Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2008Siehst du den Mond über Soho?
Die Redensart, jedes Ding habe zwei Seiten, mag das gemeinsame Unternehmen der Fotografen Peter Schneider und Thomas Brumm angeregt haben, doch bei der Umsetzung erkannten sie bald, dass es nicht damit getan ist, ein Motiv zweimal aufzunehmen. Der Wunsch nach "qualitativer Potenzierung", von der Schneider im Vorwort spricht, machte eine andere Herangehensweise notwendig: den titelgebenden doppelten Blick. In den Doppelseiten, aus denen dieser schöne Band komponiert ist, drückt er sich auf den ersten Blick im konstitutiven Gegenüber von Schwarzweiß- und Farbfotografien aus. Verbindungen zwischen den Bildern aber entstehen vor allem durch die Assoziationsfähigkeit des Betrachters. So zeigt etwa
Schneiders Farbfoto das Stillleben im Hof eines Hauses in Hué mit einer Frau, einem Kind, einem Messingbett und einem Rind, das an das Gestell gebunden ist. Das Hinterteil des Tiers wird von der Kamera nicht erfasst. Brumms gegenüberstehende Schwarzweißaufnahme bildet hingegen die Hinterläufe und den Schwanz eines Hundes ab, dessen übrigen Körper eine Scherentür verdeckt, wie sie auch auf Schneiders Foto zu sehen ist. Es könnte sich also um denselben Hof in Hué handeln. Solche Spekulationen erweisen sich schnell als eigentlicher Schlüssel für diese Doppelblicke: Schon treten die Bilder, die in Italien, Marokko, Vietnam und Kuba enstanden sind, über Länder- und Sujetgrenzen hinweg miteinander in Dialoge. So scheint der Lehmweg vor den Toren Marrakeschs unmittelbar in die Altstadt von Havanna zu münden. Eine reizvolle Vorstellung - das Buch ist voll davon.
A.O.
"Look Twice" von Peter Schneider (Fotos und Text) und Thomas Brumm (Fotos). Edition Braus im Wachter Verlag, Heidelberg 2007. 119 Seiten, achtzig Schwarzweiß- und Farbfotografien. Gebunden, 35 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main