Metaphorologie" aus dem Jahr 1960: "Was die Welt eigentlich sei - diese am wenigsten entscheidbare Frage ist doch zugleich die nie unentscheidbare und daher immer entschiedene Frage." Und auf solche zu groß geratenen und doch unvermeidbaren Fragen antworten für Blumenberg die "absoluten Metaphern". Es sind Metaphern, die sich auch mit größter Anstrengung nicht in einer klar konturierten, terminologisch fixierten Begrifflichkeit auflösen lassen, von der Philosophen so oft träumten. Deshalb fügen sie sich auch nicht in das geläufige Schema des Wegs vom Mythos zum Logos, von der erzählerisch anschaulichen Sinnstiftung zu Begriff und Theorie. Sie entspringen der nicht abzustellenden theoretischen Verlegenheit, auf "eigentliche" Weise zu sagen, worauf es ankommt.
In dieser Verlegenheit liegt aber, was Blumenberg als Erkenntnischancen einer Metaphorologie wahrnahm: Gerade in den Metaphern lassen sich epistemisch relevante Grundentscheidungen vor Augen führen, die tiefer liegen als die explizit verhandelten theoretischen Einsätze. Sichtbar werden so die Konturen epistemischer Räume, deren Geschichte sich wiederum an der Entwicklung der Metaphorik ablesen lasse. Denn das wollten Blumenbergs metaphorologische Studien vor allem demonstrieren: Auch absolute Metaphern haben Geschichte und sogar "in einem radikaleren Sinn als Begriffe, denn der historische Wandel einer Metapher bringt die Metakinetik geschichtlicher Sinnhorizonte und Sichtweisen selbst zum Vorschein, innerhalb deren Begriffe ihre Modifikation erfahren".
Blumenbergs "Paradigmen zu einer Metapherologie" durften zu Lebzeiten nicht mehr aufgelegt werden, doch die weiter ausholende Theorie der Unbegrifflichkeit hat Blumenberg nie geschrieben. Im Jahr 1979 erschien noch, als Nachspann zu "Schiffbruch mit Zuschauer", ein knapper "Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit"; und dabei blieb es.
Anselm Haverkamp hat nun aus dem im Marbacher Literaturarchiv verwahrten Nachlass des vor zehn Jahren verstorbenen Philosophen die Unterlagen einer 1975 gehaltenen Vorlesung zur "Theorie der Unbegrifflichkeit" (Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 119 S., br., 14,80 [Euro]) herausgegeben. Zum ersten Mal kann man hier im Druck einem Blumenberg begegnen, der offenbar durchaus bereit war, die dichte Arbeit seiner sonst so streng verfugten Texte zugunsten des gesprochenen Worts und seiner leichteren Fasslichkeit hintanzustellen. Selbst wenn die "Theorie" kaum über die systematischen Vorzeichnungen hinausreicht, die man den bereits vorliegenden Büchern entnehmen kann, verdient diese Edition Beachtung: In so bündiger und pointierter Form hatte man Blumenbergs Gedanken über Genese, Leistungen und Grenzen des Begriffs noch nicht vor sich.
Was der Begriff vermag, das leitet Blumenberg aus spekulativen Überlegungen zur Anthropogenese her. Einmal mehr wird hier deutlich, welchen zentralen Stellenwert für ihn eine solche anthropologisch-genetische Explikation der Leistungen von Begriff und Vernunft hatte, oder genauer: des Zurückbleibens des Begriffs hinter den Forderungen der Vernunft. Die Erklärung lautet in nuce, dass der Begriff als mentales Werkzeug der Jäger und Nomaden entsteht, sich die Dinge vom Leib zu halten, indem Abwesendes vorausgreifend als gegenwärtig behandelt wird. Vernunft tritt dementsprechend als Vermögen der Prävention in Erscheinung. Doch mit dem Übergang zur Muße der Sesshaftigkeit bilden sich theoretische Ansprüche heraus, die nicht mehr in Prävention aufgehen und für die das Werkzeug des Begriffs nicht vorgesehen war.
Mit dieser funktionalen Differenz beginnt die Geschichte einer Vernunft, die auf jene Totalität aus ist, welche der Begriff nicht hergibt. Blumenberg erläutert dieses Spannungsverhältnis im Wesentlichen mit einer Interpretation des Stellenwerts von Kants reinen Vernunftideen. Erst nach zwei Dritteln des Texts und auch dann auf zunächst fast unscheinbare Weise tritt die Metapher bestimmend auf den Plan: als sprachliche Möglichkeit, die schwache Kontextdeterminiertheit großer Begriffe wie "Welt", "Geschichte" oder auch schlicht "das Sein" auszunutzen.
Was immer man für die entscheidenden Wendungen und theoretischen Weichenstellungen dieses überaus anregenden Parcours hält, deutlich ist jedenfalls, dass in Blumenbergs Augen ohne hohe anthropologische Investitionen auf diesem Feld kaum etwas zu gewinnen war.
HELMUT MAYER
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