Veröffentlichungen, Erzählungen und Essays, die Beachtung finden und seinen Namen in der literarischen Öffentlichkeit etablieren.
Aber als Breitbach 1931 endgültig nach Frankreich geht, hat er sich vom Kommunismus gelöst. Sein Werk wird im nationalsozialistischen Deutschland verboten; während des Krieges bleibt er in Frankreich und versteckt sich mit der Hilfe seiner Freunde bis zum Kriegsende. Aber er bleibt ein deutscher Autor, die Muttersprache behauptet ihre Macht. Sein größter Bucherfolg nach dem Zweiten Weltkrieg wird "Bericht über Bruno" von 1962, ein Staatsroman, geschrieben aus der Perspektive eines zynisch-weisen alten Premierministers in der Tradition Talleyrands, der in Gestalt seines Enkels Bruno mit einem politisch-moralistischen Puritanismus moderner Prägung zusammenstößt. Der Eindruck fanatischer Prinzipientreue, die über Leichen geht, beschäftigte Breitbach seit seinem Ausscheiden aus der Partei und wurde auch in diesem Buch bestimmendes Element: das kunstvolle Gebäude einer kompromissbereiten Staatskunst wird durch einen letztlich unpolitischen, weil nicht mit den Konstanten der Menschennatur rechnenden Radikalismus zertrümmert.
Sehr selbstverständlich fand Breitbach sich in diesem Buch in den grandseigneuralen Ton des elder statesman, denn seine Lebensumstände waren längst nicht mehr die eines kommunistischen Buchhändlers; er war inzwischen sehr wohlhabend und nahm in den komplizierten Verhältnissen der Pariser Gesellschaft einen festen Platz ein. Das war wirklich eine Karriere wie die eines "jungen Mannes aus der Provinz" bei Balzac. Sie böte Stoff für ein Werk, das Joseph Breitbach leider nicht geschrieben hat und wohl auch nicht schreiben wollte. Aber er wurde ein großer Mäzen, der eine ganze Reihe werdender Autoren großzügig und phantasievoll beschenkte und der das mit dem nach ihm benannten Literaturpreis über seinen Tod hinaus noch heute tut.
Der Erzählungsband "Rot gegen Rot", der vorwiegend Stücke aus den zwanziger Jahren vereint, deren Nachkriegsausgaben länger vergriffen waren, lenkt nun noch einmal den Blick auf die Breitbachschen Anfänge zurück, auf die Jahre, in denen er als Buchhändler in einem der Warenhäuser der Familie Landauer arbeitete. Bescheiden mag sich ein solches Warenhaus im damaligen Koblenz gegen heutige Kaufhausgiganten ausnehmen, aber für die Literatur der zwanziger Jahre und gerade auch für Breitbach war es ein Ort, an dem die neue Zeit, das Ende des Handwerks und der Beginn der Massenproduktion, das Aufkommen eines neuen Standes, des kleinen Angestellten, die Herrschaft einer kommerziellen Bürokratie, besonders rein verkörpert war. Das Warenhaus wurde für Breitbach ein Staat im Staat, an dem sich der Zustand der Gesellschaft ebenso zuverlässig ablesen ließ wie einst am Hof von Versailles in den Memoiren des Duc de Saint-Simon. Zum Protagonisten der Titelgeschichte ist der Liftboy Karl prädestiniert, denn er ist in allen Etagen des Emporiums gegenwärtig und als aktiver Kommunist in die Gesetzlichkeiten des Warenhausbetriebes genauestens eingeweiht. Breitbachs Blick zurück in die späte Republik von Weimar eröffnet erstaunliche Einsichten. Sie zeigt eine weitverzweigte kommunistische Kultur und Subkultur, eine bestens funktionierende Koexistenz mit dem Kapitalismus, eine Partei, die Kampforganisation ist, vor allem aber Lebensform ihrer Mitglieder. Keineswegs verherrlichend, sondern als nüchterne Alltagsbeschreibung entsteht ein Bild von der Hingabefähigkeit, der intellektuellen Neugier, ja dem Lesehunger und der Verantwortungsbereitschaft der kleinen Parteimitglieder, die staunen lässt, gerade auch wenn man die heutige politische Situation bedenkt, die eigentlich nur noch durch die Verteilungsbalgereien zwischen popolo minuto und popolo grasso charakterisiert wird. Wohlgemerkt - dass der Autor Breitbach damals Parteimitglied war, das ist, wenn man die Texte heute liest, an keiner Zeile mehr festzumachen. Die Atmosphäre im Warenhaus ist unerfreulich, aber das hat mit Neid, Eifersucht, Schadenfreude und Illoyalität der Angestellten zu tun, nicht mit einem irgendwie auffällig werdenden Ausmaß an Ausbeutung und Unterdrückung. Die Leute sind bei Breitbach Kommunisten, wie sie ebenso gut Katholiken oder Nazis sein könnten - erstaunlich auch für Erzählungen aus dem Jahre 1929, dass ein aufkommender Nationalsozialismus als großer Feind noch überhaupt keine Rolle spielt, die Partei bei Breitbach ist vorwiegend mit sich selbst beschäftigt und legt in einem strengen Erziehungssystem die Grundlage für die künftigen Führungskader eines neuen Staates.
Dem politischen Menschen Breitbach war eben auch in der Zeit seiner festen Bindung an die Partei ein Hang zu Objektivität nicht auszutreiben. Umso erstaunlicher war das Schicksal von Buch und Autor nach Erscheinen der Erzählung. Die deutschen Kommunisten rochen den Braten und monierten, was damals dem Autor selbst noch nicht klar war, eine allzu ambivalente Haltung und das Fehlen eindeutiger Parteiheroen in seinem Text. In Moskau hingegen kam das Buch unter der hohen Protektion des Kommissars Lunatscharskij heraus - dass der Protektor zehn Jahre später unter Stalin hingerichtet wurde, hat gewiss mit Breitbachs Buch zum wenigsten zu tun, aber ein Zeichen seiner "Unzuverlässigkeit" mag das Interesse an der Literatur eines jungen deutschen Genossen schon gewesen sein. Die Eigentümer des Kaufhauses, in dem Breitbach die Buchabteilung leitete, waren nicht erfreut und kündigten dem Ausplauderer von Betriebsinterna fristlos. Damit waren die Bande der Provinz zerrissen, und das Lebensabenteuer des Joseph Breitbach begann.
Es gibt eine Erzählung in diesem Band, die aus der Reihe jener Stücke, die thematisch durch ihr Personal - die Herumtreiber und kleinen Strolche, die Verkäuferinnen und die möblierten Herren - verbunden sind, vollständig herausfällt und die auf einer tieferen Schicht als der der politischen Argumentation erklärt, warum Breitbach sich vom Kommunismus abgewandt hat. "Die Raben" schildern den Raubkrieg zwischen zwei Völkern, nämlich den Hühnern und den Krähen - ein einziger Mensch kommt in der Geschichte vor. Aber obwohl es leicht wäre, diese Vogelmassaker auf eine gleichnishafte Ebene zu heben, würde man der Erzählung damit keinesfalls gerecht. Dazu sind die Abläufe viel zu genau und viel zu eindringlich beobachtet. Und es geht auch gar nicht um die mörderische Welt des Fressens und Gefressenwerdens in einem barbarischen Naturzustand. Es geht um den beobachtenden und in den Vogelkampf eingreifenden Menschen, in dessen Herzen sich unversehens eine Quelle des finstersten Hasses auftut und der einem Rachegelüst freien Lauf lässt, das in keinem Verhältnis zur Übeltat der Krähen mehr steht.
Der Mensch allein, im unterdrückungsfreien Naturzustand auf freier Wildbahn als Gebärer der schwärzesten Teufelei - welches idealistische Konzept sollte sich auf eine solche Anthropologie noch beziehen können? Es überrascht, den mondänen und lebensgenießenden Mann, der Breitbach in der Erinnerung vieler Zeitgenossen war, in solcher Verzweiflung zu erleben. Dass er sie nur in diesem einzigen, aber sehr gewichtigen Text zum Ausdruck brachte, gehört auch zu den Charakteristika einer Kontrolliertheit, der er sein Lebenswerk unterwarf.
Joseph Breitbach: "Rot gegen Rot". Sämtliche Erzählungen. Herausgegeben von Wolfgang Mettmann und Alexandra Plettenberg-Serban. Wallstein Verlag, Göttingen 2008. 512 S., geb., 24,- [Euro].
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