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Tanga, Push-up, Strapse: Heide Meyer weiß ganz genau, wie ihre Kundinnen eine gute Figur machen. Seit über fünfzig Jahren arbeitet sie als Dessous- Verkäuferin, und dabei hat sie einiges erlebt: Frauen, die jeden Preis zahlen, um den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen, und Männer, die Reizwäsche für ihre Nichten erstehen. Kaum jemand kommt seinen Kunden so nah wie eine Dessous- Verkäuferin. Authentisch, unterhaltsam und mit großer Leidenschaft für ihren Beruf erzählt Heide Meyer von ihren täglichen Erlebnissen und lädt ein zu einem höchst aufschlussreichen Blick in die Umkleidekabine.

Produktbeschreibung
Tanga, Push-up, Strapse: Heide Meyer weiß ganz genau, wie ihre Kundinnen eine gute Figur machen. Seit über fünfzig Jahren arbeitet sie als Dessous- Verkäuferin, und dabei hat sie einiges erlebt: Frauen, die jeden Preis zahlen, um den Gesetzen der Schwerkraft zu trotzen, und Männer, die Reizwäsche für ihre Nichten erstehen. Kaum jemand kommt seinen Kunden so nah wie eine Dessous- Verkäuferin. Authentisch, unterhaltsam und mit großer Leidenschaft für ihren Beruf erzählt Heide Meyer von ihren täglichen Erlebnissen und lädt ein zu einem höchst aufschlussreichen Blick in die Umkleidekabine.
Autorenporträt
Meyer, Heide
Heide Meyer, geboren 1943, begann im Alter von 15 Jahren eine Lehre als Einzelhandeslkauffrau im Bereich Miederwaren bei der Firma Horten. Über 50 Jahre hat sie in der Dessous-Branche gearbeitet und alle Entwicklungen hautnah miterlebt. Sie arbeitete unter anderem im KaDeWe und eröffnete schließlich ihr eigenes Geschäft Lady M. 2010 hat sie eine Firma gegründet, die Verkäuferinnen in der Dessousbranche schult. Heide Meyer lebt in Berlin.

Kettelhake, Silke
Silke Kettelhake studierte Publizistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften. Sie ist freie Redakteurin und schreibt v.a. gesellschaftlichspolitische Reportagen für zahlreiche Zeitungen und Magazine. Für die Bundeszentrale für politische Bildung betreut sie seit 2003 die Bereiche »Film« und »Aktuell« bei fluter.de.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.12.2012

Geschäft oder Geschenk

Heide Meyer, 69, verkaufte Dessous, weil sie das Schenken liebt. Heute aber, sagt sie, kann die Leute nichts mehr überraschen. Nicht mal zur Weihnachtszeit.

Von Jennifer Wiebking

Heide Meyer ignoriert die Frau, die nicht weit von ihrer Wohnung so unübersehbar posiert. Von oben fällt der Schein von Lichterketten auf das Bild des französischen Models herab, rechts und links stehen die geschmückten Häuserwände bereit. Ein paar große Kugeln hier, ein paar wetterfeste Schleifen dort - und dazwischen Laetitia Casta, die bis auf die Unterwäsche ausgezogen ist. Ihre Dessous sind mal mit Pailletten besetzt, mal in Pink gehalten, was natürlich allein der Farbe wegen im Vorbeigehen auffällt. Kaum ein Passant schaut da nicht genauer hin. Nur Meyer ignoriert die Frau, obwohl sie selbst vom Fach ist.

Mehr als 50 Jahre hat Heide Meyer, 69, als Dessous-Verkäuferin gearbeitet. Sie ist keine vergrämte Dame, die nur zurück in die Vergangenheit schaut, sondern eine richtige Frohnatur, stets mit einer guten Geschichte auf den Lippen. Sie weiß einfach, dass die Wäsche, die das Model da trägt, von keiner guten Qualität ist, und überhaupt, sie findet ja noch nicht einmal Zeit, um ihre eigene Wohnung in aller Ruhe adventlich zu dekorieren. Meyer hat Stress, was wiederum zu ihrem Leben dazugehört, hat sie darin doch schon den Vorweihnachtshimmel einer Geschäftsfrau kennengelernt - und die entsprechende Hölle, wie man auch ihren gerade erschienenen Memoiren entnehmen kann. Nur, bei Heide Meyer gehört die Geste des Schenkens zur Geschäftstüchtigkeit.

Schon als Kind sei es damit losgegangen, sagt sie und rückt zum Erzählen die Tischdecke in ihrem Wohnzimmer zurecht. Meyer, 1943 geboren, wächst nach dem Krieg mit der Knappheit der Lebensmittel auf. Aus der Metzgerin, bei der die Familie einkauft, wird für Meyer ein Vorbild. Jedes Mal schenkt die Dame hinter der Theke dem hungrigen Kind eine Scheibe Wurst. Erst viel später wird Meyer bewusst, dass es trotz des leeren Magens nicht die Scheibe Wurst ist, die sie so beglückt, sondern die Geste, "die Freundlichkeit, jemandem etwas zu schenken".

Meyer möchte verkaufen, weil sie das Schenken liebt, und landet dafür ausgerechnet bei Dessous. Für viele Frauen ist das immer noch die Teenager-Schwester der Geschenke, das, sofern es von einem Mann kommt, unterm Weihnachtsbaum gegenüber der eigenen Familie vor allem peinlich ist. Meyer schüttelt den Kopf. "Natürlich sind Dessous intim. Ich finde es dennoch ein schönes Weihnachtsgeschenk, weil es sehr persönlich ist. Es ist eine Zweiergeschichte."

Vor allem Männer lassen sich das einiges kosten, allein in diesem Jahr im Durchschnitt 120 Euro im Fachhandel für Wäsche und 45 Euro in Fachabteilungen, so die Schätzung vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels. Meyer aber hat einen anderen Durchschnitt vor Augen: Die Leute könnten keine Freude mehr für Geschenke empfinden, sagt sie und erzählt die Geschichte von dem Schlafanzug, der als Geschenk weit weniger intim ist als das Dessous-Set und ebenso seinen Platz bei "Lady M." hat, in ihrem ehemaligen Wäschegeschäft in Wilmersdorf. "Ein junger Mann rief an und beschrieb den Schlafanzug, den er seiner Freundin zu Weihnachten schenken wollte." Er müsse mit Vichy-Karos in Weiß-Rosé bedruckt sein, einen runden Kragen haben, der Kragen müsse weiß und paspeliert sein, mit einer an der Seite herunterlaufenden Borte, die Hose müsse einen geraden Schnitt und ein Gummiband haben.

"Genau so etwas hatten wir. Der junge Mann ist also vorbeigekommen, hat sich den Schlafanzug angeschaut, hat zur Sicherheit noch einmal zu Hause gefragt, aber es war genau der Schlafanzug, den sich seine Freundin gewünscht hatte." Also wickelte Meyer den Karo-Pyjama zum Verschenken ein. "Alles prima", erinnert sie sich - bis zum 27. Dezember. Der junge Mann und seine Freundin standen im Laden, auf der Suche nach Ersatz. Gebe es etwas Besseres? Meyer klingt empört, während sie die Geschichte erzählt.

Die Menschen scheinen sich nicht mehr auf Überraschungen einlassen zu können. Dabei geben sie jedes Jahr mehr für ihre Weihnachtseinkäufe aus. In diesem Jahr, so hat das Marktforschungsunternehmen GfK ausgerechnet, plant jeder Dritte, Bekleidung zu verschenken, dazu gehören auch Dessous. Allein im Vergleich zum Vorjahr geben sie dafür 17 Euro mehr aus, 92 Euro statt 75.

Ganz anders war das Bild unterm Weihnachtsbaum der fünfziger Jahre: Meyer, die damals in der Strumpfabteilung des Kaufhauses DeFaKa arbeitet, reicht einzelne Strumpfhosen, die anschließend als Geschenke unterm Baum landen, über den Tresen. Meyer, zu der Zeit gerade 15 und Auszubildende, staunt über die Atmosphäre im Dezember. "Das Kaufhaus war damals an den Adventssonntagen geöffnet. Die Kunden sahen den Einkauf wie einen Spaziergang." Mit der Zuversicht, der Beschenkte werde sich über ein Paar Strümpfe freuen, verlassen sie das Kaufhaus.

In den sechziger Jahren kommt Meyer über Umwege als Einkäuferin für Wäsche ins KaDeWe. Die Leute machen gerade ihre ersten Erfahrungen damit, ausgiebig shoppen zu gehen. Daran ändert selbst die Krisenstimmung des Kalten Krieges nichts. Die Bedrohung am Himmel, die russischen Überschallflugzeuge, die über das Kaufhaus-Dach fliegen, die auch Heide Meyer in ihrer düster gehaltenen Miederabteilung brummen hört, sind keine Gefahr für den Umsatz. Für Meyer wartet die geschäftliche Hölle andernorts.

Ausgerechnet als der nach dem Ersten Weltkrieg ausgerufene Schlachtruf "Nieder mit dem Mieder" ab 1968 gesellschaftsrelevant wird und den BH gleich mitreißt, wagt sie den Schritt in die Selbstständigkeit. "Da wollte niemand mehr zu Weihnachten einen Büstenhalter kaufen." Dass in der Zeit überhaupt niemand mehr Büstenhalter tragen wollte, sagt Meyer, sei die Ursache dafür, dass noch heute so viele Frauen mit der falschen Größe durchs Leben gingen. "Über zwei Generationen haben Frauen den Büstenhalter nicht mehr in die nächste getragen." Seine Geschichte sei unterbrochen worden, die könne man jetzt nicht aufholen.

Weinend rennt Meyer damals im Dezember über den Ku'damm, sieht, wie die Menschen einkaufen und trotzdem kein Geld bei ihr ausgeben. Im Jahr 1974 eröffnet nebenan ein Beate-Uhse-Laden. "Da dachte ich: ,O.k., richte du auch eine kleine schmutzige Ecke im Geschäft ein', aber das war eigentlich nicht mein Ding."

Trotzdem, die rote Unterwäsche, die damals als anrüchig gilt, soll Heide Meyer noch Glück bringen. Schon zu der Zeit glaubten nämlich die Italienerinnen daran, dass es nur von Vorteil sein kann, zu Weihnachten und Silvester rote Unterwäsche zu tragen. Bis heute hat sich nichts daran geändert. "Das haben wir uns zum Thema gemacht. Rot bringt Glück, und wir sagten, wenn Sie im nächsten Jahr Glück haben wollen, müssen Sie rote Dessous tragen." Irgendwann kommen die Kundinnen von selbst und fragen nach der roten Garnitur. Oder sie möchten wie Krystle Carrington aus dem "Denver-Clan" in der Nachtwäsche die Treppe hinabsteigen.

Richtig los geht es dann im Jahr 1989, und wieder wird das Weihnachtsgeschäft zum Schicksalsgeschäft. Am Samstag, dem 16. Dezember 1989, brennt es auf dem Ku'damm, der einige Wochen nach dem Mauerfall und wenige Tage vor Heiligabend nicht unattraktiv ist. Aber Meyers Geschäft liegt abseits der Shopping-Meile. "Eine Woche vor Weihnachten wollten die Leute einkaufen, nur bis zum Ku'damm kamen sie nicht. Also sind sie bei mir hängen geblieben."

Der Druck, unter dem die Leute an diesem Samstag im Jahr 1989 stehen, Geschenke zu kaufen, soll indessen nicht mit den Rauchschwaden verschwinden. "Die Menschen haben so viel Stress gemacht", sagt sie und meint damit die neunziger Jahre. Mit speziellen Weihnachtsserien stellt sie sich auf das Geschäft ein, das Fenster ihres Ladens kann sich mit einem Kamin schmücken, erst um 14 Uhr hetzt sie an Heiligabend nach Hause, wirft schnell den eigenen Tannenbaum in Schale, bevor zwei Stunden später die Gäste kommen. Ihre Schnappatmung wird sie in diesen Tagen nicht los. Das bleibt so, bis sie mit 67 ihr Dessous-Geschäft verkauft. Ein trauriger Schritt und doch eine Befreiung. Denn Weihnachten, sagt sie, habe ihr am Ende keinen Spaß mehr gemacht.

Heide Meyer, "Mutter Corsage. Enthüllungen einer Dessous-Verkäuferin", Droemer Knaur, 264 Seiten, 9,99 Euro.

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"Wenn es um Wäsche geht, macht ihr keiner was vor: Seit 50 Jahren verkauft Heide Meyer Strapse und Stringtangas. Nun hat sie ein Buch geschrieben. (...) Heide Meyer ist (...) die Grande Dame der Dessous-Welt, mit Perlen an Hals und Handgelenken und mit einem Charme, der selbst die schüchternsten Kundinnen aus den schmerzendsten Büstenhaltern befreit. (...) Wenn Heide Meyer ein Mann wäre, hieße sie vielleicht Franz Beckenbauer. Denn was der Kaiser für den Fußball geschaffen hat, erreicht Meyer in der Welt der Wäsche. Beide sind früh gekommen und lange geblieben und haben in ihrer Branche viel bewegt - außer Brüste, denn die sitzen Dank Heide Meyers BHs felsenfest" Welt Kompakt, 03.12.2012