um Markenkleidung tragen zu können.
Als Manne seine Lebensumstände mit denen seines Freundes Amal vergleicht, der mit seiner alternativen Mutter Bea in einer nur äußerlich ähnlichen Bruchbude wohnt, stellt er fest, daß es "freiwillige" und "unfreiwillige" Außenseiter gibt. Die einen sind stolz darauf, anders zu sein, die anderen nicht. Manne zählt sich zur zweiten Gruppe. Schneller noch, als er selbst begreifen kann, daß eigene Optionen möglich wären, belehrt ihn das Leben in Gestalt von hinterhältigen Mitschülern und übereifrigen Studienräten, daß es keinen Ausweg aus der auf Talfahrt programmierten Logik des Absturzes gibt. Einmal Asi, immer Asi.
Wer so tief drinsteckt, kann nicht mehr darüber reden. Schon deshalb gestaltet sich bei ständig laufendem Fernseher der Alltag der Familie Hannemann im wesentlichen nonverbal. Um so erstaunlicher, daß Karen-Susan Fessel Manne selbst erzählen läßt. Stellenweise liest sich das wie die holprige Kamerafahrt eines Gruselfilms, der erst allmählich in der Aneinanderreihung kleinster, unvermittelter und banaler Schritte den Blick aufs unheilvolle Ganze freigibt. Zwar erzählt Manne reduziert, lässig und umgangssprachlich, aber doch vernünftiger als erwartet. Damit droht das Buch seine Authentizität wieder zu verlieren, denn der prototypisch rüpelhafte "Asi", den man vor Augen hat, ein mickriger Junge in Billigklamotten, vor dem man sich vermutlich insgeheim genauso ekeln würde wie Bea, die Mutter seines besten Freundes, kann nicht der Manne sein, der da berichtet.
"Und wenn schon" ist keine aufklärerische Milieustudie, sondern eine sehr parteiische, eher romantische Sympathieerklärung für das wirklich Fremde und eine Ermunterung, auch hinter unattraktive Fassaden zu schauen. Manne Hannemann ist es wert, daß man ihn kennenlernt. Sogar, daß man sich, wie das behütete Ingenieurstöchterchen Gesine, in ihn verliebt - wenn er ganz er selbst ist, breitbeinig am Bahndamm steht und sein Ja zum Leben gegen den vorbeidonnernden Zug herausschreit, oder wenn er konzentriert kunstvolle Balanceakte auf seinem BMX-Rad vollführt. Es ist eine in solchen Bildern eingefangene Wahrheit jenseits der Sprache, die Manfreds Würde offenbart und ihm jene Authentizität verleiht, die Zweifel an der Art der Darstellung überflüssig machen.
INA LANNERT
Karen Susann Fessel: "Und wenn schon". Oetinger Verlag, Hamburg 2002. 144 S., geb., 9,90
. Ab 12 J.
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