Vobis an den Großkonzern Kaufhof/Metro verkauft, 1996 dann schließlich auch noch den Rest. Seither hat sich Lieven mit dem Gedanken getragen, ein "Hohelied des Unternehmertums" zu schreiben. Jetzt hat er diesen Gedanken in die Tat umgesetzt.
Lieven verfolgt mehrere Ziele. Zum einen will er mit dem alten Vorurteil aufräumen, dass Unternehmer immer dick sind und schwitzen und dass sie korrupt sind. Zum anderen will er durch die Preisgabe seiner eigenen Erfolgsgeheimnisse jungen Unternehmern und solchen, die es werden wollen, Ratschläge erteilen, wie man ein Unternehmen gründen und zum Erfolg führen kann. Zum Dritten will er die "kleinen, aber fundamentalen" Unterschiede zwischen Unternehmern und Managern aufzeigen, die seiner Ansicht nach nicht nur darin bestehen, dass der Unternehmer in seinen Entscheidungen frei ist und sich hundertprozentig seinen Aufgaben widmen kann, während sich viele Manager ein Drittel ihrer Arbeitszeit mit Leuten herumschlagen müssen, die an ihrem Stuhl sägen. Lieven bezeichnet sein Buch als "Hommage an Selbständige, Unternehmer, Freiberufler, Handwerker und alle, die sich täglich neu entscheiden dürfen und müssen, welchen Weg sie wählen".
Der Ex-Vobis-Chef vertritt dabei die Ansicht, dass man zum Unternehmer nicht geboren sein muss und dass es nie zu spät ist, sich selbständig zu machen. Nicht durch Vererbung, sondern durch die ständige Herausforderung des Alltags werde man Unternehmer, beteuert Lieven. Weil Unternehmer für das Umsetzen innovativer Ideen, den technischen Fortschritt und neue Arbeitsplätze sorgten, hätten sie auch etwas mehr Anerkennung und weniger Neid und Missgunst von Politik und Bevölkerung verdient. Wenn jemand durch eigenes Können zu Wohlstand gekommen sei, solle er den getrost auch genießen dürfen, fordert der Autor.
Zu den wichtigsten Eigenschaften, die ein Unternehmer seiner Ansicht nach haben muss, zählt Lieven Risikobereitschaft, Einsatzwillen, Pragmatismus, Flexibilität, Schnelligkeit, Entscheidungsfreude, Weitblick, Ausdauer, Neugier, Begeisterungsfähigkeit, Kreativität und schöpferische Kraft. Wenn er darüber hinaus auch noch über Freiheitsdrang, Sparsamkeit und gesunden Menschenverstand verfüge und Mitarbeiter führen und motivieren könne, stehe dem Erfolg eigentlich nicht mehr viel im Wege - es sei denn, der Unternehmer verliere im Zuge des Wachstums seines Unternehmens den Kontakt zur Basis. Lieven, der in seinen Ausführungen nur selten Namen nennt, arbeitet als Beispiele so nebenbei die Geschichte der Unternehmer Max Grundig, Heinz Nixdorf und Carl Borgward auf. Allen drei sei gemeinsam, dass sie zwar über Pioniergeist, gute Ideen, große Initiative und Charisma verfügten, dass ihnen aber irgendwann der Blick dafür abhanden gekommen sei, was sich in ihren Unternehmen abspiele.
Lieven berichtet aber auch, mit welchen - von außen gesteuerten - widrigen Umständen auch weit blickende Unternehmer plötzlich konfrontiert werden können und welche Gegenmaßnahmen man ergreifen müsse. Seine Rezepte sind nicht ohne Schlitzohrigkeit, zum Beispiel, wenn er sich darüber auslässt, wie er gelegentlich auch schon mal Vertreter der Presse dazu benutzt hat, die Öffentlichkeit oder die Judikative in seinem Sinne zu beeinflussen.
Die Sprache, in der Lieven das alles zu Papier gebracht hat, ist einfach und klar. Wer Lieven kennt, hört ihn regelrecht reden. Es ist auch nicht zu übersehen, dass er gern und gut Anekdoten erzählt. Das macht die Lektüre erfreulich, wenn auch die immer wiederkehrende Laudatio auf "den Unternehmer als solchen" manchmal ein wenig überzogen scheint. Auf jeden Fall ist erkennbar, dass Lieven, heute geschäftsführender Vorstand im Verband Neues Unternehmertum (Köln/Aachen) und Mathematik-Student im sechsundfünfzigsten Semester, den Ausflug in die Welt der Selbständigkeit nicht bereut hat - auch wenn er nur gelegentlich Zeit zum Klavierspielen findet.
INGRID HIELLE
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