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Theun de Vries
Gebundenes Buch
Rembrandt
Roman. Aus d. Niederländ. v. Eva Schumann (1950), nachbearb. v. Heike Schwers
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Produktdetails
- Verlag: Dittrich, Berlin
- Seitenzahl: 350
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 523g
- ISBN-13: 9783920862262
- ISBN-10: 3920862260
- Artikelnr.: 24758493
Herstellerkennzeichnung
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Heimelig ist's beim Genie
Theun de Vries erzählt das Leben einer nicht gewöhnlichen Familie
Rembrandts Werk war häufig umstritten - zu Lebzeiten und auch danach. Zu den Ersten, die nach Jahrzehnten des Unverständnisses zu neuer Wertschätzung bereit waren, gehörte Goethe. Seine "Brieftasche" aus dem Jahr 1776 würdigt Rembrandt als Meister des Interieurs und entwickelt daraus eine allgemeine Regel der Kunst. Wer bloß allgemein sein wolle, aus dem werde nichts, versichert Goethe. Die Einschränkung sei dem Künstler notwendig wie jedem, der Bedeutsames leisten wolle. "Das Haften an eben denselben Gegenständen, an dem Schrank voll alten Hausrats und wunderbaren Lumpen hat Rembrandt zu dem Einzigen gemacht, der er
Theun de Vries erzählt das Leben einer nicht gewöhnlichen Familie
Rembrandts Werk war häufig umstritten - zu Lebzeiten und auch danach. Zu den Ersten, die nach Jahrzehnten des Unverständnisses zu neuer Wertschätzung bereit waren, gehörte Goethe. Seine "Brieftasche" aus dem Jahr 1776 würdigt Rembrandt als Meister des Interieurs und entwickelt daraus eine allgemeine Regel der Kunst. Wer bloß allgemein sein wolle, aus dem werde nichts, versichert Goethe. Die Einschränkung sei dem Künstler notwendig wie jedem, der Bedeutsames leisten wolle. "Das Haften an eben denselben Gegenständen, an dem Schrank voll alten Hausrats und wunderbaren Lumpen hat Rembrandt zu dem Einzigen gemacht, der er
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ist."
Das Bekenntnis zu Konzentration und Bescheidenheit, mit dem der Autor des "Werthers" sich hier selbst zur Ordnung zu rufen scheint, hätte ein treffendes Motto abgegeben für den vorliegenden Roman. Strikt hält der holländische Schriftsteller und Privatgelehrte Theun de Vries seinen Erzählstoff auf den Lebenskreis seiner Titelfigur beschränkt. Die Wahl des Buchtitels, dessen lapidare Namensnennung an die Heldenverehrung vergangener Tage und zumal der George-Schule denken lässt, mag leicht irreführen. Gewiss ist auch dieses Buch pathetisch, doch es ist ein Pathos der Normalität. De Vries interessiert sich weniger für die Dunkelschöpfungen des Genius, umso mehr aber für die kleine Welt, die ihm die Bühne seines Schaffens gewesen ist: das Atelier, die Familie, die Stadt.
Die Romanerzählung setzt exakt zur Jahrhundertmitte ein, im Sommer 1650. Rembrandt ist vierundvierzig, die großen Landschaften und Porträts, darunter auch die "Nachtwache", liegen hinter ihm. Acht Jahre zuvor ist Saskia gestorben, kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Titus. Seit drei Jahren ist Hendrickje Stoffels im Haus und nimmt dem Maler die Lasten des Alltags ab. Die junge Frau, von Titus Mutter genannt, hält den stets von Geldsorgen bedrängten Haushalt zusammen. Schließlich werden sie und Rembrandt ein Paar. Für einige Jahre, bis zu ihrem Tod im Sommer 1663, gelingt es Hendrickje, den Maler aus den Depressionen seiner späten Jahre zu reißen. Hendrickje und Titus, nicht Rembrandt, sind die Schlüsselfiguren dieses Romans.
Neben dem Haus an der Breestraße, das die Familie aus Geldnot bald aufgeben und durch ein schlichteres Gebäude ersetzen muss, gibt es einen zweiten Handlungsort: die Stadt Amsterdam. Ist das Haus die Domäne Hendrickjes, so erschließt sich die städtische Welt durch die Blicke des heranwachsenden Titus. Amsterdam ist eine wohlhabende und noch immer aufstrebende Handelsstadt, und de Vries findet reichlich Gelegenheit, Titus über die Schulter zu schauen und die Werkstätten der Handwerker vorzuführen, die Labors der Naturforscher, Mediziner und Apotheker, die bescheidenen Stuben der jüdischen Studenten und der Lohnschreiber, die Bodenkammern der kleinen Händler und Galeristen, schließlich auch die Kontore der Geldverleiher und Kaufleute. Sie sind die wahren Herren der Stadt, sie lenken ihre Geschicke, und durch ihre Aufträge und Ankäufe bestimmen sie den Geschmack in der Kunst.
Abhängig, wie er war, sah sich Rembrandt wiederholt zur Demütigung vor Geldgebern gezwungen, die seine Kunst kleinlich bemäkelten und einiges sogar vernichten ließen, als es nicht prompt gefiel. De Vries' Anteilnahme ist deutlich, und Rembrandt gerät ihm darüber zum Sonderling. Der Maler, den dieser Roman uns vorführt, ist ein leidenschaftlicher Sammler und Aufkäufer. Er kann nicht und mag wohl auch nicht seine Gulden zusammenhalten. Ein Bohemien avant la lettre, versucht er mit Hendrickje das Ideal der freien Liebe zu verwirklichen. Zwar bemerkt er, wie sehr die einfache Frau darunter leidet, dass niemand sie mehr grüßt und man ihr sogar den Kirchenbesuch verwehrt. Zumindest der literarische Rembrandt jedoch setzt sich darüber hinweg. Aus Empörung gegen das Unrecht, das Neid und Unverständnis ihm bereiten, lässt er sich zu neuem Unrecht verleiten, das er denen antut, die ihm die Nächsten sind.
"Malerei" heißt auf Niederländisch "Schilderkunst", und es ist der Ehrgeiz Theun de Vries', aus dieser Fertigkeit eine literarische Tugend zu machen. Der 1950 erstmals publizierte und jetzt in "nachbearbeiteter" Übersetzung vorliegende Roman wählt ein experimentelles Erzählverfahren, in dem alles, was Handlung heißen könnte, in chronologisch geordnete Proben der Schilderkunst aufgelöst ist. Sein Stilideal ist das Genre, die anschauliche Darbietung menschlichen Lebens und übersichtlicher Verhältnisse: "der Schrank voll alten Hausrats und wunderbaren Lumpen". De Vries wendet das Darstellungsprinzip der niederländischen Malerei auf deren romanhafte Bearbeitung an, und es lässt sich nicht leugnen, dass das Ergebnis unter dem Ausfall jenes Spannungsbogens leidet, wie nur die Entwicklung einer selbstständigen Geschichte ihn hätte erzeugen können.
Und doch hält der Roman sich tapfer. Was ihm an Identifikationsangeboten und Überraschungsmomenten abgeht, gleicht er aus durch konstruktives Geschick und Nuancenreichtum. Eine präzis arbeitende Phantasie lässt die versunkene Welt einer europäischen Handelsmetropole auferstehen, und fein gearbeitete Porträts - Joost von den Vondel, Baruch Spinoza und Jan Swammerdam betreten gelegentlich die Szene - rücken das längst Vergangene dicht an uns heran. Wer an den Gemälden eines Gerard Dou oder eines Samuel van Hoogstraten, eines Pieter Saenredam oder Willem Kalf Gefallen findet, der wird auch diesen Roman zu schätzen wissen - seine eindringlichen Erzählbilder und seine tief abgründige Feier der Normalität.
RALF KONERSMANN
Theun de Vries: "Rembrandt". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Eva Schumann, nachbearbeitet von Heike Schwers. Dittrich Verlag, Köln 1999. 350 S., geb., 39,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Bekenntnis zu Konzentration und Bescheidenheit, mit dem der Autor des "Werthers" sich hier selbst zur Ordnung zu rufen scheint, hätte ein treffendes Motto abgegeben für den vorliegenden Roman. Strikt hält der holländische Schriftsteller und Privatgelehrte Theun de Vries seinen Erzählstoff auf den Lebenskreis seiner Titelfigur beschränkt. Die Wahl des Buchtitels, dessen lapidare Namensnennung an die Heldenverehrung vergangener Tage und zumal der George-Schule denken lässt, mag leicht irreführen. Gewiss ist auch dieses Buch pathetisch, doch es ist ein Pathos der Normalität. De Vries interessiert sich weniger für die Dunkelschöpfungen des Genius, umso mehr aber für die kleine Welt, die ihm die Bühne seines Schaffens gewesen ist: das Atelier, die Familie, die Stadt.
Die Romanerzählung setzt exakt zur Jahrhundertmitte ein, im Sommer 1650. Rembrandt ist vierundvierzig, die großen Landschaften und Porträts, darunter auch die "Nachtwache", liegen hinter ihm. Acht Jahre zuvor ist Saskia gestorben, kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Titus. Seit drei Jahren ist Hendrickje Stoffels im Haus und nimmt dem Maler die Lasten des Alltags ab. Die junge Frau, von Titus Mutter genannt, hält den stets von Geldsorgen bedrängten Haushalt zusammen. Schließlich werden sie und Rembrandt ein Paar. Für einige Jahre, bis zu ihrem Tod im Sommer 1663, gelingt es Hendrickje, den Maler aus den Depressionen seiner späten Jahre zu reißen. Hendrickje und Titus, nicht Rembrandt, sind die Schlüsselfiguren dieses Romans.
Neben dem Haus an der Breestraße, das die Familie aus Geldnot bald aufgeben und durch ein schlichteres Gebäude ersetzen muss, gibt es einen zweiten Handlungsort: die Stadt Amsterdam. Ist das Haus die Domäne Hendrickjes, so erschließt sich die städtische Welt durch die Blicke des heranwachsenden Titus. Amsterdam ist eine wohlhabende und noch immer aufstrebende Handelsstadt, und de Vries findet reichlich Gelegenheit, Titus über die Schulter zu schauen und die Werkstätten der Handwerker vorzuführen, die Labors der Naturforscher, Mediziner und Apotheker, die bescheidenen Stuben der jüdischen Studenten und der Lohnschreiber, die Bodenkammern der kleinen Händler und Galeristen, schließlich auch die Kontore der Geldverleiher und Kaufleute. Sie sind die wahren Herren der Stadt, sie lenken ihre Geschicke, und durch ihre Aufträge und Ankäufe bestimmen sie den Geschmack in der Kunst.
Abhängig, wie er war, sah sich Rembrandt wiederholt zur Demütigung vor Geldgebern gezwungen, die seine Kunst kleinlich bemäkelten und einiges sogar vernichten ließen, als es nicht prompt gefiel. De Vries' Anteilnahme ist deutlich, und Rembrandt gerät ihm darüber zum Sonderling. Der Maler, den dieser Roman uns vorführt, ist ein leidenschaftlicher Sammler und Aufkäufer. Er kann nicht und mag wohl auch nicht seine Gulden zusammenhalten. Ein Bohemien avant la lettre, versucht er mit Hendrickje das Ideal der freien Liebe zu verwirklichen. Zwar bemerkt er, wie sehr die einfache Frau darunter leidet, dass niemand sie mehr grüßt und man ihr sogar den Kirchenbesuch verwehrt. Zumindest der literarische Rembrandt jedoch setzt sich darüber hinweg. Aus Empörung gegen das Unrecht, das Neid und Unverständnis ihm bereiten, lässt er sich zu neuem Unrecht verleiten, das er denen antut, die ihm die Nächsten sind.
"Malerei" heißt auf Niederländisch "Schilderkunst", und es ist der Ehrgeiz Theun de Vries', aus dieser Fertigkeit eine literarische Tugend zu machen. Der 1950 erstmals publizierte und jetzt in "nachbearbeiteter" Übersetzung vorliegende Roman wählt ein experimentelles Erzählverfahren, in dem alles, was Handlung heißen könnte, in chronologisch geordnete Proben der Schilderkunst aufgelöst ist. Sein Stilideal ist das Genre, die anschauliche Darbietung menschlichen Lebens und übersichtlicher Verhältnisse: "der Schrank voll alten Hausrats und wunderbaren Lumpen". De Vries wendet das Darstellungsprinzip der niederländischen Malerei auf deren romanhafte Bearbeitung an, und es lässt sich nicht leugnen, dass das Ergebnis unter dem Ausfall jenes Spannungsbogens leidet, wie nur die Entwicklung einer selbstständigen Geschichte ihn hätte erzeugen können.
Und doch hält der Roman sich tapfer. Was ihm an Identifikationsangeboten und Überraschungsmomenten abgeht, gleicht er aus durch konstruktives Geschick und Nuancenreichtum. Eine präzis arbeitende Phantasie lässt die versunkene Welt einer europäischen Handelsmetropole auferstehen, und fein gearbeitete Porträts - Joost von den Vondel, Baruch Spinoza und Jan Swammerdam betreten gelegentlich die Szene - rücken das längst Vergangene dicht an uns heran. Wer an den Gemälden eines Gerard Dou oder eines Samuel van Hoogstraten, eines Pieter Saenredam oder Willem Kalf Gefallen findet, der wird auch diesen Roman zu schätzen wissen - seine eindringlichen Erzählbilder und seine tief abgründige Feier der Normalität.
RALF KONERSMANN
Theun de Vries: "Rembrandt". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Eva Schumann, nachbearbeitet von Heike Schwers. Dittrich Verlag, Köln 1999. 350 S., geb., 39,80 DM.
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