Meisterstück betrifft, den "Herrn Karl", werden wir mit gut dreizehn Seiten Fremdmeinungen abgespeist. Mit Verlaub, das scheint ungeachtet aller Fülle ein wenig dürftig. Üppige Werkinterpretationen, etwa eine schier endlose Inhaltsangabe von Qualtingers dramatischem Erstling "Jugend vor den Schranken", vermögen über die Schwächen des Porträts nicht hinwegzutrösten. Eigentlich schade, denn die Autorin wäre - mit mehr Zeitaufwand und psychologischer Neugier - wohl imstande gewesen, ein interessanteres Bild zu zeichnen. Ihr Vergleich des genialischen Stimmenimitators mit dem "Flaneur der Klangwelten" Canetti zum Beispiel beweist Sachverstand und scharfen Blick. Nicht ohne Grund meinte Hans Weigel, Qualtinger sei "kein Schrift-, sondern ein Tonsteller".
Aufschlussreich: der Auszug aus einem Briefentwurf im Nachlass, wo es über Wien heißt: "Brecht - bei all seinen öster. Beziehungen hat sich zeit lebens (!) vor dieser Stadt gefürchtet. Sie ist die absolute Vernichtung." Recht überflüssig sind hingegen Exkurse zu Richard Sennett und Ariane Mnouchkine. Und welchen Informationswert die Mitteilung der Beschaffenheit von Qualtingers Skizzenblöcken haben mag, wirkt überhaupt rätselhaft: "Notizblock Marke Ursus holzfrei 48 Blatt glatt perforiert oder Notizblock Marke Format 48 Blatt Din A 4 perforiert, unliniert Austria".
Da loben wir uns die Wiederbegegnung mit dem Interview Qualtingers aus dem "Playboy" von anno 1974 - Vorstudien zu einer wienerischen Philosophie des Geschlechtsverkehrs vor Viagra: "Das mit dem Pudern", sprach der unsterbliche Qualtinger, "ist eine Fiktion im wahrsten Sinne des Wortes. Es wurde immer gut und schlecht gepudert. Es wurden immer Ausreden für Impotenz gefunden." So ist es.
ULRICH WEINZIERL.
Gunna Wendt: "Helmut Qualtinger. Ein Leben". Deuticke Verlag, Wien - München 1999, 216 S., geb., mit Abb., 34,- DM.
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