der Kunden fördernde Atmosphäre, indem sie die Preisverhandlung in eine Tee-Zeremonie einbinden.
In den modernen Konzernen ist offenbar das Grundverständnis für die preisbestimmenden Fakten, vor allem den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Höhe des Preises und der Perzeption des Wertes durch die Kunden verloren gegangen. Viele haben vergessen, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden in erster Linie vom wahrgenommenen Nutzen der angebotenen Produkte und Dienstleistungen abhängt. Die heute gängige Preissetzung orientiert sich entweder an den kalkulierten Gestehungskosten oder am (vermeintlichen) Marktpreis. Es ist - so die übereinstimmende Meinung der beiden Schriften - einfallslos, ja sogar stupide. Dadurch verschenken die Unternehmen Gewinnpotentiale, kritisieren die Experten, und sie haben recht. Sie fordern daher, die Preisfindung zur Chefsache zu machen, sich von der Preiskalkulation nach Schema F zu verabschieden, den Wert der Angebote überzeugender den Kunden zu kommunizieren und sich viel stärker mit der Wahrnehmung von Preis und Wert durch die Kunden (Kundenpsychologie) zu befassen. Wie das Preismanagement insbesondere im Geschäft mit Konsumenten nachhaltig verbessert und mit mehr Pfiff ausgestaltet werden kann, verraten die Schriften, untermauert mit konkreten, aus der Presse bekannten Beispielen. Man sollte die zwei Bücher im Doppelpack lesen.
Der bekannte Bonner Berater und Forscher Hermann Simon präsentiert theoretisch und praktisch wohlfundiert seine über Jahrzehnte fruchtbaren Arbeitens gesammelten "Preisheiten" (Weisheiten über den Preis). Er wendet sich an Produzenten, Händler und Konsumenten. Mit Blick auf Letztere sollte er besser von Einkäufern sprechen, die sich unprofessionelle Preissetzung der Anbieter zunutze machen wollen.
Die Lektüre des handlichen Buches ist lehrreich und erzeugt hoffentlich bei Managern heilsame Aha-Effekte. So wird nachgewiesen, dass kein anderes absatzpolitisches Instrument sich besser eignet als der Preis, um das Absatzvolumen und den Gewinn schnell und effektiv zu steuern. Man müsse sich vor Augen führen, dass die effektiven Gewinntreiber in einem Unternehmen (in dieser Reihenfolge) der Preis, die variablen Stückkosten, das Absatzvolumen und die Fixkosten seien. Im Blickpunkt des Managements stünden indessen Kosten und Marktanteile. Als Ergebnis einer mangelnden Professionalität der Preissetzung und eines Gierens nach Marktanteil ließen sich zu viele Unternehmen auf ruinöse Preiskriege ein. Stattdessen sollten die Unternehmen mehr den Kundenwert ins Visier nehmen und den Kundennutzen besser kommunizieren. Vor Preisänderungen sollten sie stets auch den Versuch machen, die relevante Preis-Absatz-Funktion einschließlich der zu erwartenden Konkurrentenreaktionen einzuschätzen. Die Unternehmen machten sich viel zu selten ein Bild von der Abhängigkeit der Nachfrage vom Preis. Es werde auch nicht erkannt, dass es selbst bei Massenprodukten zahlreiche Ansatzpunkte etwa bei der Produktpräsentation oder bei der Verpackung für eine Produktdifferenzierung und eine darauf aufbauende, intelligente Preissetzung gebe. Die Unternehmen müssten alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ihre Angebote zu Marken zu machen, mit denen sich Premiumpreise erzielen ließen. Ob man nach der Simon-Lektüre alles über Preise weiß, wie etwas vollmundig im Untertitel angekündigt wird, mag dahingestellt bleiben. Sicher ist jedoch, dass man mehr weiß und dass man das zusätzliche Wissen gut versilbern kann.
Das insgesamt 26 durchweg lesenswerte Beiträge umfassende Sammelwerk, das von den an der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Praxis arbeitenden Andreas Hinterhuber und Stephan Liozu herausgegeben wurde, widmet sich innovativen Ansätzen der Preissetzung und ihren Gewinnwirkungen. Die Schrift propagiert, mit Beispielen hinterlegt, vier Handlungsfelder: eine am Kundenwert ausgerichtete Strategie ("Value-Based Pricing"), Taktiken, die darauf abzielen, die Zahlungsbereitschaft der Kunden zu erhöhen und den Wert der Angebote an Geschäfts- und Privatkunden überzeugend zu kommunizieren, Ansätze zur Verbesserung der Organisation des Preisfindungsprozesses in den Unternehmen und schließlich die psychologischen Aspekte der Preissetzung mit dem Ziel, die Wahrnehmung der Kunden von Wert und Preis der Angebote aktiv zu beeinflussen. Nur in diesem Vierklang ließe sich innovatives Pricing umsetzen.
Die beiden Herausgeber beklagen zu Recht, dass nur wenige Unternehmen Innovationen bei der Preissetzung so ernst nehmen wie Innovationen bei Produkt- und Geschäftsmodellen. Dies sei ein fataler Fehler. Hinterhuber und Liozu verurteilen Einheitspreise und sprechen sich im Konzert mit ihren Autoren für die hohe Kunst der an Kundensegmenten orientierten Preisdifferenzierung aus. Wenn man den das Buch begleitenden zahlreichen Empfehlungen von renommierten Unternehmern und Experten glauben darf, so hat es in Fachkreisen starke Beachtung gefunden. Man muss sich allerdings nicht durch alle Beiträge arbeiten.
ROBERT FIETEN
Hermann Simon: Preisheiten. Alles, was Sie über Preise wissen müssen. Campus Verlag, Frankfurt - New York 2013, 287 Seiten, 29,99 Euro
Andreas Hinterhuber und Stephan Liozu (Hrsg.): Innovation in Pricing. Contemporary Theories and Best Practices. Routledge, London/New York 2013, 420 Seiten, 52,80 Euro
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