zugrunde gegangen. Dabei entwirft Kierkegaard dieses Szenario zu einer Zeit, als ständig Theater in Flammen aufgingen. Allein in Europa brannten im neunzehnten Jahrhundert rund vierhundert Schauspiel- und Opernhäuser ab. Brandschutz war noch kein Thema, eine Feuerwehr im heutigen Sinn gab es nicht, und Licht wurde von Öllampen, später von Gasleuchten erzeugt. Theater - ein Spiel mit dem Feuer.
Der Kölner Theaterwissenschaftler Elmar Buck greift in seinem Buch "Thalia in Flammen" einige spektakuläre Fälle heraus. Mit brennendem Eifer hat er Dokumente und Details recherchiert. Und dennoch will der Funke nicht auf den Leser überspringen. Den Weg zum Feuer hat der Autor durch allzuviel Ballast verstellt. Dabei steckt viel Zündstoff in der Thematik. Nicht selten wurde ein loderndes Theater selbst zum Schauspiel. Etwa in Wien, als dort 1863 das "Treumann-Theater" brannte: "Die Wiener vergnügten sich damals an der improvisierten nächtlichen Illumination, die um so reizvoller wirkte, als die mächtige Flammengarbe des brennenden Theaters sich in der Wasserfläche des benachbarten Donaukanals spiegelte." In diesem Fall gab es keine Toten.
Doch dann brannte das Wiener Ringtheater, bei ausverkauftem Haus. Als ein Beleuchter am 8. Dezember 1881 kurz vor Beginn der Vorstellung die Soffittenbrenner entzünden will, fängt der Gazevorhang Feuer. Dem folgt eine Kette verhängnisvoller Fehler, das Feuer breitet sich explosionsartig in den Zuschauerraum aus, all dies in einem eng verschachtelten Gebäude. Ein Inferno entsteht, an dessen Ende 384 Tote gezählt werden. Ein Schock, europaweit. Und ein Wendepunkt in der Geschichte des Brandschutzes. Preußen reagierte 1889 mit der obligatorischen Einführung von eisernem Vorhang und Sprinkleranlage. Und da Edison gerade die Glühbirne erfunden hatte, konnte die explosive Gasbeleuchtung durch elektrisches Licht ersetzt werden. Spannende Entwicklungen, die Elmar Buck so referiert, als schriebe er einen Bericht für die Brandschutzbehörde.
Inzwischen gibt es nur noch selten Feueralarm im Schauspielhaus. Wenn jetzt Alarm geschlagen wird, dann ist das meist der Ruf nach Subventionen. Brennende Theater gehören seit dem Desaster von Madrid, wo 1928 hundertzwanzig Menschen starben, beinahe der Vergangenheit an. Seitdem verzeichnet Elmar Buck noch vier spektakuläre Fälle, bei denen niemand ums Leben kam. Darunter der Fall "La Fenice". Als das "Gran Teatro La Fenice" von Venedig 1995 seine Portale schloß, war es künstlerisch ausgebrannt. Renovierung hieß nun der Rettungsplan. Doch die Krise übertrug sich auf zwei Elektriker, die bei den Bauarbeiten in Verzug gerieten. Um einer Strafe zu entgehen, steckten sie in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 1996 "La Fenice" in Brand. Zum zweiten Mal in seiner zweihundertjährigen Geschichte zerfiel Venedigs Gran Teatro zu Asche. Schon 1836 ließen die Flammen nur die Außenmauern übrig. Doch ein Jahr später stand an derselben Stelle ein neues Opernhaus. An der dritten Version wird seit fünf Jahren gebastelt. Die Eröffnung war einmal für Dezember 1997 geplant; jetzt hat man 2002 im Visier. Auch diesmal wird "La Fenice" - der Phönix - wieder aus der Asche auferstehen.
SUSANNE MARIA STAERK
Elmar Buck: "Thalia in Flammen". Theaterbrände in Geschichte und Gegenwart. EFB-Verlag, Erlensee/Köln 2000. 285 S., geb., 58,- DM.
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