Peter Höher mit ihrem "Handbuch Führungspraxis Kirche" nach der letzten Mode ganz schick eingerichtet.
Die Autoren wenden nämlich das von der Ökonomie entwickelte Leitbild des "Change management", das sich am Konzept einer lernenden Organisation ausrichtet, auf die Führungsverantwortlichen in der Kirche an. Das aber sind die Pfarrer und Pfarrerinnen. Für sie sollen, wie in der Pastoraltheologie alter Schule, "Grundlagen und Handlungswissen" bereitgestellt werden, die darauf zielen, "die Kapazität zur Gestaltung von Zielsetzungen in der Institution Kirche zu entwickeln und die Kapazität dafür zu fördern, neue Bedingungen zu schaffen".
Die Autoren sparen nicht an detaillierten Ratschlägen für professionelles Verhalten. Es geht um das "Mitarbeitergespräch" ebenso wie um die Leitung von Sitzungen, um "Moderation als Element partizipativer Führung" ebenso wie um Konflikte, die der Pfarrer "aktiv angehen" muss, oder um "Wirksame Präsentation": "Ein schlechtes und schlecht sichtbares Hilfsmittel ist schlimmer als gar keines." Wie wahr. Wer Verhalten und Handeln der Verantwortlichen in der Organisation Kirche wahrnimmt, weiß, wie notwendig ein solcher pastoraler Ratgeber ist. Mangelnde Kommunikation zwischen Kollegen, düpierte Ehrenamtliche, eine wuchernde, ineffektive Gremienkultur, die unselige Tendenz, Rechtsfragen etwa in der Mitarbeiterführung gesinnungsethisch zu unterlaufen - all das und anderes verlangt nach einer professionellen Ausübung des Pfarramtes, die auch Führungsfragen ernst nimmt.
Mit welcher Verbissenheit die Verfasser allerdings die Rumpelkammer der Pastoraltheologie mit "Leistungsfähigkeit nach der Reha-Kurve" ("weniger gesättigte Fette, mehr ballaststoffhaltige Kost"), mit "Vierfeldertechnik" und "Medienwahl: Folien, Flipchart oder Infoposter" ausstatten, das hat etwas ästhetisch Unbekömmliches und theoretisch Leichtfertiges. Denn da wird nicht nur, bei der Erörterung des "Zeitmanagements", mit Wendungen wie "Zeit als Subjekt" unbekümmert philosophischer Quatsch produziert. Da werden auch ungeniert praktische Ratschläge gegeben, deren Befolgung die Erosion einer verlässlichen pfarramtlichen Praxis nach sich ziehen dürfte: "Um den Umgang mit Besuchern besser zu steuern, könnten Sie Sprechstunden einführen." Und der ideologische Wunschtraum von einer herrschaftsfreien Kirche mit einem "gleichberechtigten Miteinander von Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen" wird auch dadurch nicht plausibler, dass er ständig wiederholt wird. Zur sichtbaren Kirche gehört auch, dass es asymmetrische Verhältnisse gibt, die rechtlich geregelt sind.
Die evangelischen Kirchen sehen sich erst seit 1919, dem Ende des monarchischen Episkopates und der Staatskirche, vor die Aufgabe gestellt, sich als Teilsystem in einer ausdifferenzierten Gesellschaft nach eigenen Regeln selbst zu steuern. Das erklärt ihre in diesem Jahrhundert offensichtlichen, eminenten Ideologieanfälligkeiten. Nach den von der Studentenrevolte politisch inspirierten Humanwissenschaften halten jetzt also, forciert durch Sparzwänge und Strukturreformen, Managementmethoden auf verschiedenen Ebenen Einzug in das kirchliche Handlungswissen. Fragt sich nur, ob die theologischen Grundlagen und Kriterien hinreichend entwickelt sind, um die Rezeption solcher Theoreme auch kritisch zu leiten. Dass "Gottes Führung" "kommunikativ, dialogisch, partnerschaftlich" geschieht, wie es im Vorwort heißt, dürfte kein hinreichender Ansatz an - Gott kann ja, wie die Erfahrung lehrt, auch anders.
Vielleicht sind aber die Managementmethoden insgesamt für die Führung eines Pfarramtes weniger erheblich, als die Verfasser glauben machen möchten. Oder wie heißt ihr eigener doppelbödiger Ratschlag? "Vermeiden Sie umfeldbedingte Störungen oder grenzen Sie sie ein. Dies wird zwar nie vollständig gelingen, aber mit entsprechender Zielsetzung und Unterstützung können Sie sich Entlastung verschaffen." Eben, dann lieber doch ein paar Seiten Achelis.
HENNIG ZIEBRITZKI.
Friederike und Peter Höher: "Handbuch Führungspraxis Kirche". Entwickeln, Führen, Modernisieren in zukunftsorientierten Gemeinden. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1999. 208 S., geb., 44,- DM.
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