Voltaire und andere oft miteinander kombiniert haben.
Tatsächlich ist religiöser Fanatismus gewaltbereit. Das steht heute jedem vor Augen, den aktuelle Tagesnachrichten erreichen. "Der Krieg, den wir führen, ist ein geistlicher Krieg. Satan will unser Volk vernichten. Er will uns als christliche Armee vernichten." Das ließ ein amerikanischer Generalleutnant in der Zeit der Regierung von Präsident George W. Bush verlauten. Der General forderte die Kirchengemeinde, die ihm zuhörte, auf, für die Vereinigten Staaten zu kämpfen - durch Umkehr, Gebet und Glauben an Gott. Der Krieg, um den es damals, in den Jahren 2002 und 2003, ging, war ein wirklicher, mit Waffen geführter Krieg, ausgelöst durch die Zerstörung der Twin Towers in New York im September 2001.
Doch zählt der amerikanische General zu den fanatisierten Schwachköpfen, von denen Voltaire spricht? Die von ihm beschworene Idee eines doppelten, mit geistlichen und zugleich mit physischen Waffen geführten Krieges hat eine lange Geschichte. Nach dem Epheserbrief des Neuen Testaments soll der Gläubige die geistliche Rüstung anlegen und einen Kampf gegen jene finsteren Mächte führen, die nicht von "Fleisch und Blut" sind. Der rein spirituelle Kampf wird aber schon in der Alten Kirche nicht mehr vertreten; er muss nämlich mit einem handfesten Kampf einhergehen - zum Beispiel gegen Häretiker und andere Feinde des Glaubens.
Bald stand der äußere Kampf so im Vordergrund, dass ein Theologe wie Haymo von Auxerre im neunten Jahrhundert an den geistlichen Krieg erinnern musste. Für den französischen Kleriker wird der durch Beten, Fasten und Leisten guter Werke erlangte Sieg über die Dämonen auch den Sieg über feindliche Menschen nach sich ziehen. Ist Satan, der Anführer des Bösen, besiegt, dann kann der Sieg über die führerlose Armee der Bosheit nicht ausbleiben.
Die Idee des doppelten Kampfes gehört zur Propaganda für die Kreuzzüge, ist aber zugleich tief in der Spiritualität der Kreuzritter und ihrer theologischen Mentoren selbst verwurzelt. Die Idee des doppelten Kampfes prägt das Kriegshandeln. Der erste Kreuzzug (1096 bis 1099) - nur über diesen schreibt Buc - lässt sich nicht auf den Wunsch junger Ritter zurückführen, die Landbesitz suchten, eine Idee, die von Historikern gelegentlich geäußert und von Jonathan Riley-Smith bereits 1986 erfolgreich widerlegt worden ist.
Um die wahren Gründe zu verstehen, muss sich der Historiker mit der Geschichte der Bibelauslegung beschäftigen. Die Bibel und ihre Ausleger haben ein geistiges Repertoire geschaffen, das in Sachen Krieg besonders komplex und vielfältig ist. Die Berufung des Gläubigen zum christlichen Krieger ließ viele Deutungen zu. Der miles Christi kann sich berufen fühlen, gegen die eigene Neigung zum Laster zu kämpfen. Oder er kann den Kampf gegen Häretiker aufnehmen. Oder er kann sich auf den Weg machen und den irrgläubigen Muslimen in doppelter - geistlicher und kriegerischer - Strategie die Herrschaft über das Heilige Land entreißen. Oder, im zwanzigsten Jahrhundert, kann er sich dem extremen, waffentragenden Flügel der lateinamerikanischen Befreiungstheologie anschließen; man denke an den kolumbianischen Priester Camilo Torres.
Nach Buc ist gewaltsames Handeln in Krieg und Terrorismus, und das Denken darüber, bis heute von kulturellen Mustern antiker und mittelalterlicher Herkunft geprägt. Das nachzuweisen ist ihm zweifellos gelungen. Die in Bucs Buch versteckte Pointe scheint zu lauten: Die vom Verfasser aufgedeckten religiösen Kräfte, die aggressives Handeln unterstützen, sind als Wahn zu brandmarken.
Als echter Essayist huldigt Buc dem Dämon Apropos. Bei jedem Namen und fast jedem Stichwort fallen ihm zehn weitere Namen und zehn weitere Themen ein, und mindestens fünf flicht er in seine Texte ein. Das ist manchmal erhellend, selten elegant und bisweilen ermüdend. Philippe Buc hat ein anregendes, doch nicht gerade leicht lesbares Buch über Themen geschrieben, an denen Voltaire seine Freude gehabt hätte.
BERNHARD LANG
Philippe Buc: "Heiliger Krieg". Gewalt im Namen des Christentums.
Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt. Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2015. 432 S., geb., 39,95 [Euro].
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