vierten Jahrtausends vor Christi Geburt auf der ganzen koreanischen Halbinsel ausbreitete, daß sich diese deutlich von chinesischer Keramik der Zeit unterschied, dafür aber Bezüge "zur frühen japanischen Jomon-Keramik" aufwies. Beeindruckend formuliert, aber hat der Leser nun einen Erkenntnisgewinn? Wirklich lehrreich sind hingegen Hinweise darauf, wie im heutigen Nordkorea mit angeblichen archäologischen Funden Geschichte konstruiert wird. Diese finden sich freilich in einem Kapitel, wo sie kein Mensch jemals suchen würde, der etwas nachschlagen wollte.
Immerhin vermittelt auch der umständehalber sehr kursorische Überblick die Erkenntnis, daß der koreanische Kulturraum nicht mit dem Staatsgebiet der heutigen koreanischen Staaten übereinstimmt. Für diese Information hätte man allerdings nicht so viele "keramische" Beigaben gebraucht, die allenfalls Spezialisten etwas sagen. Die wiederum werden aber kaum mit einer "kleinen Geschichte" vorliebnehmen. Dabei hätte man auch dem allgemein interessierten Leser durch Rückgriffe auf die sehr ferne Vergangenheit helfen können. Das einigermaßen ausführlich beschriebene Koguryo-Reich des (europäisch gesprochen) frühen Mittelalters war beispielsweise im vergangenen Jahr Gegenstand einer heftigen geschichtspolitischen Kontroverse zwischen Südkorea und China. Seoul beschuldigte Peking, der koreanischen Nation einen Teil ihrer Nationalgeschichte nehmen zu wollen. Dies zu kombinieren hätte dann allerdings ein ganz anderes Buch verlangt. Didaktisch wäre das vielleicht die bessere Lösung gewesen, sitzt der Leser doch hier inmitten einer riesigen Zahl von Fakten, die sich nicht auf Anhieb zu einem Bild formen wollen.
Die Autoren werfen mit zahllosen koreanischen Begriffen nur so um sich. Gleichwohl gibt es sprachlich in den deutschsprachigen Passagen einige Eigentümlichkeiten. So etwas kommt zwar immer wieder einmal vor. In einem Buch, dessen Herstellung man sich als Außenstehender doch deutlich weniger hektisch als die einer Zeitung vorstellt, müssen sie aber nicht sein. Sklaven sind - hoffentlich - auch im vierzehnten Jahrhundert nicht "zerfallen", nicht einmal in unterschiedliche Gruppen. Und daß 1988 in Seoul eine "Olympiade" stattgefunden habe, ist ebenfalls nur ein Gerücht. Bei der "schmalen Elitetruppe", die im Jahre 1881 aufgestellt wurde, dürfte es sich um einen klassischen (falschen) Anglizismus handeln. Andererseits waren die Soldaten wahrscheinlich in der Tat nicht sehr wohlbeleibt.
Das zwanghaft anmutende "Spielen" mit koreanischen Begriffen hört in den zeitgeschichtlichen Kapiteln, mit denen viele Leser sicher wirklich etwas anfangen können, interessanterweise fast völlig auf. Daß sich die Autoren ganz am Ende als "gute Europäer" erweisen, indem sie für die Eskalation des Atomkonflikts um Nordkorea selbstverständlich allein die Amerikaner verantwortlich machen, ist dann fast unerheblich. Es bleibt das Problem aller historischen Wissenschaft, eigenes Wissen so darzustellen, daß einerseits die Substanz erhalten bleibt, andererseits aber auch ein "normales" Publikum die Werke mit Gewinn in die Hand nehmen kann. Das war hier ganz offensichtlich die Absicht (des Verlages?). Man wird sagen können, daß die Substanz gewahrt wurde.
Marion Eggert/Jörg Plassen: Kleine Geschichte Koreas. Verlag C. H. Beck, München 2005. 199 S., 11,90 [Euro].
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