erfüllen als die Kenntnis vom Alter gotischer Spitzbögen: Von einem Turm des Doms stürzte sich 1785 die siebzehnjährige Freiin von Ickstatt aus Liebeskummer in den Tod. Es war eine der vielen Nachahmungstaten, die Goethes leidender junger Werther ausgelöst hatte, und bald kam auch der Dichter selbst, den Unglücksort anzusehen. Bemerkenswert ist, dass Katharina Festner und Christiane Raabe nicht nur dort haltmachen, wo Prominenz lebte, sondern auch Erinnerungen an vergessene Hexen, verkannte Künstlerinnen und übergangene Forscherinnen hinter den Fassaden aufspüren. Von einem Spaziergang zum nächsten rundet sich das Bild der zwar konservativen alten Residenzstadt, in der aber doch das Herz einer libertinen Boheme pochte und die frühe Frauenbewegung ein Zentrum fand - in der bekanntermaßen allerdings auch die braune Bewegung ihren Ausgang nehmen konnte. Leider fehlen des Öfteren Hinweise auf den Verlust originaler Bausubstanz. Es ist eben nicht die "Villa von Thomas und Katja Mann", vor der wir in Bogenhausen stehen, sondern ein nachempfundener Neubau auf den Resten des alten Hauses. Wie schrieb Else Lasker-Schüler so schön? München sei eine "Riesenkommode aus einem bayerischen Alpenknochen gehauen. Man kann so anständig kramen in München und ausruhen auf gepolsterten Erinnerungen." Dieser Stadtführer der besonderen Art zieht beim Kramen wirklich Erstaunliches aus den Schubladen.
bsa
"Spaziergänge durch das München berühmter Frauen" von Katharina Festner und Christiane Raabe. Aktualisierte Neuausgabe, Arche Literatur Verlag, Zürich - Hamburg 2008. 160 Seiten, zahlreiche Abbildungen, sieben Karten. Broschiert, 14,80 Euro.
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