mischt sich im "Milchhüsli", einer verrufenen Kneipe, unter die Nachtvögel, die Einsamen und die Gestrandeten. Warum er unbedingt in Kaschemmen herumsaufen müsse, wird er später von seinem Vorgesetzten gefragt, warum nicht in der Kunsthalle, wo es gediegener zugehe? Auf dem Heimweg vom "Milchhüsli", spät in der Nacht, entdeckt Hunkeler den alten Herumtreiber Hardy ermordet auf einer Bank. Er soll in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sein; Polizei und Medien machen eine albanische Schmugglerbande für das Verbrechen verantwortlich. Doch Hunkeler recherchiert weiter, zuerst im Rotlichtmilieu. Die entscheidende Spur führt jedoch tief in ein dunkles Kapitel der Schweizer Vergangenheit: der Umgang mit den Fahrenden und Jenischen und das "Hilfswerk für die Kinder der Landstraße".
Hunkeler ist, ähnlich wie Friedrich Glausers Wachtmeister Studer, ein Einzelgänger, der hinter seiner rauhbeinigen Art eine weiche Seele versteckt. Amtsmüde, erschöpft, aber gar nicht abgebrüht, leidet er an der Ungerechtigkeit der Welt. Er vertraut eher auf seine Intuition als auf Aktenstudium und Kriminaltechnik. Man glaubt ihn zu kennen, diesen schwerfälligen, grantigen Kommissär, und erwartet von ihm keine Überraschungen. Seine Vorgänger sind Legion, nicht erst seit dem Wallander-Boom. Aber Hansjörg Schneider schreibt, als gäbe es sie alle nicht. Vielleicht macht dies den Charme des Buches aus: Geradlinig und unironisch erzählt es eine Geschichte, die alle schon einmal gehört haben. Die Geschichte des verletzbaren Außenseiters, der unnachgiebig seinen Kampf gegen das nie recht greifbare Böse führt.
Eine raffinierte und logische Gestaltung des Plots ist allerdings nicht die Stärke des Schweizers: Allzuoft kommt dem Kommissär der Zufall zu Hilfe, Spannung und Glaubwürdigkeit gehen dabei verloren. Für diese Schwäche entschädigt allerdings die subtile Beschreibung atmosphärischer Details. Schneider ist ein aufmerksamer Erzähler, der sich respektvoll den alltäglichen Dingen nähert und ihnen eine zarte Poesie entlockt. Lakonisch und präzise entwirft er ein Stimmungsbild Basels, skizziert er die Gäste der Kneipen, das Nebeneinander von Alteingesessenen und Zugezogenen. Zu einem Kreis der Verdächtigen fügt sich Schneiders Spektrum schillernder Figuren jedoch nicht. Die klassische Frage nach dem "Whodunnit" bildet nur ein leises Hintergrundrauschen. Das Verbrechen entpuppt sich als verzweifelte Tat gebrochener, an einer grausamen Lebenswirklichkeit gescheiterter Existenzen. Ihre Verurteilung stellt die Ordnung der Welt nicht wieder her.
Schneiders fünfter Kriminalroman um Kommissär Hunkeler ist ein verhaltener Abgesang auf diese Gattung, den man mit leichter Nostalgie liest. Das Stadium der Unschuld ist zwar verloren, aber Hunkeler, dieser sympathische Held, hat sein Bestmögliches getan. Vor der Resignation schützt den Kommissär die Verbundenheit mit den Erfolglosen: den einsamen, verlorenen Nachtvögeln im "Milchhüsli", mit denen er sein Feierabendbier trinkt.
ANDREA NEUHAUS
Hansjörg Schneider: "Hunkeler macht Sachen". Roman. Ammann Verlag, Zürich 2004. 303 S., geb., 18,90 [Euro].
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