Frauen ebenso handelt wie von Männern, liegt auf der Hand.
Der Autor zieht sein großes Thema zunächst sprachwissenschaftlich auf. Seine Grundthese ist: Männer haben einen ganz anderen Kommunikationsstil als Frauen, sie sprechen verschiedene "Genderlects". Männer "bedienen sich einer Feststellungssprache im Dienste des Imponierstils", Frauen dagegen versuchen, "durch Sprechen Nähe zum Gesprächspartner zu schaffen". Dadurch, so Schwanitz, komme es zu ständigen Mißverständnissen, in denen beide Geschlechter sich zu Unrecht angegriffen und diskriminiert fühlen. Die Folge ist die schleichende Verwandlung der Liebe in Konflikte. Die einzige Lösung dieses Dilemmas läge darin, "daß man sich von aller Empörung freimacht und jeden Gedanken an eigenes Recht und eigene Ansprüche verabschiedet". Wie das dauerhaft gehen soll, wird allerdings nicht klar.
Spätestens an dieser Stelle fragt sich der Leser: Woher weiß der Herr Professor das alles eigentlich? Woher nimmt er die Erfahrung, freimütig etwa über "den weiblichen Blick", über "das Reich der Frauen" oder gar über "das Körpergefühl der Frau" zu referieren? Seine geradezu hymnischen Elogen auf die weiblichen Genitalien, gepaart mit einer geharnischten Ablehnung des "monströsen Geschlechtsteils" des Mannes, scheint geradezu einen Selbsthaß zu offenbaren. Auch mit kategorischen Verurteilungen wie "Die Pygmalions dieser Welt sind allesamt verfehlte Töchterväter mit inzestuösen Neigungen" hält er nicht hinterm Berg. Das ist genau jener linkslastige Entlarvungsjargon, den er in "Bildung" noch genüßlich gegeißelt hatte. Da er nahezu keine Quellenangaben bietet (nur Luhmann darf natürlich nicht fehlen) und auch nicht die von ihm benutzte Literatur in einer Bibliographie auflistet, entsteht bisweilen der unangenehme Eindruck, einen Eintopf aus radikal-feministischen Pamphleten à la Pusch oder Trömel-Plötz vorgesetzt zu bekommen, der mit dem aufdringlich souveränen Stil des männlichen Verfassers gewürzt ist, einschließlich der (ironischen?) Verwendung des Pronomens frau statt man.
Hatte Schwanitz in seinem Roman "Der Campus" sich noch unverhohlen über das Unwesen der Frauenbeauftragten lustig gemacht, geht er in "Männer" mit geradezu leisetreterischer Attitüde über die groteske Gleichmacherei in Einrichtungen des öffentlichen Dienstes hinweg. Dabei sollte gerade er es besser wissen. Daß er es tatsächlich besser weiß, zeigt er zum Beispiel in der szenenweise in den Text integrierten "Komödie der Frauen", einer modernen Adaption des Amphitryon-Mythos. Hier läßt er die altehrwürdigen Frauengestalten des antiken Dramas unverblümt "eine Frauenbeauftragte im Olymp" und eine "Quotenregelung für Frauen in Athen" fordern. Die Damen laufen damit allerdings voll auf, denn Jupiter teilt ihnen lapidar mit: "Wollt ihr sie (die Gleichberechtigung) haben, müßt ihr auf die Vorteile der alten Position verzichten." So etwas darf man heutzutage wohl nur noch in der Camouflage der alten Mythologie sagen!
Schwanitz schreibt gewohnt brillant, zuweilen geradezu in rhythmischer Prosa, gelegentlich allerdings ein wenig manieriert. Auch Kalauer verschmäht er nicht: "Lieber ein berühmter Säufer als ein anonymer Alkoholiker." Wirklich gelungen ist ihm aber die "Porträtgalerie der Männertypen", in der er - ebenfalls über den Haupttext verteilt - in der Manier des Theophrast Gestalten beschreibt, die wir alle kennen: den Stammtischbruder wie den Guru, den Latin Lover wie den Jammerlappen. Dennoch bleibt insgesamt ein fader Nachgeschmack: Männer und Frauen sind Individuen, und sie nur aufgrund ihres Geschlechtes in zwei unversöhnliche Lager einzuteilen, ist schlicht und einfach falsch. Gibt es etwa keine Männer, die aggressionsfrei kommunizieren können? Und vor allem: Gibt es etwa keinen knallharten Konkurrenzkampf unter Frauen? Und was ist mit den Schwulen, denen der offensichtlich heterosexuelle Autor gerade mal einen spöttischen Nebensatz widmet? Auch daß "die Heuchelei eine Verbeugung vor der Tugend" sei oder "Männer alles Schwabbelige lieben", will in dieser apodiktischen Form nicht recht einleuchten. Und geradezu empörend ist es, wenn Schwanitz behauptet, in deutschen Schulen werde "die Lehre des Machismo den Kleinen als Staatsreligion eingetrichtert". Nein, der Blick des Ethnologen, mit dem die "Spezies" Mann besichtigt werden soll, verfehlt die Wirklichkeit.Der Konjunktur der Männer-Diskurse wird dies dennoch keinen Abbruch tun.
THOMAS FISCHER
Dietrich Schwanitz: "Männer". Eine Spezies wird besichtigt. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001. 328 S., geb., 44,- DM.
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