Firmen und Behörden solche naiv-liebenswerten Briefe gerichtet. Immer wieder nimmt er Pressemitteilungen und Werbeaussagen wörtlich und fordert die gegebenen Verheißungen mit linkischer Höflichkeit ein, oder er macht den Angeschriebenen skurrile Verbesserungsvorschläge. In den meisten Fällen hat er sogar Antworten auf seine merkwürdigen Ersuchen und Ansinnen bekommen. Insofern sind Sprenzingers gesammelte Briefwechsel in die Kategorie der "lustigen" Bücher einzuordnen. Die Antwortschreiben bieten allerdings darüber hinaus einen breiten Überblick darüber, wie in Deutschland ansässige Unternehmen mit ihren Kunden umgehen.
Hersteller vergleichbarer Produkte reagieren dabei recht unterschiedlich. Auf die Frage, warum ein gekaufter, milchreicher Schokoriegel nicht, wie in der Fernsehwerbung, "Muh" mache, antwortete eine Dame der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, daß die Riegel vertraglich verpflichtet seien, nur in den Fernsehspots und exklusiv für den Hersteller zu muhen. Einen anderen Schokoladenproduzenten fragte Sprenzinger, wie die in dem gekauften Produkt befindliche "Überraschung", ein Plastik-Seepferd, zusammenzusetzen sei, mit der beiliegenden Anleitung sei er nämlich nicht zurechtgekommen. Die Antwort bekam er von einem sogenannten Kinder-Dienst. Ein Sachbearbeiter, der seinen Namen nur in Form einer unleserlichen Unterschrift preisgab, teilte mit, daß trotz sorgfältigster Kontrollen bei einer industriellen Produktion nicht ganz auszuschließen sei, daß in seltenen Fällen fehlerhafte Stücke nicht entdeckt werden. Auf das konkrete Problem der Montage des Seepferds wurde nicht eingegangen.
Besonders viel Humor bewies der "Director End-User Sales & Marketing" eines großen Softwareanbieters, der Sprenzinger riet, bei der Nutzung der gekauften Software im Winter nicht mehr als sechs Fenster gleichzeitig zu öffnen - "man holt sich schnell einen Zug".
Manche Firmen antworteten überhaupt nicht. Zu ihnen gehört der Hersteller einer Nudelsoße, der verkündet hatte, daß sein Erzeugnis den Italiener im Konsumenten wecke. Der Hilferuf Sprenzingers, daß in ihm ein Österreicher geweckt worden sei, rührte das Unternehmen nicht. Ein Betrieb, der Panzer baut, wurde gebeten, ein Angebot für einen blauen Panzer mit Fahrradständer, Katalysator und D-Schild für Auslandsfahrten zu unterbreiten. Statt die Chance zur Rüstungskonversion zu ergreifen, meldete der sture Panzerproduzent den Brief der Kriminalpolizei, die jedoch wesentlich humorvoller reagierte.
Jürgen Sprenzingers Korrespondenz ist nicht das Ergebnis einer systematischen Recherche, doch vermittelt sie einen Eindruck davon, wo Menschen sich mit Begeisterung für Qualität und Kundennähe einsetzen. Das mag für Bewerber von Interesse sein, aber auch für Investoren und potentielle Kunden. Wer selbst mit Kunden korrespondiert, findet hier neue Anregungen und Vergleichsmöglichkeiten. HARTMUT HÄNSEL
Jürgen Sprenzinger: "Sehr geehrter Herr Maggi". Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München 1996. 352 S., Abb., br., 16,90 DM.
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