Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2003Für den Tisch Auf den Freilichtbühnen unserer Städte begegnen sich die Menschen im Gespräch, im Blickwechsel, im Tausch und bilden so Gesellschaft. Was wäre Europa ohne seine Plätze? Vermutlich stumm, in sich verkapselt, von sich selbst isoliert. Wie schwer es ist, die über Jahrhunderte gewachsene Atmosphäre eines Platzes neu zu erschaffen, zeigt der Potsdamer Platz in Berlin. Wo einst Verkehr und Handel die Wege kreuzten, der Pulsschlag einer Metropole zu messen war, findet sich nun simulierte Urbanität: ein Zitat des alten Zaubers, der für immer verloren scheint. Der Potsdamer Platz ist denn auch nicht aufgenommen in Erhard Hehls und Rolf H. Johannsens reichem Bildband zu den Plätzen Europas. Die Konkurrenz wäre allzu groß gewesen: Hehls Panoramafotos weiden sich am Anblick der Piazza del Campo von Siena und des Grand-Place von Brüssel, der Plaza Mayor von Madrid und der Place Stanislas von Nancy. Bürgerstolz und imperialen Glanz strahlen Pflaster und Fassaden ab, die ganze Selbstgewißheit eines Kontinents, der sein eigenes Alter wie einen Adelstitel trägt.
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Plätze Europas. Mit Fotos von Erhard Hehl und einem Text von Rolf H. Johannsen, Gerstenberg Verlag, 188 Seiten, 45 Euro.
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