangenheit in ein neues Licht und daher oft ins Dunkel setzt, noch das branchenübliche Schweigegebot hinzu. Als die Berliner Sexualforscherin Uta Falck für ihre Studie zur Prostitution in der DDR zu recherchieren begann, erhielt sie von einer ehemaligen Prostituierten die Mitteilung: "Ich möchte mit diesen Sachen nichts mehr zu tun haben. Ich habe das abgeschlossen, dieses Thema."

Kein Wunder, daß bei soviel Abgeschlossenheit "dieses Thema" nicht abschließend behandelt werden kann. Uta Falck stellt hinreichend quellenkritisch all das zusammen, was man über die historische Entwicklung der DDR-Prostitution noch nie zu fragen gewagt hatte, wertet Gesundheitsstatistiken, entlegene medizinische Dissertationen, Boulevard-Zeitungen, ärztliche Gutachten und Spitzelberichte aus der Frühzeit der DDR aus, registriert die Befehle der Sowjetischen Militäradministration, jegliche Verordnungen und Gesundheitsgesetze, ausführliche Aussagen gesprächswilliger Zeitzeugen. Mit anderen Worten: Sie stellt mit fast enzyklopädischem Anspruch chronologisch zusammen, was zum Thema gehört. So verzeichnet sie noch die abseitige und doch bezeichnende Beschwerde des Arnstädter Kreissekretärs der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft an den Magistrat von Berlin aus dem Jahr 1952, der über die Belästigungen eines Kollegen durch Prostituierte "zutiefst erschüttert" ist: "Es wurden Ausdrücke gebraucht, die eine Verkommenheit und Schamlosigkeit offenbaren, die kaum zu übertreffen ist. Abgesehen davon, daß Preise gefordert wurden, die beinahe dem Wochenverdienst eines ehrlichen Arbeiters entsprechen, legten diese ,Mädchen' eine derart gemeine Aufdringlichkeit an den Tag, die bei jedem anständigen Menschen Übelkeit hervorrufen muß." In den Aufbaujahren des Sozialismus hatte man wenig Verständnis für dekadente Elemente. Das änderte sich mit den Jahrzehnten.

So oft in diesem Buch jedoch das pralle Leben an die Stelle dürrer Theorie tritt, so wenig ersetzt der empirische Blick die systematische Betrachtung, den Vergleich, die kulturgeschichtliche Einordnung, die zuweilen zu kurz kommen. So hätte man gerne mehr erfahren über die Prostitution in der DDR im Vergleich zu sozialistischen Brüderländern wie Polen oder der Tschechoslowakei, in denen ebenfalls viel West-Verkehr herrschte. Auch die wirtschaftliche Bedeutung der Prostitution wird nicht ausgeführt. Dann hätte auch der zuweilen holzschnittartige Vergleich mit der Bundesrepublik einer differenzierteren Soziologie des Sozialismus weichen können.

Solche Lücken im Bild kann man verschmerzen. Denn Falck stellt gründlich dar, wie sich in den fünfziger Jahren die Prostitution von der Straße in Lokale verlagerte; wie die soziale Indikation mit der Distanz zum Krieg langsam schwand und Gewinnstreben um sich griff; wie die Pille bis tief in die achtziger Jahre hinein das Kondom verdrängte; wie aus "leichten Mädchen" in Anführungszeichen selbstbewußte Prostituierte in Luxushotels wurden, die heute sagen: "Zu bereuen gibt's da gar nichts. Es war ja ein luxuriöses Leben"; wie sich immer stärker nicht Zuhälter, die es kaum gab, sondern ganze Familien von dem Verdienst ernährten; wie die "gesellschaftliche Eingliederung" von der Polizei auf die Staatssicherheit überging, da über die Kunden die "operative Abschöpfung" geheimdienstlicher Informationen gesichert war. Die Studie ist nicht nur so vollständig, wie diese Aufzählung suggeriert. Sie ist auch lebendig erzählt und kombiniert Fallbeispiele mit sachlicher Zusammenfassung.

ALFONS KAISER

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