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Gore Vidal - Der amerikanische Schriftsteller und Bush-Kritiker hat den zweiten Band seiner Memoiren veröffentlicht. Der aus einer Politikerfamilie stammende Vidal berichtet in der unterhaltsamen Biografie aus seinem Leben mit Politikern und Stars. "Point to Point Navigation" steht als Metapher für ein heikles Steuern ohne Kompass durch ein ereignisreiches Leben.
Gore Vidal, geboren 1925, zählt zu den wichtigsten Vertretern der amerikanischen Literatur. Er ist Autor von 22 Romanen, fünf Theaterstücken, vielen Filmdrehbüchern, Kurzgeschichten und über 200 Essays. Für "United States: Essays 1952 - 1992", eine Sammlung seiner Kritiken, erhielt er den National Book Award. Seine Memoiren "Palimpsest" (1996) sind ein bedeutendes Zeitdokument. Der Autor lebte in Ravello und Los Angeles.
Gore Vidal ist am 31. Juli 2012 im Alter von 86 Jahren in Los Angeles gestorben.
Gore Vidal ist am 31. Juli 2012 im Alter von 86 Jahren in Los Angeles gestorben.
Produktdetails
- Verlag: Little, Brown Book Group
- Seitenzahl: 277
- Englisch
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 614g
- ISBN-13: 9780316027274
- ISBN-10: 0316027278
- Artikelnr.: 20939859
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Auf Silberzunge ist Verlass
Bissig, spöttisch, virtuos: Gore Vidals Erinnerungen
NEW YORK, 16. Januar
Einen einfachen "Caesar Salad" hatte er sich zum Lunch bestellt, dabei aber dem Kellner aufgetragen, die Zutaten separat zu servieren. Als der Teller vor ihm stand, beschränkte er sich darauf, die säuberlich getrennten Bestandteile des Salats hin und her zu schieben. Davon gegessen hat er nichts. Damals, vor vielen Jahren im New Yorker Plaza Hotel, wirkte er ungehalten. Das Treffen mit der Modeavantgardistin Vivienne Westwood, die ihn am Tisch auf steilen Plateausohlen erwartete, schien ihn gründlich zu langweilen. All die Komplimente, die sie wie ein aufgeregter Teenager vortrug, überhörte er mit
Bissig, spöttisch, virtuos: Gore Vidals Erinnerungen
NEW YORK, 16. Januar
Einen einfachen "Caesar Salad" hatte er sich zum Lunch bestellt, dabei aber dem Kellner aufgetragen, die Zutaten separat zu servieren. Als der Teller vor ihm stand, beschränkte er sich darauf, die säuberlich getrennten Bestandteile des Salats hin und her zu schieben. Davon gegessen hat er nichts. Damals, vor vielen Jahren im New Yorker Plaza Hotel, wirkte er ungehalten. Das Treffen mit der Modeavantgardistin Vivienne Westwood, die ihn am Tisch auf steilen Plateausohlen erwartete, schien ihn gründlich zu langweilen. All die Komplimente, die sie wie ein aufgeregter Teenager vortrug, überhörte er mit
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grandseigneuraler Gelassenheit, und auch ihre politisch und philosophisch garnierte Wissbegier konnte ihm bloß ein paar flüchtige Bemerkungen entlocken. Es war eine Vorstellung, mit der Gore Vidal seinen Ruf als Großmeister der Ironie und arroganten Selbstgefälligkeit eindrucksvoll bestätigte. Nur die Pointe beim Abschied blieb aus.
Ich war damals auserkoren, das Gespräch aufzuzeichnen, durfte mich also in der Rolle des "passing tape recorder" versuchen. So pflegt Vidal mit unverhohlener Herablassung die Journalisten zu bezeichnen, die ihn seit Jahrzehnten mit ihren Aufnahmegeräten besuchen, hoch droben auf seinem traumhaften Anwesen über der italienischen Mittelmeerküste oder in den Hügeln von Hollywood, wohin er jetzt seinen Alterssitz verlegt hat. Wer der Miniszene im Plaza Hotel nichts abgewinnen kann, braucht Vidals zweiten und letzten autobiographischen Band, den er nun zwölf Jahre nach "Palimpsest", dem ersten Teil seiner Lebensbeschreibung, vorlegt, gar nicht aufzuschlagen. Wer eine Schwäche für gehobenen Klatsch hat, wird ihn freilich nicht aus der Hand legen können.
Anekdoten, Begegnungen, bissige Pointen und Beobachtungen unterschiedlicher Intensität, aber mit durchweg allerhöchstem Prominenzwert jagen über die Seiten. "Point to Point Navigation" umfasst, wie der Autor uns belehrt, die Zeit von 1964 bis 2006, aber da bindet er uns erst einmal einen Bären auf. Nicht nur zurück bis zu seiner Geburt im Jahr 1925 geht die spöttisch organisierte Zeitreise, Vidal nimmt uns noch weiter mit durch die Jahrhunderte zu seinen rätoromanischen Vorfahren väterlicherseits, während mütterlicherseits die Wasps, die White Anglo-Saxon Protestants, und unter ihnen namentlich Großvater Gore, denkwürdige Auftritte feiern.
Es sind immer Kurzauftritte. Wie der Titel andeutet, der auf eine Navigationsform ohne Kompass verweist, lässt Vidal sich von seiner Erinnerung auf einem abenteuerlichen Zickzackkurs durch die glorreich vergangenen Jahre schleudern. Personen, Themen und Zeitabschnitte purzeln chaotisch durcheinander, was wahrlich nicht unangebracht ist fürs eingestandenermaßen "nonlineare Leben" dieses Multitalents, dem als Essayist, Romanschriftsteller, Dramatiker, Drehbuchschreiber, Politiker, Schauspieler, Kommentator und zuverlässigem Espritsprüher und Pointenpräger zu gleichen Teilen Verachtung und Verehrung zuflogen.
Das Chaos, in das Vidal seine Vita stürzt, bezieht seinen Reiz aber auch aus einer virtuosen Verknüpfungskunst. Der Autor vermag einfach alle und alles miteinander zu verbinden, unweigerlich zu seiner größeren Ehre. Die Garbo und Montaigne, Hollywood und Washington, Royals wie die überraschend feinfühlig behandelte Prinzessin Margaret, Schriftstellerfreunde und -feinde wie Tennessee Williams oder Truman Capote und die nähere und fernere Verwandtschaft von Al Gore bis Jacqueline Kennedy-Onassis, sie alle dürfen dem Star der Veranstaltung Stichworte liefern. Für so viel Eitelkeit haben ihn amerikanische Rezensenten getadelt, aber wo, wenn nicht in der Autobiographie, hätte sie denn ihren angestammten Platz?
In seinem achten Lebensjahrzehnt ist auf Vidals Silberzunge noch Verlass. Susan Sontags Tod verleitet ihn dazu, sie "als Gewinnerin so vieler Scharmützel in ihrem langen Kampf gegen das Vergessen" zu rühmen, und etwas zu viel Hochachtung verströmt er auch angesichts der Wahl ihres letzten Ruheortes auf dem Friedhof Montmartre, in der Nähe von Sartre und Beauvoir: "Nicht schlecht für eine Absolventin der High School von Hollywood." Noch flotter kann Bissigkeit in Gehässigkeit übergehen, wenn er sich auf Amerikas Regierung oder eine Institution wie die "New York Times" einschießt. Dann muss sich sein Geburtsland, das er lange von Italien aus schmähte, in die "United States of Amnesia" verwandeln und die "Times" in einen Intrigenpfuhl.
Vidal wäre nicht Vidal ohne seinen unermüdlichen Willen zu Spott und Stichelei. Bis ins hohe Alter hat er sich offenbar die Lust bewahrt, seine Selbstverliebtheit in einen weltläufigen Charme zu kleiden, dem sogar beim neuerlichen Ausarbeiten von Verschwörungstheorien übers Kennedy-Attentat schwer zu widerstehen ist. Gore Vidal gibt sich allenfalls im Lichte seiner Anekdoten zu erkennen, und das sollte und muss uns reichen. Auf die viel zu ausführlichen Passagen, in denen er mit seinen Biographen abrechnet, wäre dagegen leicht zu verzichten. Sie lesen sich ausgesprochen kleinlich im Vergleich zur ungeniert gnadenlosen Kritik, mit der er die Gegenwart in vollem kulturpessimistischem Schwung verwöhnt und verhöhnt, bar jeder Angst vor dem Gegenhohn oder davor, in Altersgriesgrämigkeit zu versinken.
Doch halt, so ganz ohne einen Anflug von Bekenntnis geht die Chose doch nicht. Vidal wollte das Buch eigentlich "Zwischen Nachrufen" nennen. Obwohl er es nicht tat, begleitet der Tod von Freunden seine Erinnerungen als düsterer, fast ironiefreier Ostinato. Bewegend wird der Spötter aber erst, wenn er von Krankheit und Tod seines Lebensgefährten Howard Auster erzählt. Ohne seine Reserve aufzugeben, schildert er indes auch die Geborgenheit und, ja, das Glück, das er 53 Jahre lang bei ihm fand. Es ist die Vidalsche Version einer Liebeserklärung. Den Krankenpfleger, der am Sterbebett weint, kann er nur beneiden: "Über mir hatte sich der Wasp-Gletscher geschlossen." Kühl und gefasst stellt Vidal sich für den Fotografen auf dem Friedhof des Lebenspartners in Positur. Unter das Bild schreibt er jetzt, er werde sich dort ebenfalls beerdigen lassen. Sobald er dafür Zeit in seinem vollen Terminkalender findet.
JORDAN MEJIAS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ich war damals auserkoren, das Gespräch aufzuzeichnen, durfte mich also in der Rolle des "passing tape recorder" versuchen. So pflegt Vidal mit unverhohlener Herablassung die Journalisten zu bezeichnen, die ihn seit Jahrzehnten mit ihren Aufnahmegeräten besuchen, hoch droben auf seinem traumhaften Anwesen über der italienischen Mittelmeerküste oder in den Hügeln von Hollywood, wohin er jetzt seinen Alterssitz verlegt hat. Wer der Miniszene im Plaza Hotel nichts abgewinnen kann, braucht Vidals zweiten und letzten autobiographischen Band, den er nun zwölf Jahre nach "Palimpsest", dem ersten Teil seiner Lebensbeschreibung, vorlegt, gar nicht aufzuschlagen. Wer eine Schwäche für gehobenen Klatsch hat, wird ihn freilich nicht aus der Hand legen können.
Anekdoten, Begegnungen, bissige Pointen und Beobachtungen unterschiedlicher Intensität, aber mit durchweg allerhöchstem Prominenzwert jagen über die Seiten. "Point to Point Navigation" umfasst, wie der Autor uns belehrt, die Zeit von 1964 bis 2006, aber da bindet er uns erst einmal einen Bären auf. Nicht nur zurück bis zu seiner Geburt im Jahr 1925 geht die spöttisch organisierte Zeitreise, Vidal nimmt uns noch weiter mit durch die Jahrhunderte zu seinen rätoromanischen Vorfahren väterlicherseits, während mütterlicherseits die Wasps, die White Anglo-Saxon Protestants, und unter ihnen namentlich Großvater Gore, denkwürdige Auftritte feiern.
Es sind immer Kurzauftritte. Wie der Titel andeutet, der auf eine Navigationsform ohne Kompass verweist, lässt Vidal sich von seiner Erinnerung auf einem abenteuerlichen Zickzackkurs durch die glorreich vergangenen Jahre schleudern. Personen, Themen und Zeitabschnitte purzeln chaotisch durcheinander, was wahrlich nicht unangebracht ist fürs eingestandenermaßen "nonlineare Leben" dieses Multitalents, dem als Essayist, Romanschriftsteller, Dramatiker, Drehbuchschreiber, Politiker, Schauspieler, Kommentator und zuverlässigem Espritsprüher und Pointenpräger zu gleichen Teilen Verachtung und Verehrung zuflogen.
Das Chaos, in das Vidal seine Vita stürzt, bezieht seinen Reiz aber auch aus einer virtuosen Verknüpfungskunst. Der Autor vermag einfach alle und alles miteinander zu verbinden, unweigerlich zu seiner größeren Ehre. Die Garbo und Montaigne, Hollywood und Washington, Royals wie die überraschend feinfühlig behandelte Prinzessin Margaret, Schriftstellerfreunde und -feinde wie Tennessee Williams oder Truman Capote und die nähere und fernere Verwandtschaft von Al Gore bis Jacqueline Kennedy-Onassis, sie alle dürfen dem Star der Veranstaltung Stichworte liefern. Für so viel Eitelkeit haben ihn amerikanische Rezensenten getadelt, aber wo, wenn nicht in der Autobiographie, hätte sie denn ihren angestammten Platz?
In seinem achten Lebensjahrzehnt ist auf Vidals Silberzunge noch Verlass. Susan Sontags Tod verleitet ihn dazu, sie "als Gewinnerin so vieler Scharmützel in ihrem langen Kampf gegen das Vergessen" zu rühmen, und etwas zu viel Hochachtung verströmt er auch angesichts der Wahl ihres letzten Ruheortes auf dem Friedhof Montmartre, in der Nähe von Sartre und Beauvoir: "Nicht schlecht für eine Absolventin der High School von Hollywood." Noch flotter kann Bissigkeit in Gehässigkeit übergehen, wenn er sich auf Amerikas Regierung oder eine Institution wie die "New York Times" einschießt. Dann muss sich sein Geburtsland, das er lange von Italien aus schmähte, in die "United States of Amnesia" verwandeln und die "Times" in einen Intrigenpfuhl.
Vidal wäre nicht Vidal ohne seinen unermüdlichen Willen zu Spott und Stichelei. Bis ins hohe Alter hat er sich offenbar die Lust bewahrt, seine Selbstverliebtheit in einen weltläufigen Charme zu kleiden, dem sogar beim neuerlichen Ausarbeiten von Verschwörungstheorien übers Kennedy-Attentat schwer zu widerstehen ist. Gore Vidal gibt sich allenfalls im Lichte seiner Anekdoten zu erkennen, und das sollte und muss uns reichen. Auf die viel zu ausführlichen Passagen, in denen er mit seinen Biographen abrechnet, wäre dagegen leicht zu verzichten. Sie lesen sich ausgesprochen kleinlich im Vergleich zur ungeniert gnadenlosen Kritik, mit der er die Gegenwart in vollem kulturpessimistischem Schwung verwöhnt und verhöhnt, bar jeder Angst vor dem Gegenhohn oder davor, in Altersgriesgrämigkeit zu versinken.
Doch halt, so ganz ohne einen Anflug von Bekenntnis geht die Chose doch nicht. Vidal wollte das Buch eigentlich "Zwischen Nachrufen" nennen. Obwohl er es nicht tat, begleitet der Tod von Freunden seine Erinnerungen als düsterer, fast ironiefreier Ostinato. Bewegend wird der Spötter aber erst, wenn er von Krankheit und Tod seines Lebensgefährten Howard Auster erzählt. Ohne seine Reserve aufzugeben, schildert er indes auch die Geborgenheit und, ja, das Glück, das er 53 Jahre lang bei ihm fand. Es ist die Vidalsche Version einer Liebeserklärung. Den Krankenpfleger, der am Sterbebett weint, kann er nur beneiden: "Über mir hatte sich der Wasp-Gletscher geschlossen." Kühl und gefasst stellt Vidal sich für den Fotografen auf dem Friedhof des Lebenspartners in Positur. Unter das Bild schreibt er jetzt, er werde sich dort ebenfalls beerdigen lassen. Sobald er dafür Zeit in seinem vollen Terminkalender findet.
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