Zucken in seinem Gesicht ist - Augenzwinkern kann man es nicht nennen -, während er mit kühler Stimme seine "bitterbösen Geschichten" entwickelt. Seine Augen können auch deshalb nicht zwinkern, weil sie mit sezierendem Interesse auf seine Helden schauen, so wie Kinder bei etwas Peinlichem zusehen, bevor man sie wegzieht. Den Leser zieht niemand weg, er schaut: auf Sonderlinge, Glückssucher, Getriebene und Gestrandete, die meisten mit Vor- und Nachnamen und manche auch mit Bild.
Da ist Ludwig, der eine seltene Krankheit hat: Wenn er nervös ist, wandern seine Körperteile in ihm herum und kommen an den erdenklichsten Stellen wieder zum Vorschein, der Fuß etwa wächst dann aus dem linken Ohr oder Schlimmeres. "Ludwig war meistens nervös", setzt der Erzähler lapidar hinzu. Der berühmte Professor, dem Ludwigs letzte verzweifelte Hoffnung auf Heilung gilt, will ihn nur als Lachnummer missbrauchen. Dann aber erscheint Rosa: "Leuchtende Schneeflocke. Klingender Abendstern. Rosa." Diese Geschichte geht also einmal gut aus.
Die anderen eher nicht. Doch die Temperatur der Erzählungen bleibt konstant, ob ihr Inhalt makaber, zärtlich oder gewalttätig ist. Es ist, als ließe Slupetzky in jede ein paar Eiswürfel aus gleichgültiger Nonsense-Logik und Lakonie gleiten: Da nimmt sich im zweiten Satz der Titelgeschichte Pechleins Mutter das Leben "und verursachte erhebliche Verspätungen auf der Bahnstrecke Salzburg-Wien".
Gefühlskalt sind Slupetzkys Eskapaden deshalb nicht, eher freundlich-frech und voll amüsierter Neugier auf die Verrutschungen, denen man im Leben so ausgesetzt ist. Was er über den versierten Raubmörder schreibt, der Pechlein gerade noch verschont, kann man genauso über den Autor sagen: "Er verrichtete seine Arbeit rasch, leise und ohne jede schnörkelhafte Brutalität."
MONIKA OSBERGHAUS.
Stefan Slupetzky: "Pechleins Glück. Bitterböse Geschichten". Middelhauve Verlag, München 1999. 58 S., geb., 19,80 DM. Ab 12 J.
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