über Wasser (respektive Whiskey), auch wenn es dafür Hiebe setzt.
Das in seiner Konzentration auf postpubertär prätentiöses Herumhängen erstaunlich reife Debüt "Junge Wölfe" (im Original: "Young Skins") porträtiert in seinen locker verbundenen Erzählungen eine verlorene Generation im irischen Hinterland, mit Ironie, aber noch mehr mit Empathie. Es ist die Perspektive junger heißblütiger Männer, die der Autor einnimmt. Er heult mit den Wölfen nach Bier, Joints, Faustkampfselbstbestätigungen und Frauen, lässt seine Helden Sprüche klopfen, die jeden Spaghetti-Western zierten: "Ich schätze mal, nicht in der Stimmung zu sein ist die beste Stimmung, um mit diesen beschissenen Indianern fertig zu werden."
Und doch ist nicht der maskuline Kitsch das Hauptkennzeichen dieser fast zärtlichen Geschichten, sondern die erzählerische Volte, stets eine unerwartete Sensibilität, eine anrührende Verletzlichkeit unter der harten Schale sichtbar zu machen. Die Dosenbier-Jungs tragen schwer an der Tatsache, dass man sie zurückgelassen hat in ihrer Pose, dass die Welt sich weitergedreht hat, während sie blieben, wer sie waren. Die Stadt mag ihnen gehören, aber mit Mitte zwanzig beginnt den Protagonisten zu dämmern, dass es ein Außen gibt. Das treibt sie freilich nicht zum Aufbruch, sondern tiefer hinein ins Dunkel.
Der Ich-Erzähler streift an der Seite seines muskelbepackten, sensiblen Freundes Tug durch die Gegend, trifft auf die Jugendliebe Marlene, die ihn am Vorabend noch einmal rangelassen hat. Doch jetzt ist sie mit ihrem Kind unterwegs, auch der Vater ist dabei, ein Ring funkelt vielsagend an ihrem Finger. Wenig später liegt das malträtierte Auto des Verlobten wie ein hilfloser Käfer auf dem Rücken, ein Akt purer Muskelkraft, und so romantisch wie verzweifelt prangt ein "Heirate mich" auf der Beifahrertür. "Dreh die Zeit zurück" bedeutet dieser Hilferuf in Wahrheit. Mögen muss man sie einfach, die ungestümen Helden dieses Buches. So ist Tug, das reizbare "Riesenbaby", von der Geschichte eines verschwundenen kleinen Jungen so erschüttert, dass er kaum an etwas anderes denken kann. Bat, ein liebenswerter Außenseiter und Alkoholiker, seit er grundlos fast zu Tode geprügelt wurde, will ein guter Freund sein, nimmt eine Einladung in die Höhle der Löwen an, aber scheitert an seinen Dämonen.
Die einnehmendste Erzählung ist jene von den beiden Kleinkriminellen Dympna und Arm. Die Figurenkonstellation ähnelt jener der Eröffnungserzählung. Auch Arm(strong) ist ein sensibler Muskelprotz, ein ehemaliger Boxer, der vor allem als Dympnas Waffe fungiert, sollten Cannabis-Kunden nicht rechtzeitig zahlen. Ein nichtiger Anlass reicht, damit aus der brüchigen Handelspartnerschaft ein Privatkrieg wird, den der Autor in Tarantino-Manier auskostet. Während alles aus dem Ruder läuft, kommt Arm, der aus Dummheit Ungeheuerliches tut, beim therapeutischen Reiten seinem behinderten Sohn näher. Erstmals wird Arm selbst bei der Hand genommen, obwohl für ihn keine Rettung mehr möglich ist.
Barrett trifft den melancholischen Grundton solcher Lebensvergeudungen. Es ist kein depressiver Ton, eher ein lakonischer, der zu Herzen geht, wenn unaufgeregt erkennbar wird, dass der Weg dieser Figuren im Kreis führt, dass sie in einem Alter, in dem man für gewöhnlich zur Eroberung der Welt schreitet, schon am Ende sind. Wo der Fokus ein wenig verschoben wird, etwa auf die kurze romantische Affäre zweier Liebesversehrter, die sich bei den Anonymen Alkoholikern kennengelernt haben, lässt die Spannkraft der Erzählungen merklich nach, verheddert sich Barrett in gesucht wirkenden Bildern und Motiven ("Boatman Tavern" heißt die Spelunke, in der die Männer mit dem Bootsmann Tod hadern). Mit den übrigen Geschichten aber darf man einen Abend lang wieder ein bisschen jung und dumm sein.
OLIVER JUNGEN
Colin Barrett: "Junge Wölfe". Erzählungen.
Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen 2016. 224 S., geb., 20,- [Euro].
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