Leipziger Buchmesse in der Sparte Sachbuch bekam. Nun hat er mit seinen "Memoiren" nachgelegt, deren Untertitel, "ein Interview gegen mich selbst", so mediengerecht wie streng klingt.
Über das äußere Leben des Franz Schuh erfährt man in diesem gedankenreichen Frage-und-Antwort-Spiel jedoch nicht viel. Der "140-Kilo-Mann" stammt aus "proletarisch-kleinbürgerlichem" Milieu, das sozial durchlässigere Nachkriegs-Österreich ermöglichte ein Philosophiestudium. Obwohl mit der Linken sympathisierend, wurde Schuh auch in den Achtundsechzigern aus Widerwillen gegen "Politik als Fetisch" nicht nachhaltig politisiert. Nach verschiedenen Posten im Literaturbereich wollte er doch lieber wieder Freiberufler sein, ein "skeptischer Kollaborateur" der Medien, der - bei ausbleibender "Versöhnung mit dem Konto" - "dazugehört und zugleich nicht oder nicht alles mitmachen muss".
Eine tiefe Skepsis gegen stramme Haltungen anderer, aber auch gegen die Schwäche der eigenen Person, prägt die "Memoiren". Inhaltlich geht es nach der Methode "Durcheinander" voran. Ein aufgeräumter Denker ist dieser Mann, der sich nur ungern "Philosoph" nennen ließe und am Essay das Vorläufige schätzt, nicht. Bekannte Schuh-Themen finden sich wieder: das Glück ("die Fähigkeit, sein Glück darin zu finden, sich vom Glück durch eine denkende Existenz unabhängig zu machen"), die Kritik ("jemanden anzugreifen, sollte mit einer Art Liebe verbunden sein") und das antiheimatliche Österreich ("haben wir uns überhaupt noch etwas zu sagen, derzeit, über Österreich?") mitsamt allen Widerhaken von kollektivem Vergessen und staatlicher Erinnerungskultur. Neben Hegel, Stirner und dem Leib-und-Magen-Philosophen Nietzsche hat auch die Medienkritik ihren Platz.
Schmidt und Pocher werden für ihr "Nazometer" abgewatscht, der "regressive Genuss" der "Simpsons" gerühmt, der Bachmann-Preis in die Nähe einer Reality Soap gerückt. Sein Fett kriegt auch der deutsche "Begierdeösterreicher" ab, der an Austria das Noch-nicht-ganz-Durchrationalisierte, das leicht Deviante liebt. Und tatsächlich, um diesen Franz Schuh könnte man die Alpenrepublikaner schon beneiden. Auch wenn sein aktuelles Buch nicht ganz so großartig ist wie das Opus Magnum "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche" - es ist eine wunderbare Einstiegsdroge in das Schuhsche Denken, dessen Vorbild die immer um das Ganze ringende Gestalt des Sisyphus ist.
JUDITH LEISTER
Franz Schuh: "Memoiren. Ein Interview gegen mich selbst". Paul Zsolnay Verlag, Wien 2008. 280 S., geb., 21,50 [Euro].
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