das Stormhaus in Husum, obwohl die Vorzeichen sonst komplett umgekehrt sind: In jenem Haus in Hafennähe hat Theodor Storm tatsächlich gewohnt, die allermeisten Möbel, die Bilder an der Wand und das Geschirr in den Schränken hat der "Schimmelreiter"-Dichter wirklich besessen, Storm hat hier gearbeitet, seine Kinder aufgezogen, den Garten bestellt und seine Besucher empfangen.
Das Haus in der Wasserreihe bewohnte Storm von 1866 bis 1880, es ist seine letzte Adresse in Husum, wo er 1817 geboren worden war. Seine Kindheit verlebte er im prächtigen Elternhaus in der Hohlen Gasse, die in Nord-Süd-Richtung direkt zum Hafen führt, und besonders den weitläufigen Garten im Hof muss er sehr geliebt haben. Nach dem Studium bezog er 1843 als junger Anwalt eine Wohnung in Husums Großstraße, die sich ein Stückchen weiter verbreitert und zum Marktplatz wird, und als Storm kurz darauf mit seiner Cousine Constanze eine Familie gründete, zog er in ein Haus in der Neustadt, das sein Vater für das junge Paar gekauft hatte.
Die meisten dieser Häuser stehen noch heute, und dass sie sich erhalten haben, ist ein Glück und zugleich Husums Kapital, wenn es um Tourismus geht. Denn es ist sehr leicht, sich von der Atmosphäre dieser kleinen norddeutschen Stadt bestricken zu lassen, und die Geschichten, die Storm hier angesiedelt hat, sind vom heutigen Husum kaum noch zu trennen: Vom Rathaus bis zum Schloss, vom Hafen bis zu den niedrigen Giebeln der Seitenstraßen meint man, sich noch immer in Storms Welt zu bewegen.
Wer es genauer wissen will, findet eine ganze Reihe von lokalhistorischen Darstellungen, die zumeist aus dem Umfeld der Theodor-Storm-Gesellschaft stammen. Für das neueste Doppelporträt von Stadt und Dichter zeichnen denn auch Christian Demandt, der Sekretär der Gesellschaft, gemeinsam mit dem Schriftsteller und Storm-Biographen Jochen Missfeldt verantwortlich. Erschienen ist es in der Reihe "Menschen und Orte" der Berliner "Edition A B Fischer", die bereits zahlreiche ähnliche Bände publiziert hat, etwa zu Bert Brecht in Buckow, Hans Fallada in Carwitz, Peter Rühmkorf in Altona oder demnächst E. T. A. Hoffmann in Bamberg. Was sie aus der Masse ähnlicher Publikationen heraushebt, sind nicht zuletzt die Fotos, die Angelika Fischer mit ihrer Hasselblad aufgenommen hat und die ihre leuchtende Tiefenschärfe auch im Druck bewahren.
Das gilt für die Außenaufnahmen, die eine fraglos moderne Stadt zeigen, aber wie eingefroren und mit Menschen, die vor dem Hintergrund der Gebäude vollends wie flüchtige Erscheinungen wirken. Besonders schön ist die Aufnahme des wuchtigen Elternhauses mit der Treppe zum Hochparterre und den breiten Fenstern gelungen, dem mitten im Sonnenschein etwas Unheimliches anhaftet - Storms Novellen spielen oft damit, sie gehen von Gebäuden aus und entwerfen eine Geschichte, die danach fragt, wie sich ein Haus in seine Umgebung fügt oder mit ihr in Kontrast steht. Und was es mit den Bewohnern auf sich hat, den gegenwärtigen wie den früheren.
Am beeindruckendsten aber sind die Bilder aus dem Inneren des Storm-Museums in der Wasserreihe. Da ist etwa die Landvogtei, ein Raum, der mit dem Stehpult und einem - allerdings fast leeren - Aktenschrank daran erinnert, dass Storm sein Leben lang als Jurist und Verwaltungsbeamter gearbeitet hat, oder als Kontrast zur Nüchternheit dieses Zimmers das in einigen Detailaufnahmen festgehaltene Treppenhaus mit dem verspielten Geländer, die gemütlichen Möbel im Obergeschoss oder das "Viola Tricolor"-Zimmer, benannt nach einer Novelle Storms, die just dort spielt.
All dies besitzt auf den Fotos eine ganz eigene Würde, die das Authentische dieses allmählich und mühsam zusammengetragenen Dichternachlasses unterstreicht. Und so erzählt dieser Band nebenbei auch noch eine Erfolgsgeschichte des Bewahrens und des Akkumulierens von materiellen Erinnerungen.
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"Theodor Storm in Husum". Jochen Missfeldt, Christian Demandt (Text), Angelika Fischer (Photographien). Edition A B Fischer, Berlin 2016, 32 Seiten, broschiert, 8,80 Euro
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