persönlich gefärbten, feuilletonistischen Impressionen über den sozialistischen Alltag von damals sind weggefallen: so die Streiflichter auf eine Hochzeit in bewahrter feudaler Schloßumgebung, auf den ungewohnten, eleganten Service-Stil von Kellnern im Kurbadhotel, auf Zimmerleute bei der Kirchenrestaurierung, die selbst Beichtstühle schnitzen, auf marxistische Phrasen über die Jägerei beim Besuch eines Jagdmuseums. Auch zwei Seiten über Teschn, die Stadt im Schnittpunkt der Kultureinflüsse aus Krakau, Breslau und Prag, sind in der Neuauflage gestrichen, weil dieser Teil von Mährisch-Schlesien zu Polen gehört. Dafür geriet der Abschnitt über Werk und Familienhistorie des Schuhkönigs Bata umfangreicher und informativer, wie überhaupt der neuaufgelegte Band eher zur Sachlichkeit neigt. Einleuchtend stellt die Autorin dar, wie Mähren, dieses Land der pastoralen Anmut, in mitteleuropäische Geschichts- und Kulturepochen eingebunden ist. Wir haben es hier nicht mit einem westlichen Vorposten des Ostens, sondern mit einem östlichen Vorposten des europäischen Westens zu tun. So weist Lillian Schacherl auf Städte und Bischofsresidenzen mit ihren Ensembles an Bauwerken hin, deren Schöpfer meist aus Italien, Deutschland und Österreich kamen. Sie beschreibt Hintergrund und Gegenwart einer kosmopolitischen Kultur, der Gustav Mahler und Sigmund Freud, Gregor Mendel, Schuberts Eltern, viele Größen der Wiener Bühnen oder aber die Großeltern von Friedensreich Hundertwasser entstammen. Wichtiges Verdienst der Autorin ist, daß sie Mährens Schlösserherrlichkeit, wie sie in dieser Vielfalt nur wenige Kulturregionen Europas aufweisen, mit kunsthistorischer Akribie ausbreitet und damit zu erlebnisreichen Entdeckungen verlockt. (Wa)
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