sie erstmals an der jährlichen Kunstausstellung teil, ihr "Verwundeter Krieger im Schnee" wird im Jahr darauf mit Lob überschüttet; sie erhält das begehrte staatliche Reisestipendium und fährt nach Paris. 1883 folgt die erste Ausstellung eines Bildes im Pariser Salon.
Kurzum: Bis zu ihrem dreiundzwanzigsten Lebensjahr wird Schjerfbeck gelobt, gefeiert und gefördert, sie erhält Stipendien und nimmt an den großen Ausstellungen teil. Das Atemberaubende in diesem ersten Teil der Biographie ist die Reibungslosigkeit. Helene Schjerfbeck wird, so scheint es, behandelt wie ein hochtalentierter Mann. Der Einwand, dass sie eine Frau sei, dass sie sich deswegen bescheiden und nicht zu hoch hinauswagen sollte, lässt erstaunlich lange auf sich warten. Aber er kommt.
Die Biographie der Künstlerin, die in Finnland eine Berühmtheit ist, außerhalb Skandinaviens allerdings wenig bekannt, hat nun Barbara Beuys geschrieben. Für das Unternehmen gibt es kaum eine bessere Autorin: Beuys hat zuletzt in ihrem Buch "Die neuen Frauen - Revolution im Kaiserreich" eine Geschichte der politischen Emanzipation geschrieben - eine Bewegung, die auch für Schjerfbecks Werdegang eine wichtige Rolle spielt. Verfasst hat Beuys auch eine Biographie von Paula Modersohn-Becker, die wie Schjerfbeck die Avantgarden in Frankreich kennenlernte und an der privaten Pariser Kunstakademie Colarossi studierte.
Und Beuys gelingt es, ein überraschend anderes als das gewohnte Bild von Schjerfbeck zu entwerfen: Sie räumt mit dem Klischee der chronisch kranken Künstlerin auf, da diese als Kind die Treppe hinunterfiel, sich das Becken brach und seitdem humpelte. Die vorliegende neue Biographie dagegen nimmt die Leser mit auf die zahlreichen Reisen, nach Paris, in die Bretagne, nach England oder Russland. Die Museen, Städte und Landschaften erläuft sich die Malerin, was dafür spricht, dass sie mit der Gehbehinderung umzugehen wusste. Darüber hinaus lernen wir eine durchaus strategische Künstlerin kennen, die zwar Rückschläge erleidet, zum Teil heftige und demütigende, aber dennoch nicht bereit ist, Kompromisse einzugehen und sich von der Kunst, an die sie glaubt, nicht abbringen lässt.
Die erste Schmähkritik erfolgt im Jahr 1885, anlässlich einer umfassenden finnischen Kunstausstellung in Helsinki. Die Einreichungen stammten von der Landeselite der Künstler, von den fünfundvierzig Malern waren einundzwanzig Frauen. Noch besaß Finnland kein eigenes Kunstmuseum, die Landessprache war Schwedisch, offiziell gehörte das Land zum Russischen Kaisserreich. Mit dem erstarkenden Nationalbewusstsein setzte nun aber auch der Kampf um die Kunst ein und um die Frage, wer als Aushängeschild des neuen modernen Finnlands gelten durfte.
Die Anwärter zeigten ihre Waffen: Im "Helsingfors Dagblad" hieß es pauschal über die teilnehmenden Künstlerinnen, sie würden die Malerei als Freizeitvergnügen ausüben, sie sei zum "Frauenhobby" verkommen. "Schönheit", hieß es in der wütenden Kritik, sei in den Augen dieser Frauen "ein Fehler, den man sorgfältig vermeiden muss". Im Zentrum des Spotts standen Helene Schjerfbeck und Helena Westermarck. Beide waren eng befreundet und zusammen nach Frankreich gereist. Westermarck, die sich politisch für die Rechte der Frauen engagierte, hatte ein Bild mit dem Titel "Die Büglerinnen - eine wichtige Frage" eingereicht. Schjerfbeck zeigte "Ein Junge füttert seine kleine Schwester". In beiden Fällen waren Menschen aus der Arbeiterschicht dargestellt, noch dazu in einem schmucklosen Stil, der an Vorbilder wie Cézanne oder Degas geschult war. "Hässlich", schreibt Beuys, war in den Kritiken dieses Jahres der am häufigsten für Schjerfbecks Bilder gebrauchte Begriff. Die Wunderkindgeschichte erhielt den ersten großen Knacks.
Die Leistung von Beuys' Biographie besteht darin, dass sie im Folgenden so genau wie möglich zu klären versucht, wie Schjerfbeck die Anfeindungen und Rückschläge meisterte. Auch privat muss die Malerin vieles verschmerzen: Der geliebte Vater war früh an Tuberkulose gestorben, ihr englischer Verlobter verließ sie, weil er glaubte, ihr Humpeln sei ebenfalls auf diese Infektionskrankheit zurückzuführen. Schjerfbeck blieb unverheiratet und lebte mit ihrer Mutter zusammen, die mit dem Künstlerdasein ihrer Tochter wenig anfing und sie vor allem zur Hausarbeit verpflichten wollte. Die Künstlerin, die sich als Teenager traute, Historienbilder wie den "Verwundeten Soldaten" zu malen, obwohl das Genre als Männerdomäne galt, verlegte sich nach den heftigen Kritiken darauf, zweigleisig zu arbeiten: Einige Bilder zeigte sie öffentlich, andere, die zu sehr mit dem Kunstgeschmack ihrer Zeitgenossen brachen, behielt sie für sich. Das Gemälde "Die Tür", das sie 1884 in der Bretagne, in Pont-Aven, gemalt hatte, stellte sie erst Jahrzehnte später aus. Das Bild war eine Hommage an das Licht Frankreichs und die Farben Weiß und Schwarz. Nichts, was die Kritiker einer Frau hätten durchgehen lassen.
Allerdings: Ihr langes Leben - sie starb 1946 im Alter von 83 Jahren - brachte noch eine dritte Wendung. 1913 klopfte überraschend der Journalist und Kunsthändler Gösta Stenman an ihre Tür, ein Bewunderer ihres Werks. Stenman, der zum erfolgreichsten Kunsthändler Finnlands aufsteigen sollte, verehrte die Künstlerin so intensiv wie der Galerist Kahnweiler Pablo Picasso. Er sorgte dafür, dass ihre Gemälde in großen Privat- und Museumssammlungen landeten.
In den vergangenen Jahren wurde Schjerfbecks Geschichte vor allem hierzulande weitergeschrieben: Die Schirn Kunsthalle Frankfurt zeigte eine Ausstellung der späten Werke, das Städel Museum kaufte kürzlich "Mädchen mit blondem Haar" von 1916 (F.A.Z. vom 1. Februar). Mit Beuys' Publikation liegt nun die erste umfassende Biographie zur Künstlerin vor, detailreich recherchiert und packend geschrieben. Man wünscht dem Buch viele Übersetzungen.
JULIA VOSS.
Barbara Beuys: "Helene Schjerfbeck". Die Malerin aus Finnland.
Insel Verlag, Berlin 2016. 464 S., Abb., geb., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main