bis auf den Vater und einen Bruder in NS-Lagern ihr Leben verlor, arbeitete bis 1942 wie ein Leibeigener auf ostpreußischen Gütern. Danach begann seine Tortur in verschiedenen KZs, die meiste Zeit in Gusen, einem Nebenlager von Mauthausen. Wer bei der Schwerstarbeit im Steinbruch nicht an Entkräftung starb, "verkroch sich in sein eigenes Ich": "Wir waren keine Menschen mehr! Da gab's nur noch eins im Kopf: den Hunger und die panische Angst vor dem Tod. Das war alles. Nur diese zwei Sachen."
Aus seiner Vereinsamung fand Florian nie mehr richtig heraus. Was Historiker "oral history" nennen, gleicht für Zeitzeugen wie ihn der Benennung von Albträumen, von denen sie nachts regelmäßig heimgesucht werden. Tagsüber stellen sich Heimatlosigkeit und Entwurzelung ein. Nach Ostpreußen, wo vor dem Krieg die größte Sinti-Minderheit auf deutschem Boden lebte, konnte Florian nicht zurückkehren. In Aschaffenburg, wo er lebt, wurde das Schicksal der Sinti und Roma lange totgeschwiegen. Laut Bayerischem Landeskriminalamt galt er als "Landfahrer mit kriminellem Einschlag". Im Gefühl des Ausgegrenztseins vertraute er sich nicht einmal seiner Lebenspartnerin an, erzählte niemandem, dass er "im Lager war". An die Öffentlichkeit trat er erst, als ihn das Heidelberger Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma überredet hatte, abgewiesene Anträge auf Rentenzahlung und Anerkennung der deutschen Staatsbürgerschaft wieder - diesmal erfolgreich - zu stellen.
GOTTFRIED NIEDHART
Reinhard Florian: Ich wollte nach Hause, nach Ostpreußen! Das Überleben eines deutschen Sinto. Herausgegeben von Jana Mechelhoff-Herezi und Uwe Neumärker. Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin 2012. 149 S., 5,- [Euro].
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