wegen des häufig nicht gegebenen oder nicht sehr strengen Selektionsprozesses dort Beiträge zu plazieren, die die Begutachtungsprozesse angesehener wissenschaftlicher Zeitschriften nicht überstanden haben oder nicht überstehen würden, ist durchaus weit verbreitet. Diese Kritik trifft auf diese Festschrift nicht zu. Es handelt sich um eine sorgfältig zusammengestellte Sammlung interessanter und wissenschaftlich fundierter Aufsätze. Der Band umfaßt siebenundzwanzig Beiträge von zweiunddreißig Wissenschaftlern. Die Palette der behandelten Themen ist beeindruckend, sie entspricht der Breite des Marketingverständnisses Heribert Mefferts. Meffert hat stets gegen eine operative Verengung des Marketingbegriffs gekämpft. Facetten der von ihm vertretenen und in diesem Band realisierten breiten Marketingperspektive sind die Integration der Marketingdisziplin in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, die Sensibilität für die gesellschaftliche und ökologische Verantwortung des Marketing sowie die Berücksichtigung von Aspekten der marktorientierten Unternehmensführung.
Im ersten Teil des Buches stehen Methodologie und Paradigmenwechsel in der Marketingwissenschaft im Vordergrund. Die einzelnen Beiträge heben sich wohltuend von der oft marktschreierisch anmutenden Anpreisung vermeintlich neuer Marketingkonzepte ab. So stellt zum Beispiel Klaus Backhaus in seinem Beitrag klar, daß der Ansatz des Relationship-Marketing keineswegs ein neues Paradigma des Marketing darstellt. Kritisch setzen sich Ursula Hansen und Matthias Bode mit der Marketingwissenschaft auseinander. Hier werden vor allem die unzureichende Berücksichtigung früherer wissenschaftlicher Erkenntnisse (die Autoren sprechen vom "fehlenden Gedächtnis der Marketingdisziplin") und die überzogene Konzentration auf aktuelle Publikationen bemängelt.
Der zweite Teil ist dem Wandel der Konzepte der marktorientierten Unternehmensführung gewidmet. Helmut Wagner und Jörg Baetge ordnen in ihren Aufsätzen die Marktorientierung der Unternehmensführung in ein breiteres Spektrum von Orientierungen ein, wobei sowohl die Verpflichtung gegenüber den Anteilseignern als auch die Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwohl zum Thema gemacht wird. Die Aktualität dieser Perspektive liegt auf der Hand. Deutlich über der Perspektive der Marketinglehre im engeren Sinne liegt auch der Aufsatz von Arnold Picot und Rahild Neuburger; die Autoren untersuchen den Beitrag virtueller Unternehmen zur Marktorientierung.
Im dritten Teil der Festschrift sind zahlreiche Beiträge zusammengestellt, in denen ausgewählte Facetten des Erkenntnisfortschritts der Marketingwissenschaft behandelt werden. Das Themenspektrum ist ausgesprochen breit. Eine gewisse Schwerpunktsetzung ist beim Themenkomplex Kundenorientierung zu sehen. So reichert beispielsweise Volker Tromsdorff die bisherige Kundenorientierungsforschung um eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive an. Und Klaus Brockhoff verdeutlicht in seinem Beitrag, daß die Einbindung von Kunden in den Produktentwicklungsprozeß nicht pauschal propagiert werden kann, sondern durchaus problematische Aspekte mit sich bringt.
Besonders interessant ist der vierte Teil der Festschrift; hier setzen sich die Autoren mit Zukunftsperspektiven des Marketing für Forschung, Lehre und Praxis auseinander. Im Gegensatz zu den übrigen Teilen sind in diesem Teil auch Beiträge von Verfassern aus dem nichtdeutschsprachigen Raum berücksichtigt (Philip Kotler und Robert D. Buzzell). Interessant und praxisrelevant ist der Beitrag von Kotler, der sich die Frage stellt, welche Rolle ein Marketingbereich in zukünftigen Organisationsformen spielen kann. Zwei weitere Beiträge von Hermann Diller und Hermann Freter sind den Veränderungen des Marketing und der Marketingausbildung, die aus neuen Medien resultieren, gewidmet.
Insgesamt handelt es sich um eine ansprechende Festschrift. Dem Leser wird ein umfassendes Bild von zahlreichen aktuellen Entwicklungen und Denkrichtungen des Marketing vermittelt. In einer Zeit, in der in vielen wissenschaftlichen Beiträgen eine immer stärkere thematische Eingrenzung zu beobachten ist, ist gerade die breite Perspektive, mit der hier Marketingfragen aufgegriffen werden, hervorzuheben. Den Herausgebern ist es gelungen, eine Festschrift zusammenzustellen, die dem Werk von Heribert Meffert gerecht wird. CHRISTIAN HOMBURG
(Professor für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung, Vallendar)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.1997