hat tatsächlich neue Wege beschritten und in mehreren Etappen Arbeitsplätze im Hochkostenland Deutschland geschaffen. Seine Überlegungen und Konzepte hat Hartz schon in zwei Büchern vorgestellt; nun liegt das dritte vor. Es ist ein schmaler Band, aber keine leichte Lektüre.
Die Motive und Anlässe zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei Volkswagen waren unterschiedlich und so komplex wie die Lösungen. Der erste Schlag war die Einführung einer um ein Fünftel verkürzten Wochenarbeitszeit Anfang der neunziger Jahre. Eine Absatzkrise erzeugte in kurzer Zeit einen Personalüberhang von mehr als 20 000 Mitarbeitern. Massenentlassungen - anderswo bis heute in solchen Fällen üblich - schieden aus politischen Gründen aus. Kreative Ausweichstrategien waren gefragt. Der Vorstand einigte sich mit den Arbeitnehmervertretern auf die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, ein Novum in der deutschen Tarifgeschichte.
Diese Entscheidung, die entgegen manchen Erwartungen keinen Nachfolger gefunden hat, mag als aus der Not geborener Eingriff interpretiert werden, wohl nicht zu Unrecht. Doch Hartz hat seitdem eine ganze Reihe tarifpolitischer Novitäten entwickelt und in die Praxis umgesetzt. Er hat allerdings nicht verhindern können, daß der Konzern insgesamt zwar seine Belegschaft aufstockt, sogar in Deutschland, daß aber die Zahl der Beschäftigten in der Produktion beständig zurückgeht. Dies hat ihn bewogen, das Konzept "Benchmark Production 5000 × 5000" zu entwickeln. Damit soll die Erosion industrieller Arbeitsplätze, die nicht nur in der Automobilindustrie stattfindet, gestoppt und sogar umgekehrt werden. Das Vorhaben ist nach schweren Auseinandersetzungen mit der IG Metall Mitte dieses Jahres in einen neuen Haustarifvertrag gegossen worden und harrt jetzt der Bewährung in der unternehmerischen und betrieblichen Praxis.
Einfache Lösungen hat auch Hartz nicht zu bieten. Das war bei den bisher verwirklichten Projekten auch schon so. Deshalb haben sie wohl so gut wie keine Nachahmer gefunden. Das mag, so ist zu erwarten, vielleicht sogar zu befürchten, auch beim Modell "5000 × 5000" der Fall sein, obwohl damit erstmals konkret Arbeitslose angesprochen werden.
Hartz neigt zu plastischen Wortschöpfungen, die zwar komplexe Sachverhalte in einem Begriff zusammenfassen, aber zumeist erklärungsbedürftig bleiben. Kompetenzgemeinschaft ist ein solcher Begriff: eine Ansammlung von Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die dank ihrer Kombination Arbeitsplätze entstehen lassen. Ein typisches Beispiel dafür ist das Silicon Valley. Eine solche Kompetenzgemeinschaft will Volkswagen nun auch im Raum Wolfsburg etablieren. Für die Arbeitnehmer hält Hartz einige Zumutungen bereit. "Kaminkarrieren" werde es nicht mehr geben, statt dessen "Job-Familien". Nicht mehr der Abschluß verbürge Berufstüchtigkeit, sondern der optionale Zugang zu weiteren Lern- und Kompetenzfeldern. Zumutbar sei ebenso eine längere Arbeitszeit. Heute betrage der Anteil der Erwerbsarbeit an der Lebenszeit weniger als 10 Prozent. Das sei im Wettbewerb mit anderen Volkswirtschaften zu wenig. Daraus ergebe sich auch der Zwang zur Revision der Sozialsysteme.
Der Verfasser zeigt, wie die Arbeitswelt in fünf bis zehn Jahren aussehen muß. Die Entscheidungen darüber aber müssen jetzt gefällt werden. Ob die Veränderungen, die Hartz skizziert, eine Revolution darstellen, ist Ansichtssache. Immerhin wäre es auf jeden Fall eine Revolution ohne Opfer.
WOLFGANG HELMER
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