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Candace Chen arbeitet für einen Verlagsdienstleister am Times Square, zuständig für die Herstellung von Themenbibeln in Asien. So hingebungsvoll folgt sie ihren täglichen Routinen, dass sie erst gar nicht bemerkt, wie tödliche Pilzsporen über New York hereinbrechen, importiert mit billigen Konsumgütern.Während das Fieber rasant um sich greift, bleibt Candace stoisch auf ihrem Posten. Anfragen wollen geschrieben, Deadlines eingehalten, Arbeitszeiten erfasst werden. Geködert von einem Bonus ihres Arbeitgebers, ist sie bald die letzte in ihrem Büro - und schließlich in ganz New York.Di...
Candace Chen arbeitet für einen Verlagsdienstleister am Times Square, zuständig für die Herstellung von Themenbibeln in Asien. So hingebungsvoll folgt sie ihren täglichen Routinen, dass sie erst gar nicht bemerkt, wie tödliche Pilzsporen über New York hereinbrechen, importiert mit billigen Konsumgütern.
Während das Fieber rasant um sich greift, bleibt Candace stoisch auf ihrem Posten. Anfragen wollen geschrieben, Deadlines eingehalten, Arbeitszeiten erfasst werden. Geködert von einem Bonus ihres Arbeitgebers, ist sie bald die letzte in ihrem Büro - und schließlich in ganz New York.
Die beißende Satire auf den modernen Kapitalismus entwirft ein unheimlich vertrautes Schreckensszenario und fragt erbarmungslos, was uns wirklich wichtig ist.
Während das Fieber rasant um sich greift, bleibt Candace stoisch auf ihrem Posten. Anfragen wollen geschrieben, Deadlines eingehalten, Arbeitszeiten erfasst werden. Geködert von einem Bonus ihres Arbeitgebers, ist sie bald die letzte in ihrem Büro - und schließlich in ganz New York.
Die beißende Satire auf den modernen Kapitalismus entwirft ein unheimlich vertrautes Schreckensszenario und fragt erbarmungslos, was uns wirklich wichtig ist.
Ling Ma, geboren 1983 in Sanming, China, wuchs in den USA auf und studierte an der University of Chicago und der Cornell University. Ihr Debütroman New York Ghost wurde u. a. mit dem Preis der Hotlist der unabhängigen Verlage 2021, dem Kirkus Prize und dem Young Lions Fiction Award ausgezeichnet. Ling Ma unterrichtet Kreatives Schreiben an der University of Chicago.
Produktdetails
- Unionsverlag Taschenbuch
- Verlag: Unionsverlag
- Originaltitel: Severance
- Taschenbuchausgabe
- Seitenzahl: 357
- Erscheinungstermin: 11. Juli 2022
- Deutsch
- Abmessung: 187mm x 113mm x 33mm
- Gewicht: 370g
- ISBN-13: 9783293209381
- ISBN-10: 3293209386
- Artikelnr.: 63723331
Herstellerkennzeichnung
Nördlinger Verlagsauslfg
Augsburger Str. 67a
86720 Nördlingen
Kundenservice@beck.de
»Ling Ma ist mit diesem Buch ein popliterarisch rasanter wie hintersinnig allegorischer Pandemieroman auf Weltniveau gelungen, den ein tiefes Verständnis für migrantische Lebensläufe sowie viel köstliche Selbstironie auszeichnen und der von Zoë Beck mitreißend übersetzt wurde.« Jury der Hotlist
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Rezensent Oliver Jungen ist Ling Ma die Stimme der Generation Y, wenngleich eine recht bissige. Die satirische Kapitalismuskritik in Mas Debütroman von 2018 über ein Endzeit-New-York und eine Pandemie, die zu dementer Arbeitswut führt, scheint Jungen prophetisch, erfrischend witzig und gefasst in einen eleganten "hyperrealistischen" Stil. Die Apokalypse - eine Welt von routinierten Workaholics, das findet Jungen äußerst originell. Wie die aus China stämmige Protagonistin im Buch dagegen aufbegehrt, vermittelt der Text dem Rezensenten aus einer für ihn reizvollen postmigrantischen Perspektive. Der Amerikanische Traum steht Kopf, freut sich Jungen. Kleinere Redundanzen im Text und einige Anschlussprobleme zwischen Beschreibungen urbaner Alltäglichkeit und brutaler Endzeit findet er verzeihlich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Nullte Welle
Das älteste Virus: Die amerikanisch-chinesische Autorin Ling Ma hat mit "New York Ghost" lange vor Corona einen surreal-satirischen Pandemieroman geschrieben.
Einmal, vor Jahren schon, hat sich bei der sonst stets systemkompatiblen Candace Chen der Zweifel gemeldet: an der Erfüllung durch ihren wenig kreativen Job (Organisation der Herstellung und der Ausstattung von Themenbibeln, die allesamt in Asien gedruckt werden), auch wenn es ein New-York-Job war, am Times Square sogar. Sie hatte die Kündigung bereits formuliert, trödelte durch eine Filiale von Henri Bendel, befühlte die hauchdünnen Dessous und edlen Spitzen-Bodys: "Ich dachte über den Herstellungsprozess nach. Frivolitäten von solcher
Das älteste Virus: Die amerikanisch-chinesische Autorin Ling Ma hat mit "New York Ghost" lange vor Corona einen surreal-satirischen Pandemieroman geschrieben.
Einmal, vor Jahren schon, hat sich bei der sonst stets systemkompatiblen Candace Chen der Zweifel gemeldet: an der Erfüllung durch ihren wenig kreativen Job (Organisation der Herstellung und der Ausstattung von Themenbibeln, die allesamt in Asien gedruckt werden), auch wenn es ein New-York-Job war, am Times Square sogar. Sie hatte die Kündigung bereits formuliert, trödelte durch eine Filiale von Henri Bendel, befühlte die hauchdünnen Dessous und edlen Spitzen-Bodys: "Ich dachte über den Herstellungsprozess nach. Frivolitäten von solcher
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Schönheit konnten nur von hochspezialisierten Kunsthandwerkerinnen in italienischen Gebirgsausläufern gefertigt werden, die sich von Weichkäse und Blütenhonig ernährten. Vielleicht von Nonnen." Da ahnte sie schon, was sie auf dem Aufnäher finden würde: "'Made in China'. Natürlich. Egal, wohin man auch ging, man konnte sich den Realitäten dieser Welt nicht entziehen. Am Montag war ich wieder bei Spectra."
In dieser kurzen Passage, die lange vor der Kernhandlung von Ling Mas anregendem Debütroman "New York Ghost" spielt, ist vieles von dem, was das Buch auszeichnet, bereits vorhanden: eine ins Satirische übersteigerte, aber dennoch ernst gemeinte Kapitalismuskritik, die köstliche Bösartigkeit, mit der gelangweilte konsumistische Millennials porträtiert werden (deren seltenes Aufbegehren kaum über die Unterwäsche hinauskommt), vor allem aber die Eleganz und der Witz von Ling Mas detailversessenem, fast hyperrealistischem Stil, der in der bestechenden Übersetzung von Zoë Beck nichts von seiner unangestrengten Gegenwärtigkeit verloren hat. Selbst die seit Colson Whitehead informell existierende Anforderung an überragende New-York-Romane, dass sie mindestens eine Zombie-Apokalypse enthalten sollten, löst Ling Ma auf höchst unterhaltsame Weise ein, auch wenn ihre entvölkerte, von letzten Halbtoten durchstreifte, aber eisern markenfetischistische Stadt der Städte deutlich trauriger wirkt als der Moloch, der New York in "Zone One" immer noch war.
In leicht gruseliger Vorahnung erzählt die im Original bereits 2018 erschienene Dystopie "New York Ghost" von einer weltweiten, von China ausgehenden Pandemie, die zunächst zu Reaktionen führt, die wir zu Genüge kennen: Ableugnung, Verschwörungstheorien. KN95-Maskenvorschriften, Notbetrieb vieler Einrichtungen. Doch sie verläuft weit letaler. Mit Ausnahme weniger offenbar immuner Personen, zu denen die Protagonistin gehört - sie betreibt in ihrer Freizeit den Blog "New York Ghost", für den sie die verfallende Geisterstadt fotografisch dokumentiert -, rafft die Seuche weltweit die Menschen dahin. Und doch hat das "Shen-Fieber" mit Corona wenig gemein, handelt es sich hierbei doch vor allem um eine allegorische Angelegenheit: die ultimative Steigerung des ältesten Virus, jene alles in die Knechtschaft zwingende Gier, die längst global und neoliberal geworden ist. Die Fiebernden entwickeln eine eigentümliche Demenz, die sie auf eine einzige (Arbeits-)Routine zurückwirft. Diese wird so zwanghaft ausgeführt, dass die Infizierten darüber verhungern. Eine Welt voller welkender, in Wiederholungsschleifen gefangener Büro-, Einzelhandels- und Haushalts-Zombies: Damit hat Ling Ma ein Bild von ikonischer Kraft erschaffen.
Für Candace, jung, urban und ziellos, zudem schwanger von ihrem entschwundenen Freund, verläuft die Entwicklung freilich entgegengesetzt. Die alten Routinen hält sie länger durch als die meisten anderen Großstadtbewohner. Für eine fürstliche Entlohnung, obwohl Geld keine Rolle mehr spielt, hält sie in der sterbenden Stadt für ihren Arbeitgeber die Stellung, sitzt am Telefon, schreibt sinnlose E-Mails, ist ein letzter Außenposten des effizienzmaximierten Welthandels, und sie tut all das, weil sie nicht weiß, was man sonst überhaupt tun könnte. Das Erwachen folgt spät, mit dem Auslaufen ihres Arbeitsvertrags. Dann aber schließt sie sich einer Gruppe Überlebender an, die Richtung Chicago zieht und auf dem Weg Häuser "pirscht", also nach Lebensmitteln durchsucht und die angetroffenen Fiebernden kaltblütig erschießt (sie nennen es "Erlösung").
Angekommen im gelobten Land, erweist es sich als verlassene Mall, und der mal charismatische, mal klägliche Anführer der Gruppe entwickelt sich zu einem mit religiöser Autorität sprechenden Autokraten, der nicht nur Candace wegen eines vermeintlichen Vergehens bestraft. Da schlägt schon das Herz der nächsten Finsternis. Wie sich die Heldin schließlich aus dieser Situation befreit, ist konsequent, aber auch ernüchternd.
Erzählt wird auf zwei Zeitebenen. Ein langer Rückblick auf Candace' Jahre in New York - von WG-Erlebnissen über ihr Liebesleben bis zum stumpfen Arbeitsrhythmus bei Spectra - alterniert mit Berichten über den aufregenden Alltag in der surrealen Endzeit. Besonders spannend ist der schonungslose Blick aus postmigrantischer Perspektive (wie die Heldin wurde auch die Autorin in China geboren) auf das gar nicht schlechte, aber entkernte Leben im Zentrum des amerikanischen Traums, im windstillen Auge eines längst tobenden Sturms: Geld, Sex, Macht, all die mythischen Insignien der westlichen Überlegenheit, sind noch da, aber sie haben ihre Signifikanz verloren, sind zu leeren Routinen geworden, kaum anders als jene, die die Fiebernden roboterhaft abspulen. Am stärksten wirkt das Buch, wenn es in Form eines intellektuellen Pop-Romans eine Neo-Bohème aus Foucault-Lesern, Traumfängerworkshops und Woody-Allen-Nostalgie evoziert, die aber ihrerseits auf Sand gebaut ist. Erbarmungslos werden auch solche Reservate eines zumindest vagen Individualismus weggentrifiziert. Auflehnung gibt es nicht, siehe oben: die Realitäten dieser Welt.
Nicht alles ist gelungen an dem mit vielen Preisen bedachten Roman. So geht die Kapitalismuskritik, die unendlich oft durchgespielt wird - eine Straffung hätte gutgetan - und mitunter (so bei der asiatischen Fälschungskultur) ins Reportagehafte neigt, kaum über eine mit Lakonie gewürzte Entfremdungsklage hinaus. Zudem führt der dauernde krasse Wechsel der erzählerischen Fallhöhen zu Balanceproblemen. Es wirkt nur partiell gewollt komisch, wenn akribisch notierte Banalitäten des heutigen Großstadtlebens oder eine detaillierte Beschreibung der Sparpolitik, mit der ein Medienkonzern ein aufgekauftes Indie-Magazin qualitativ in den Ruin treibt, mit grausigen Berichten aus der apokalyptischen Nachzeit kollidieren. Und doch findet man derzeit kaum einen anderen Roman, der so mitreißend und gewitzt, so atmosphärisch dicht und von innen heraus den zwischen Überdruss und Untergangsängsten, zwischen blindem Systemvertrauen und depressiver Ziellosigkeit schwankenden emotionalen Seelenzustand der Generation Y, die sich wie die geisterhafte Nachhut einer an sich selbst erstickten Ideologie vorkommen muss, auf den Punkt bringt. OLIVER JUNGEN.
Ling Ma: "New York Ghost". Roman.
Aus dem Englischen von Zoë Beck. CulturBooks Verlag, Hamburg 2021. 360 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In dieser kurzen Passage, die lange vor der Kernhandlung von Ling Mas anregendem Debütroman "New York Ghost" spielt, ist vieles von dem, was das Buch auszeichnet, bereits vorhanden: eine ins Satirische übersteigerte, aber dennoch ernst gemeinte Kapitalismuskritik, die köstliche Bösartigkeit, mit der gelangweilte konsumistische Millennials porträtiert werden (deren seltenes Aufbegehren kaum über die Unterwäsche hinauskommt), vor allem aber die Eleganz und der Witz von Ling Mas detailversessenem, fast hyperrealistischem Stil, der in der bestechenden Übersetzung von Zoë Beck nichts von seiner unangestrengten Gegenwärtigkeit verloren hat. Selbst die seit Colson Whitehead informell existierende Anforderung an überragende New-York-Romane, dass sie mindestens eine Zombie-Apokalypse enthalten sollten, löst Ling Ma auf höchst unterhaltsame Weise ein, auch wenn ihre entvölkerte, von letzten Halbtoten durchstreifte, aber eisern markenfetischistische Stadt der Städte deutlich trauriger wirkt als der Moloch, der New York in "Zone One" immer noch war.
In leicht gruseliger Vorahnung erzählt die im Original bereits 2018 erschienene Dystopie "New York Ghost" von einer weltweiten, von China ausgehenden Pandemie, die zunächst zu Reaktionen führt, die wir zu Genüge kennen: Ableugnung, Verschwörungstheorien. KN95-Maskenvorschriften, Notbetrieb vieler Einrichtungen. Doch sie verläuft weit letaler. Mit Ausnahme weniger offenbar immuner Personen, zu denen die Protagonistin gehört - sie betreibt in ihrer Freizeit den Blog "New York Ghost", für den sie die verfallende Geisterstadt fotografisch dokumentiert -, rafft die Seuche weltweit die Menschen dahin. Und doch hat das "Shen-Fieber" mit Corona wenig gemein, handelt es sich hierbei doch vor allem um eine allegorische Angelegenheit: die ultimative Steigerung des ältesten Virus, jene alles in die Knechtschaft zwingende Gier, die längst global und neoliberal geworden ist. Die Fiebernden entwickeln eine eigentümliche Demenz, die sie auf eine einzige (Arbeits-)Routine zurückwirft. Diese wird so zwanghaft ausgeführt, dass die Infizierten darüber verhungern. Eine Welt voller welkender, in Wiederholungsschleifen gefangener Büro-, Einzelhandels- und Haushalts-Zombies: Damit hat Ling Ma ein Bild von ikonischer Kraft erschaffen.
Für Candace, jung, urban und ziellos, zudem schwanger von ihrem entschwundenen Freund, verläuft die Entwicklung freilich entgegengesetzt. Die alten Routinen hält sie länger durch als die meisten anderen Großstadtbewohner. Für eine fürstliche Entlohnung, obwohl Geld keine Rolle mehr spielt, hält sie in der sterbenden Stadt für ihren Arbeitgeber die Stellung, sitzt am Telefon, schreibt sinnlose E-Mails, ist ein letzter Außenposten des effizienzmaximierten Welthandels, und sie tut all das, weil sie nicht weiß, was man sonst überhaupt tun könnte. Das Erwachen folgt spät, mit dem Auslaufen ihres Arbeitsvertrags. Dann aber schließt sie sich einer Gruppe Überlebender an, die Richtung Chicago zieht und auf dem Weg Häuser "pirscht", also nach Lebensmitteln durchsucht und die angetroffenen Fiebernden kaltblütig erschießt (sie nennen es "Erlösung").
Angekommen im gelobten Land, erweist es sich als verlassene Mall, und der mal charismatische, mal klägliche Anführer der Gruppe entwickelt sich zu einem mit religiöser Autorität sprechenden Autokraten, der nicht nur Candace wegen eines vermeintlichen Vergehens bestraft. Da schlägt schon das Herz der nächsten Finsternis. Wie sich die Heldin schließlich aus dieser Situation befreit, ist konsequent, aber auch ernüchternd.
Erzählt wird auf zwei Zeitebenen. Ein langer Rückblick auf Candace' Jahre in New York - von WG-Erlebnissen über ihr Liebesleben bis zum stumpfen Arbeitsrhythmus bei Spectra - alterniert mit Berichten über den aufregenden Alltag in der surrealen Endzeit. Besonders spannend ist der schonungslose Blick aus postmigrantischer Perspektive (wie die Heldin wurde auch die Autorin in China geboren) auf das gar nicht schlechte, aber entkernte Leben im Zentrum des amerikanischen Traums, im windstillen Auge eines längst tobenden Sturms: Geld, Sex, Macht, all die mythischen Insignien der westlichen Überlegenheit, sind noch da, aber sie haben ihre Signifikanz verloren, sind zu leeren Routinen geworden, kaum anders als jene, die die Fiebernden roboterhaft abspulen. Am stärksten wirkt das Buch, wenn es in Form eines intellektuellen Pop-Romans eine Neo-Bohème aus Foucault-Lesern, Traumfängerworkshops und Woody-Allen-Nostalgie evoziert, die aber ihrerseits auf Sand gebaut ist. Erbarmungslos werden auch solche Reservate eines zumindest vagen Individualismus weggentrifiziert. Auflehnung gibt es nicht, siehe oben: die Realitäten dieser Welt.
Nicht alles ist gelungen an dem mit vielen Preisen bedachten Roman. So geht die Kapitalismuskritik, die unendlich oft durchgespielt wird - eine Straffung hätte gutgetan - und mitunter (so bei der asiatischen Fälschungskultur) ins Reportagehafte neigt, kaum über eine mit Lakonie gewürzte Entfremdungsklage hinaus. Zudem führt der dauernde krasse Wechsel der erzählerischen Fallhöhen zu Balanceproblemen. Es wirkt nur partiell gewollt komisch, wenn akribisch notierte Banalitäten des heutigen Großstadtlebens oder eine detaillierte Beschreibung der Sparpolitik, mit der ein Medienkonzern ein aufgekauftes Indie-Magazin qualitativ in den Ruin treibt, mit grausigen Berichten aus der apokalyptischen Nachzeit kollidieren. Und doch findet man derzeit kaum einen anderen Roman, der so mitreißend und gewitzt, so atmosphärisch dicht und von innen heraus den zwischen Überdruss und Untergangsängsten, zwischen blindem Systemvertrauen und depressiver Ziellosigkeit schwankenden emotionalen Seelenzustand der Generation Y, die sich wie die geisterhafte Nachhut einer an sich selbst erstickten Ideologie vorkommen muss, auf den Punkt bringt. OLIVER JUNGEN.
Ling Ma: "New York Ghost". Roman.
Aus dem Englischen von Zoë Beck. CulturBooks Verlag, Hamburg 2021. 360 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Gebundenes Buch
Zweigeteilt
Zum Inhalt:
Candace, Tochter eines chinesischen Einwandererpaares, bekommt eine Stelle, bei der sie viel mit Produzenten in aller Welt - besonders in China - verhandeln muss. Als von dort nicht nur Bibeln, sondern auch ein neuartiges Virus exportiert wird, erkranken die Menschen an …
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Zweigeteilt
Zum Inhalt:
Candace, Tochter eines chinesischen Einwandererpaares, bekommt eine Stelle, bei der sie viel mit Produzenten in aller Welt - besonders in China - verhandeln muss. Als von dort nicht nur Bibeln, sondern auch ein neuartiges Virus exportiert wird, erkranken die Menschen an einem Fieber, welches sie zu dementen Wesen mutieren lässt, die Verhalten immer wieder wiederholen. Glücklicherweise wird sie von einer Gruppe Überlebender in New York gefunden und reist mit ihnen weiter. Aber auch diese Gemeinschaft erweist sich als fragil.
Mein Eindruck:
Ohne Corona - ja, der Roman wurde davor geschrieben und wird jetzt schon als fast prophetisch gehypt - wäre das Buch eine von vielen Dystopien geblieben, - noch dazu eine mit einer unsympathischen Protagonistin. Denn Candace tut vor allen Dingen eins: Sie kreist um sich. Zuerst lebt sie ziellos vor sich hin (der Eltern Geld sei Dank), dann verschweigt sie ihrer Beziehung, dass sie ein Kind erwartet und bemerkt schließlich fast nur nebenbei, dass ihre Umgebung vor die Hunde geht. Und auch als Dystopie kann man viele - sagen wir einmal "Anleihen" - bei ähnlichen Werken finden: Die Gottesfurcht bei "Das letzte Gefecht", die Herkunft des Virus bei "Contagion", die absolut tödlichen Folgen bei "28 Days Later", der Schutz der Schwangeren bei "Children of Men".
Keine Frage hat der Roman Stärken, die vor allen Dingen in den Teilen in China bzw. in den Erinnerungen an die verstorbenen Eltern liegen. Es ist spannend zu lesen, wie zerrissen vor allen Dingen die Mutter in ihrer Gefühlswelt war. Einerseits die kapitalistischen Verlockungen mit Kosmetika und schnellen Autos, andererseits der Wunsch, wieder eine wichtige, angesehene Person zu sein, - was sie in China war. Doch das Leben von Candace in New York streift nur manchmal diese Zerrissenheit, - fast hat man das Gefühl, die Autorin versucht sie vorzuspielen. Einerseits wird das fotografische Talent Candaces betont, andererseits sollte doch gerade eine Person mit einem suchenden (und sehenden) Auge schneller merken, dass die Auslagen der Geschäfte mit verschimmelten Lebensmitteln gefüllt sind, weil die Leute dem Fieber zum Opfer gefallen sind. Ein Kuriosum am Rande: Trotz fehlender Körperteile (z.B.: Unterkiefer) und ohne Nahrungsaufnahme leben die Virus-Opfer weiter und können sogar Auto fahren.
So bleibt der Eindruck eines Buches, das zwar durch die eine Hälfte (Virus und Folgen) Aufmerksamkeit erregt, seine Stärken jedoch in der anderen Hälfte, dem Teil der Vergangenheit hat.
Mein Fazit:
Die Vergangenheit von Candace und ihren Eltern ist lesenswert und preiswürdig, die Gegenwart auf Effekt gebürstet
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Gebundenes Buch
Ein Buch, das bereits 2018 in den USA erschien, aber aktueller scheint denn je.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart befinden wir uns mitten in der Apokalypse. Während ein Fieber, das durch Pilzsporen übertragen wird, die Menschheit lahmlegt und auslöscht, ist dieses Buch trotzdem …
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Ein Buch, das bereits 2018 in den USA erschien, aber aktueller scheint denn je.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart befinden wir uns mitten in der Apokalypse. Während ein Fieber, das durch Pilzsporen übertragen wird, die Menschheit lahmlegt und auslöscht, ist dieses Buch trotzdem ein sehr ruhiges.
Der Roman gewährt Einblicke in die Einwanderungsgeschichte und das Schicksal der Familie Chen, aber auch Einblicke in die amerikanische Büro- und Arbeitswelt. Erzählt wird vom Finden und Halten der Liebe und der entstehenden Gruppendynamik, überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen und sich organisieren müssen.
Beim Lesen war es mir an einigen Stellen zu ruhig – allerdings verliert sich dieses Gefühl vollständig, wenn man mit ein wenig Abstand nach dem Lesen noch einmal über den Roman nachdenkt.
New York Ghost ist das großartige vielschichtige Debüt von Ling Ma.
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Gebundenes Buch
New York Ghost – Ling Ma
Das hier ist eine Dystopie, die gerade in Corona-Zeiten sehr bedrückend wirkt. Nein, es geht hier nicht um einen Virus, sondern um einen tödlichen Pilz, der das Shen-Fieber hervorruft und nahezu die gesamte Bevölkerung ausgelöscht hat. Hat man sich …
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New York Ghost – Ling Ma
Das hier ist eine Dystopie, die gerade in Corona-Zeiten sehr bedrückend wirkt. Nein, es geht hier nicht um einen Virus, sondern um einen tödlichen Pilz, der das Shen-Fieber hervorruft und nahezu die gesamte Bevölkerung ausgelöscht hat. Hat man sich erstmal infiziert, gibt es keine Hoffnung mehr. Jeder Leser muss selbst wissen, ob er in der aktuellen Situation Lust auf eine derartige Story hat.
Candace Chen lebt und arbeitet in der Metropole New York. Obwohl das Shen-Fieber um sich greift und viele Überlebende aufs Land fliehen, bemerkt sie kaum, wie sich die Stadt rapide leert. Aus einer chinesischen Einwandererfamilie stammend, besitzt sie keine Wurzeln in der neuen Heimat. Als eine der allerletzten verlässt sie schließlich doch New York und schließt sich einer Gruppe von Überlebenden an.
Dieser Roman ist in drei Erzählsträngen angelegt. Die Gegenwart behandelt die Flucht aus New York und die Reise mit der Überlebendengruppe, deren Konflikte, etc. Es ist knallhart erzählt mit einigen recht brutalen Szenen. Dann gibt es noch einen Strang, der nur wenige Wochen, bzw. Monate früher angesiedelt sein dürfte. Hier wird das (Arbeits-)Leben von Candace skizziert. Man erfährt, wie das Fieber um sich greift, die Stadt immer leerer wird. Ein dritter Handlungsstrang geht zurück bis in die Kindheit von Candace in China und die Umsiedlung mit den Eltern. Diesen dritten Teil, der auch immer wieder eingeflochten wird, hätte ich persönlich jetzt nicht gebraucht. Es hat sich mir nicht erschlossen, warum die Infos über ihre Herkunftsfamilie für das weitere Geschehen relevant sein sollten.
Besonders interessant fand ich, dass diese Pilzsporen über billige chinesische Konsumgüter in die ganze Welt verteilt wurden. Zum Einen natürlich doch wieder der chinesische Ursprung des Corona-Virus, vor allen Dingen aber ist es eine beißende Kritik am Kapitalismus der immer wieder ganz deutlich zur Sprache kommt. Obwohl Candace sich des Problems durchaus bewusst ist, hält sie, scheinbar mangels Alternativen, bis zum Schluss verbissen an ihrem Job fest. Angesichts der leeren Stadt eine groteske Vorstellung.
Idee und Hintergrund fand ich also extrem interessant und lesenswert. Bereits des Öfteren ist es mir allerdings passiert, dass ich beim Lesen asiatischer Autoren eine gewisse Distanz nicht überbrücken konnte. Candace blieb mir fremd, ihre Gefühle spielen nur eine untergeordnete Rolle, ihre Handlungen sind von daher nicht immer nachvollziehbar. Die Handlung ist spannend, teils brutal, oft recht offenherzig erzählt (gerade was sexuelle Kontakte in der Großstadt betrifft), trotzdem ist da eine Sachlichkeit, die mich zum Außenstehenden machte, mich nicht so ganz in die Geschichte hineinließ.
Wer Endzeitstorys und Geschichten über Pandemien mag, ist hiermit sicherlich gut bedient. Ling Ma hat eine kluge und anspruchsvolle Dystopie geschrieben, der ich noch viele Leser wünsche. 4 Sterne.
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