
Ich wollte Liebe und lernte hassen!
Ein Bericht
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»Im Sommer 1983 erhielt ich als gerichtlicher Sachverständiger von einer Staatsanwaltschaft, wie schon oft, ein dickes Aktenpaket zugesandt mit dem Auftrag, einen jungen Mann namens Fritz Mertens - er heißt eigentlich anders, diesen Namen hatte er später selbst gewählt -, gerade 20 Jahre alt, zu untersuchen und über ihn ein Gutachten zu erstellen. Als er von seinem Leben und seiner Kindheit berichten sollte, deutete er mir vielerlei an, es kam bruchstückweise und unzusammenhängend, wie aus einem mühsam zusammengehaltenen, unter Druck stehenden Gefäß, wo es mal da, mal da herausquill...
»Im Sommer 1983 erhielt ich als gerichtlicher Sachverständiger von einer Staatsanwaltschaft, wie schon oft, ein dickes Aktenpaket zugesandt mit dem Auftrag, einen jungen Mann namens Fritz Mertens - er heißt eigentlich anders, diesen Namen hatte er später selbst gewählt -, gerade 20 Jahre alt, zu untersuchen und über ihn ein Gutachten zu erstellen. Als er von seinem Leben und seiner Kindheit berichten sollte, deutete er mir vielerlei an, es kam bruchstückweise und unzusammenhängend, wie aus einem mühsam zusammengehaltenen, unter Druck stehenden Gefäß, wo es mal da, mal da herausquillt. Er wollte erzählen, wußte aber nicht, wo anfangen, wo aufhören, so als lohne es sich gleichsam gar nicht erst, damit zu beginnen, als wäre er sich nicht sicher, ob er eigentlich etwas sagen solle oder lieber doch nicht. Ich drang nicht weiter in ihn. Schließlich geht es bei so einem Gutachten nur um die Beantwortung ganz konkreter Fragen, und dafür wußte ich bald genug. Aber ich sagte schließlich beim Weggehen, er solle doch einmal aufschreiben, was er aus seiner Kindheit noch wisse.
Einen Monat später schrieb er mir: "Ich möchte Ihnen nur mitteilen, daß ich jetzt angefangen habe, meine Lebensgeschichte zu schreiben." Und nach 2 weiteren Monaten kam dann zu meiner Überraschung mit einem Brief ein umfangreiches Manuskript, über 500 handgeschriebene Seiten, denen anzumerken war, daß es für den Schreiber ungewohnt war, sich auszudrücken und dies niederzuschreiben. Ich kenne viele sogenannte Lebensläufe Jugendlicher, die sich mehr oder weniger mager an ihren äußeren Lebensdaten entlanghangeln und über das eigene Erleben so gut wie nichts enthalten. In dieser Erwartung ging ich zunächst auch an die Lektüre dieses Berichts heran. Anfangs noch etwas steif und holperig, dann aber von Seite zu Seite flüssiger geschrieben, sah ich mich bald gefangengenommen von der Ursprünglichkeit und Offenheit, vor allem aber vom Gewicht des kindlichen, jungenhaften Erlebens, wie da geschildert wird, wie ein Junge zwischen Hoffnung und sich immer wiederholender Enttäuschung hin- und hergerissen wird, wie er Verständnis sucht und abgewiesen wird, immer wieder, immer noch einmal.
Alle diese Erfahrungen haben sich bei ihm offenbar eingekerbt in seiner Erinnerung, so daß er sie dem Erleben entsprechend wiedergeben konnte, ja wohl mußte, um nicht daran zu ersticken. Ich selbst kenne keinen so spontanen, unmittelbaren aus echter, eindeutiger Erinnerung heraus geschriebenen Bericht über die jahrelange Suche und Enttäuschung eines Kindes, die sein ganzes Leben bestimmte, bis zur Tat. Ihr fielen zwei Menschen zum Opfer, aus dem Augenblick heraus, aus einer Situation, aus der sie alle den richtigen Ausweg nicht finden konnten. Eines ist mir wieder deutlich geworden: Es ist nicht unser Verdienst, wenn wir nicht straffällig werden, wenn wir in unserem Leben niemand durch unsere Schuld töten.«
Einen Monat später schrieb er mir: "Ich möchte Ihnen nur mitteilen, daß ich jetzt angefangen habe, meine Lebensgeschichte zu schreiben." Und nach 2 weiteren Monaten kam dann zu meiner Überraschung mit einem Brief ein umfangreiches Manuskript, über 500 handgeschriebene Seiten, denen anzumerken war, daß es für den Schreiber ungewohnt war, sich auszudrücken und dies niederzuschreiben. Ich kenne viele sogenannte Lebensläufe Jugendlicher, die sich mehr oder weniger mager an ihren äußeren Lebensdaten entlanghangeln und über das eigene Erleben so gut wie nichts enthalten. In dieser Erwartung ging ich zunächst auch an die Lektüre dieses Berichts heran. Anfangs noch etwas steif und holperig, dann aber von Seite zu Seite flüssiger geschrieben, sah ich mich bald gefangengenommen von der Ursprünglichkeit und Offenheit, vor allem aber vom Gewicht des kindlichen, jungenhaften Erlebens, wie da geschildert wird, wie ein Junge zwischen Hoffnung und sich immer wiederholender Enttäuschung hin- und hergerissen wird, wie er Verständnis sucht und abgewiesen wird, immer wieder, immer noch einmal.
Alle diese Erfahrungen haben sich bei ihm offenbar eingekerbt in seiner Erinnerung, so daß er sie dem Erleben entsprechend wiedergeben konnte, ja wohl mußte, um nicht daran zu ersticken. Ich selbst kenne keinen so spontanen, unmittelbaren aus echter, eindeutiger Erinnerung heraus geschriebenen Bericht über die jahrelange Suche und Enttäuschung eines Kindes, die sein ganzes Leben bestimmte, bis zur Tat. Ihr fielen zwei Menschen zum Opfer, aus dem Augenblick heraus, aus einer Situation, aus der sie alle den richtigen Ausweg nicht finden konnten. Eines ist mir wieder deutlich geworden: Es ist nicht unser Verdienst, wenn wir nicht straffällig werden, wenn wir in unserem Leben niemand durch unsere Schuld töten.«