Wirtschaftsdenker inspiriert, aber auch viele Denker durch das Wirken der Akteure. Folglich findet man in diesem Ökonomen-Lexikon berühmte Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer und Wirtschaftspolitiker - mehr oder minder - einträchtig nebeneinander. Dies trägt nicht zuletzt dazu bei, daß dieses Buch abwechslungsreicher und damit auch unterhaltsamer zu lesen ist als viele andere Fachlexika dieser Art.
Bei solch einem ambitionierten Anliegen macht selbst die recht hohe Zahl von 600 Einträgen die Zusammenstellung zu einer komplizierten und schier unlösbaren Aufgabe. Jedenfalls scheint es nie ausgeschlossen, daß ein wirklich entscheidender "Ökonom" unterschlagen wird. Solche Unterlassungen, die schlichtweg unvermeidbar sind, findet man auch in Hesses Lexikon. So fehlt beispielsweise ein Eintrag zu Milton Friedman, dem geistigen Oberhaupt der Monetaristen, dessen wirtschaftspolitische Rezepte in den achtziger Jahren das Gespenst der Inflation auf der ganzen Welt bannten.
Aber dies trübt den Gesamteindruck nicht. Der Verfasser hat seine Sache gut gemacht. Nicht nur, daß letztlich doch im wesentlichen die wichtigsten Impulsgeber der Wirtschaft von Adam Smith bis hin zu Ludwig Erhard vertreten sind, sondern Hesse hat auch noch Raum für einige durchaus unerwartete Auftritte gefunden. Dazu gehört nicht nur Dagobert Duck.
Hesse widmet sich zum Beispiel den Klassikern der antiken und mittelalterlichen Philosophie und Theologie - von Aristoteles bis John Duns Scotus. Wenngleich sie alle noch keine Ökonomie im heutigen Sinne betrieben, übten ihre moralphilosophischen Anschauungen doch großen Einfluß auf die künftige Wirtschaftstheorie aus.
Auch lernen wir, daß John Boyd Dunlop, der Erfinder des luftgefüllten Gummireifens, der uns das Reisen so unendlich bequemer machte, eigentlich Tierarzt war. Oder wir erfahren viel über das abenteuerliche Leben des Journalisten und Politikers Pierre Samuel Du Pont de Nemours während der Wirren der Französischen Revolution, die ihn schließlich zur Emigration nach Amerika veranlaßten, wo er einen der größten Chemiekonzerne der Welt gründete. Auch Hermann Görings Rolle als einer der Staatswirtschaftsorganisatoren des Bösen wird beleuchtet.
Dies alles beschreibt Hesse kurz, gründlich und verständlich. Die überaus konzisen Einträge zu jedem einzelnen "Ökonomen" sind sachlich und korrekt abgefaßt. Die wichtigsten von ihnen enthalten noch kleine Literaturempfehlungen. Abgerundet wird das Buch noch durch eine Zeittafel zur Wirtschaftsgeschichte, ein kleines Verzeichnis mit Beschreibungen der wichtigsten Schulen ökonomischen Denkens und eine kommentierte Liste aller Wirtschaftsnobelpreisträger. Bei letzterer werden noch einige Lücken des Lexikonteils (zum Beispiel die Personalie Milton Friedman) wenigstens teilweise geschlossen. Hilfreich angesichts der Komplexität der Materie ist auch das ausführliche Personen- und Firmenregister, das Kreuzverweise zu finden erleichtert.
Alles in allem ist dies ein erfreuliches Buch. Zwar liefert es nicht (und beansprucht dies auch nicht) den allumfassenden und tiefen Gesamtblick über das Wissensgebiet Ökonomie im Sinne eines großen "Palgrave", aber es sollte durchaus zum Grundstock jeder Wirtschaftsbibliothek des interessierten Laien oder angehenden Fachmanns gehören. Freilich kann es auch dem Fortgeschrittenen noch Freude bereiten. Und das ist schließlich kein geringes Lob.
DETMAR DOERING
(Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam)
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