Drüben fischen und das Wesentliche suchen, Metaphysik und Transzendenz, das Eigentliche, das ganz Andere, wird es in der Regel eher peinlich als erhebend, und der Tiefsinn präsentiert sich in seiner ganzen Lächerlichkeit, wie der liebe Gott in Robert Gernhardts Gedicht "Finger weg", wo er von sich behauptet: "Ich bin das gänzlich Andere, / das ganz und gar Besandere, / stand stets und steh auch hier und jetzt / hoch über Sprach- und Reimgesetz, / so durch und durch besonders: / Noch anders bin ich onders".
Das Unwesentliche schildert Coupland detailliert, komisch und bravourös. Eine Episode des Romans handelt von Dana, einem Pornodarsteller, der ein für allemal seinen Drogenvorrat durchs Klo spült. Später drückt sich Dana als Kleinfamilienvater herum ("Dies geschah auf dem Parkplatz des Save-On-Foods-Supermarkts im Park-&-Tilford-Einkaufszentrum"). Im nächsten Kapitel tritt Dana als fundamentalistischer, von Jesus erleuchteter Apokalyptiker in Erscheinung, der den Erzähler zu Gott zu bekehren versucht.
Aber die Irrungen und Wirrungen der Protagonisten des Romans stehen nicht für sich selbst. Sie dienen nur der langweiligen Nachricht, daß es darauf ankomme, zum Wesentlichen vorzudringen. Der Erzähler ist selbst zum Gottsucher geworden, der sich in jeder Pose gefällt, die Ehrfurcht einflößt. "Ich bin ein stiller Mann. Ich neige dazu, Dinge zu durchdenken, und versuche, nicht viel zu sagen", teilt er mit, als sei er der Kommissar Derrick, der vor Ausdruckskraft kaum laufen kann. "Mein Geheimnis ist, daß ich Gott brauche - daß ich krank bin und allein nicht mehr weiter kann." Nach einer halben Stunde Erzählzeit erschließt sich endlich auch der Umstand, daß es nur eine davongelaufene Frau ist, die dem Erzähler seine existentielle Krise beschert und ihn zur Sinnsuche aufgestachelt hat.
"Ich bin ein Mensch, bin gefangen in der Zeit." Von solchem Zuschnitt sind die Mitteilungen, die der Liebeskummer begünstigt. Am Ende sucht und findet der Erzähler, verlassen von seiner Liebsten, das Glück als Rucksacktourist im Grünen, im Einklang mit der Natur und der Idylle der Elemente, wo das wortentrückt Besandere und das noch anders Ondere ihn schon händeringend erwartet haben. So wächst zusammen, was zusammengehört: "Worte, die uns sagen, daß wir heil sind" (Coupland) - Lebensgefühl und frohe Botschaft, Alpha und Omega, Yin und Yang oder einfach auch nur "Oliver & Hardy" (Wolfram Schütte). Weniger wäre mehr gewesen. GERHARD HENSCHEL
Douglas Coupland: "Life after God". Die Geschichten der Generation X. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Harald Riemann. Aufbau Verlag, Berlin 1995. 357 S., geb., 39,90 DM.
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