einer Person.
In der Mischung aus Künstler-Charisma, Dynamismus mitunter bis zur Besessenheit und sogar durchaus intellektuellem Charme, aber auch Selbstfixierung als Mittelpunkt einer turbulent schillendern Medienwelt war er singulär. Fotogen war er auch, jederzeit - ob am Pult, am Flügel, beim Komponieren oder Dozieren, an der Hotelbar oder beim Flanieren.
Bernsteins zerfurchtes Gesicht, die immer noch überaus dynamische Körpersprache, die whiskey- wie zigaretten-imprägnierte Stimme - eine markante Gestalt blieb er in jeder Hinsicht.
Bernstein, 1918 geboren, am 14. Oktober 1990 gestorben, hat in seinem letzten Lebensjahrzehnt viel in Europa gewirkt - und wer ihn häufiger erlebt hat, konnte es kaum glauben, daß des scheinbar unerschöpflichen Dynamos Lebensfunken einmal erlöschen würde. Der Fotograf Thomas R. Sailer hat Bernsteins letzte Lebensphase kontinuierlich begleitet, und es sind ihm, auch aus der persönlichen Nähe heraus, zahlreiche Bilder gelungen, die die Größe, Vitalität und Energie, aber auch das Charisma und den Zauber dieses wahrhaft unerhörten Musikers objektiv dokumentieren: Sie lassen ihn visuell beredt präsent bleiben.
So hermetisch Karajan in vielem wirkte, so wenig Solti an glamouröser Selbstdarstellung interessiert war, so gelassen weltzugewandt präsentiert sich Bernstein in diesen Proträts, die erneut ahnen lassen, was das Geheimnis seiner Faszination war: die Untrennbarkeit von extrovertierter Lebenslust, Kommunikationsleidenschaft und dem in allem Glanz nach Innen gerichteten Blick des die (auch die eigenen) Partituren durchdringend belebenden Musikers, der nicht zuletzt als Komponist im Notenbild eben mehr als ein System zweidimensionaler Schriftzeichen, noch dazu Abbreviaturen sieht.
Noch manche Alltagsszenen verraten da etwas von der Aura des Superstars, dessen unverkennbarer Narzißmus auch aus dem Geisterreich des Tönenden gespeist wird. Unsere Abbildungen zeigen Bernstein bei der meditativen Hingabe an die Zigarette. ("Leonard Bernstein. Die letzten zehn Jahre. Ein fotografisches Portrait von Thomas R. Seiler". Mit einleitenden Worten von Hildegard Behrens und Thomas Hampson und Erinnerungen von Freunden, Kollegen und Mitarbeitern. Edition Stemmle, Zürich und New York 2001. 160 S., geb. Abb., 98,- DM.)
GERHARD R. KOCH
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