ihrer Macht entworfen, deren imperiale Politik entweder als zu unentschlossen oder als hegemonial überdehnt bezeichnet wird.
Imperien sind Staaten, deren Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik weit über das eigene Territorium hinaus mit dem Anspruch auf regionale oder das gesamte internationale System umfassende Vorherrschaft auftritt. Während des Ost-West-Konflikts ließ sich der Imperiumsbegriff leicht als Propagandainstrument gebrauchen, was ihn dann freilich weitgehend uninteressant machte. Nach dem Ende des Kalten Krieges schien die Zeit für eine multilaterale Weltordnung gekommen zu sein, ein Zeitalter der internationalen Zusammenarbeit auf allen Gebieten. Das war indes nichts als eine Illusion. Ihr folgte eine zweite Illusion auf dem Fuße, nämlich die Vorstellung, Amerika als einzig übriggebliebene Supermacht könne in einer nunmehr unipolaren Welt allein Sicherheit und Frieden garantieren. Ein liberaler Imperialismus besitzt durchaus eine gewisse politische Anziehungskraft. Aber ihn umzusetzen, hatten die Vereinigten Staaten weder genügend Macht noch genügend Glaubwürdigkeit.
Inzwischen haben in den amerikanischen Universitäten und Denkfabriken längst systematische Überlegungen über das postamerikanische Zeitalter eingesetzt. Das Buch von Parag Khanna ist eines der ersten populär aufgemachten Ergebnisse - ein Großpanorama der gegenwärtigen Weltpolitik und Weltwirtschaft, eine Art Ölbild mit kräftigen Farben und vielen teils pittoresken Details. Der Autor verlässt sich dabei auf die Untersuchungsmethode der Geopolitik und benutzt zu deren spiritueller Überhöhung nicht ungeschickt Arnold Toynbee als eine Art geschichtsphilosophischen Weltreiseführer.
In groben Zügen sieht sein Bild von der nahen Zukunft der Weltpolitik so aus: Es wird drei Supermächte oder Imperien geben, die schwächer gewordenen Vereinigten Staaten, das unaufhaltsam stärker werdende China sowie - das darf man als Überraschung notieren - die Europäische Union. Diese drei Machtblöcke bilden die Spitze der Ersten Welt, zu welcher auch noch die OECD-Staaten ohne Mexiko und die Türkei zählen.
Die Zweite Welt, das sind die an Rohstoffen reichen und nicht zuletzt deshalb wirtschaftlich interessanten Schwellenländer, von denen einige durchaus das Zeug dazu haben, in die Erste Welt aufzusteigen. Andererseits kann es ihnen auch passieren, dass sie in die Dritte Welt absteigen, das ist der Sammelbegriff für die armen, politisch und wirtschaftlich instabilen Länder.
Sie gelten in diesem Bild hauptsächlich als Herausforderungen für die Ordnungs- und Konfliktmilderungskraft der drei Imperien. Eine zweite Herausforderung ist die fortschreitende Globalisierung, die die wechselseitige Abhängigkeit aller Akteure auf der weltpolitischen Bühne weiter verstärkt und auf diese Weise das geopolitische Machtspiel komplizierter macht und vielleicht auch mäßigt. Auf die Zweite Welt kommt es also an. Hier konkurrieren die drei Imperien um Macht und Einfluss, und sie tun es jeweils mit den von ihnen bevorzugten Mitteln: Militär (Amerika), scheinbar unpolitische Wirtschaftsangebote (China), weiche Macht (Europa).
Dieses Gesamtbild der internationalen Politik ist von bestechender Schlichtheit, aber man sollte sich besser nicht davon bestechen lassen. Politikwissenschaftlich geschulte Leser bekommen sowieso von Zeit zu Zeit eine Gänsehaut. Denn viele Behauptungen, etwa die Beweisführung für den Supermachtstatus der "supranationalen Europäischen Union", basieren auf abenteuerlichen Annahmen. Nach der zwanzigseitigen Einleitung möchte man kopfschüttelnd mit dem Lesen aufhören. Wer diesem Impuls standhält, erlebt dann allerdings eine Überraschung. Denn es folgen sechs Kapitel, die insgesamt eine mit leichter Hand geschriebene politische Weltreise dokumentieren, wobei die einzelnen Stationen jeweils nach Spuren des Einflusses der drei Imperien abgesucht werden. Dabei erfährt man viel Aufschlussreiches über die weltweit ausgreifende Wirtschaftspolitik Chinas, über die untergründige imperiale Konkurrenz in Zentralasien, über die südostasiatischen Annäherungen an China oder über das "Ende der Monroe-Doktrin" in Südamerika. Vom Stil her erinnert dieser Hauptteil des Buches an die klugen, geopolitisch argumentierenden vorsystematischen Reiseberichte von Paul Rohrbach oder Klaus Mehnert. Die würden sich allerdings wundern, erführen sie von ihrem geschmeidigen Schüler.
Am Ende hat das übrigens mit reichhaltigem Fußnotenmaterial unterfütterte Buch eine weitere Überraschung parat. Dieses Kapitel heißt "Die Suche nach Gleichgewicht in einer nicht von Amerika dominierten Welt" und ist in erster Linie eine von enttäuschter Liebe diktierte Kritik an der Vulgarität und den politik-handwerklichen Fehlern der Bush-Administration, die bei aller Schärfe doch sachlich bleibt und nicht einfach zu widerlegen sein dürfte. Ganz zuletzt plädiert Khanna, wieder milder geworden, für ein Konzert der Imperien nach dem Vorbild des europäischen Konzerts im 19. Jahrhundert. Ob sich derlei allerdings unter den heutigen Verhältnissen verwirklichen lässt, ist eine offene Frage.
WILFRIED VON BREDOW.
Parag Khanna: Der Kampf um die Zweite Welt. Imperien und Einfluss in der neuen Weltordnung. Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt. Berlin Verlag, Berlin 2008. 623 S., 26,- [Euro].
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