der Geschmacklosigkeit.
Kretins und sogenannte Untermenschen, von dumpfen Sexualobsessionen getriebene Seelenkrüppel bevölkerten die Schwabsche Welt, ihre Sprache war kalauernde Notzucht an Grammatik und semantischer Tradition. Aber die - häufig obszönen - Wortungetüme verloren rasch ihre Verblüffungskraft, weil sie inflationär auftraten. Die ausgehungerten Bühnen freilich rissen Werner Schwab seine angeblich verruchten Arbeiten aus der Hand. Kein Wunder, daß sich unter der Massenware viel Ausschuß befand.
Gleichwohl blitzten noch im Mißlungenen immer wieder Talentfunken auf. Und einige Gustostückerl aus Schwabs OEuvre, insbesondere "Fäkaliendramen" wie "Die Präsidentinnen", "Volksvernichtung" oder "Mein Hundemund", dürften so schnell nicht im Orkus des Vergessens verschwinden. Sie werden als befremdliche Zeugnisse ihrer Epoche überdauern. Anno 1992 ist der Österreicher Werner Schwab in Deutschland zum "Dramatiker des Jahres" gekürt worden. Sein Ruhm bei Lebzeiten währte nur zwei Jahre. Am Neujahrstag 1994, knapp fünf Wochen vor dem sechsunddreißigsten Geburtstag, starb der Exzeß-Trinker im komatösen Rausch.
Einer, der seine Karriere von Anbeginn verfolgt und publizistisch gefördert hatte, legt nun die erste Schwab-Monographie unter dem Titel "Seele brennt" vor. In einem der im Band abgedruckten Interviews bekennt Helmut Schödel freimütig: "Ich schreibe keine Biographien. Ich bin Feuilleton-Journalist." Das stimmt und ist kein Unglück, denn Schödel beherrscht sein Handwerk zweifellos. Der Feuilletonist formuliert pointiert, manchmal sogar effektvoll, er spielt mit den Genres der Darstellung. Dennoch sind seine Sätze nicht bloß Selbstzweck, man spürt in ihnen Respekt vor dem Toten und Sympathie für ihn.
Dem aus der Unterschicht stammenden Porträtierten erspart er die Aura schwarzer Romantik ebenso wie rührselige Sozialpathetik. Die Kenntnis des Lebenshintergrunds, genauer gesagt: der Lebenstragödie des rasanten Untergehers Werner Schwab ermöglicht in der Tat eine etwas differenziertere Sicht auf dessen Werk. Schwabs Zynismus war aus existentieller Not geboren und hat sich erst später, im Taumel des Erfolges, zum allzu leicht verfügbaren Markenzeichen verselbständigt. Bei der Lektüre des schlanken Buches drängt sich allerdings ein Verdacht auf: Das spannendste und zugleich traurigste Drama des Theater-Berserkers Werner Schwab war vielleicht doch sein ureigenes: die Geschichte einer Selbstzerstörung. ULRICH WEINZIERL
Helmut Schödel: "Seele brennt". Der Dichter Werner Schwab. Deuticke Verlag, Wien 1995. 176 S., geb., 34,- DM.
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