was auch ein beliebiges Biedermeierglück hätte werden können - im swingenden Parlando dieses Erzählens verlieren sich aber alle Erwartungen, so ist das in der großen Romankunst ja oft. Besonders glücklich, ein seltener Fall dies, ist Hermann in der zwei Jahre später erschienenen Fortsetzung: Er entdeckt in seinen Figuren Züge, die nun erst, im zweiten Buch, vollenden, was im ersten Buch noch ungeschrieben geblieben war - und nun endgültig hat jene so elend zugrunde gerichtete jüdische Welt das wunderbare Leben, das uns immer noch angeht nach so langer Zeit, so langer Zeit bis hin zu seiner letzten Beschwörung durch Hermann, so langer Zeit danach. Georg Hermann, aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, war von Haus aus Kunsthistoriker und -kritiker; 1933 emigrierte er nach Holland, er wurde dort ein berühmter, geliebter Autor. Die Nazis deportierten ihn 1943 und ermordeten den Zweiundsiebzigjährigen in Auschwitz. In einer Art Lebensabriß an seine Kinder schreibt er 1935: "Die letzte Triebfeder meines Schreibens war die tiefe Angst, nicht vor dem Nichtsein, nicht vor dem Nichtmehrsein, sondern vor dem Nichtmehrsein des einmal gelebten Seins." (Georg Hermann: "Jettchen Gebert", "Henriette Jacoby". Romane. Kupfergraben Verlag, Berlin 1986 und 1987. 392 und 313 Seiten, geb., zusammen 49,60 DM.) R.V.
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