Wussten Sie, dass Ping ein chinesischer Vorname ist?
Nicht nur das erfährt der Leser in Thomas Heimgartners „Zweiseitenspiel“, sondern auch jede Menge über Tischtennis. Doch gleich vorweggenommen, der Roman ist nicht nur etwas für eingefleischte Tischtennisexperten oder die, die es noch werden
wollen und denen das eingeflochtene Glossar zum sportiven Fachvokabular gute Dienste leisten kann.
Das…mehrWussten Sie, dass Ping ein chinesischer Vorname ist?
Nicht nur das erfährt der Leser in Thomas Heimgartners „Zweiseitenspiel“, sondern auch jede Menge über Tischtennis. Doch gleich vorweggenommen, der Roman ist nicht nur etwas für eingefleischte Tischtennisexperten oder die, die es noch werden wollen und denen das eingeflochtene Glossar zum sportiven Fachvokabular gute Dienste leisten kann.
Das Schöne an dem schmalen Bändchen ist, dass man ihn als Hommage an eine Tischtennisjugend lesen kann. Als leichtfüßige, vielleicht ein wenig nostalgische Retrospektive in eine von nichts als vielleicht ein wenig Liebeskummer belastete Sommerferienzeit der späten 80er. Als anregenden Generationenroman im Gespräch zwischen Tochter und Vater, die beide auf der Suche sind nach ihrem Platz im Leben und die beide indirekt um das Verständnis des anderen werben: Der Vater, indem er von seiner Jugend im Sommer 1989 erzählt, seiner Leidenschaft für Tischtennis, seiner Sehnsucht nach Zugehörigkeit und seiner ersten zarten Liebe zu Ping, einem chinesischen Mädchen, das verschwindet, bevor er es überhaupt kennenlernen kann. Die Tochter, die sich vom Vater verlassen fühlt, der Frau, 25jähriges „Kind“ und Heimat hinter sich gelassen hat, um in Bangkok herauszufinden, wer er ist – oder vielleicht findet er es heraus in dem sich dadurch neu eröffnenden Gespräch mit seiner Tochter. Die Tochter fordert Antwortnt, provoziert in pointiertem, (selbst)ironischem Stil und offenbart damit auch sich selbst als Suchende nach einem eigenen Ort, an den sie gehört, nach einem passenden Beruf, einem passenden Partner, denn der ihr bekannte Ort von Zuhause oder Heimat ist ihr mit der Flucht des Vaters ja auch ein Stück weit genommen worden, unabhängig davon, dass ihr Alter diesen Schritt ins Leben von ihr verlangt.
Und so kann man dieses „Zweiseitenspiel“ auch lesen als literarisches Experiment mit der Metapher des Ping-Pong-Spiels, wie der Laie es nennt, die nicht nur für die unberechenbaren Bälle steht, die einem das Leben zuspielt, sondern auch für eine Form des Dialogs und damit die strukturelle Form des Textes: ein Hin und Her, ein Schlagabtausch zwischen Vater und Tochter mit je eigenem Spielstil und wechselnder Intention. Scheint es zu Beginn noch um Sieg und Niederlage, Angriff (der Tochter) und Verteidigung (des Vaters) zu gehen, so wird daraus bald eine Zu(sammen)spiel, das bemüht ist, die Bälle möglichst lange in der Luft zu halten. Kunstvoll und fast unmerklich – den genauen Leser fordernd – webt der Text in die zwei zunächst zusammenhanglos nebeneinander stehenden Nachrichten – die Tochter schreibt über sich in Reaktion auf das Verlassenwerden vom Vater, der Vater hält scheinbar zusammenhanglos seine Jugendgeschichte dagegen – erste zarte Bezüge, Antworten ein, die sich immer mehr zum echten Dialog auswachsen. Die Tochter schreibt im inkohärenten Stakkato-Stil einer digital geprägten Short-Message-Generation (mit herrlich selbst- und medienkritischen Exkursen), der Vater erzählt behäbiger, mit der Muße eines Jungen, der sechs Wochen sorgenfreie Ferien und jede Menge – fast schon zu viel – freie Zeit vor sich hat.
Meine Ausführungen zeigen schon das, was für mich die absolute Freude an dem kleinen Büchlein ausmacht: Man kann sich Tochter und/oder Vater nahe fühlen, sich in ihre Situationen hineinversetzen, ohne das man viel von ihnen erfährt, womit sich gleichzeitig eine Offenheit ergibt, die Anregungen gibt und Platz lässt für ganz viele Gedanken und Bezüge, die sich herstellen lassen. Das zum Teil rasante Ping-Pong des Dialogs – Ping ist wohl auch ein Maß für die Zeitspanne eines digital gesendeten Nachrichtenpakets und der darauf folgenden Antwort („Paketumlaufzeit“) – erzeugt beim Lesen das Gefühl, da noch einmal genauer hinschauen und noch mal nachlesen zu müssen, um einen flüchtigen Gedanken aufnehmen und weiter denken zu können.
Was will man mehr von einem Buch, das einen gut unterhält, mit dessen Figuren man sich gerne austauschen mag, als dass es – man verzeihe mir diese Schülerinterpretationsaufsatzpauschalphrase – zum Nachdenken anregt und fast zwangsläufig zum Reden über sich bringt.