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Ghosh, Amitav
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Ghosh, Amitav
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In den Sundarbans, einem Mangrovenwaldgebiet im Mündungsdelta des Ganges, regelmäßig überschwemmt von einer gierigen Flut, gründete ein reicher Schotte einst eine utopische Gesellschaft, offen für alle Rassen und Religionen. Im Jahre 2001 nun stößt eine Gruppe Wissenschaftler auf die Spuren der Nachkommen ...
Amitav Ghosh, wurde 1956 in Kalkutta geboren und studierte Geschichte und Sozialanthropologie in Neu-Delhi. Nach seiner Promotion in Oxford unterrichtete er an verschiedenen Universitäten Indiens und Amerikas. Ghosh lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in New York, verbringt jedoch jedes Jahr mehrere Monate in Indien.
Produktdetails
- Verlag: HarperCollins UK
- Seitenzahl: 402
- Englisch
- Abmessung: 235mm
- Gewicht: 534g
- ISBN-13: 9780007179879
- ISBN-10: 0007179871
- Artikelnr.: 12493971
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Das ist die Liebe der Delphine
Amitav Ghosh bereist in seinem neuen Roman das Ganges-Delta
Amitav Ghosh ist ein Phänomen unter den indischen Schriftstellern, die in englischer Sprache schreiben. In Kalkutta geboren, hat er seine Jugend in mehreren Ländern verbracht, hat anthropologische Feldstudien in Ägypten betrieben und wohnt seit vielen Jahren in New York, wo er auch Anthropologie gelehrt hat. Dennoch ist sein Kompaß auf seine Geburtsstadt Kalkutta geeicht, wie er kürzlich bekannte: "Ein Punkt ist in Kalkutta festgemacht, und der andere bewegt sich um die ganze Welt." Schreibend finde er "irgendwie" immer nach Kalkutta zurück. Schon sein erster Roman, "Bengalisches Feuer oder Die Macht der Vernunft" (1989),
Amitav Ghosh bereist in seinem neuen Roman das Ganges-Delta
Amitav Ghosh ist ein Phänomen unter den indischen Schriftstellern, die in englischer Sprache schreiben. In Kalkutta geboren, hat er seine Jugend in mehreren Ländern verbracht, hat anthropologische Feldstudien in Ägypten betrieben und wohnt seit vielen Jahren in New York, wo er auch Anthropologie gelehrt hat. Dennoch ist sein Kompaß auf seine Geburtsstadt Kalkutta geeicht, wie er kürzlich bekannte: "Ein Punkt ist in Kalkutta festgemacht, und der andere bewegt sich um die ganze Welt." Schreibend finde er "irgendwie" immer nach Kalkutta zurück. Schon sein erster Roman, "Bengalisches Feuer oder Die Macht der Vernunft" (1989),
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lebt vom Milieu dieser Stadt, ebenso wie "Schattenlinien" und "Das Calcutta Chromosom". Im Interview gibt er eine andere, scheinbar widersprüchliche Eigenart zu: "Ich glaube, ich bin einer der sehr wenigen Autoren, die über das nichtstädtische Indien schreiben." Die Bewegung seiner Romane geht nämlich meist von Kalkutta hinaus aufs Land.
Entsprechend beginnt "Hunger der Gezeiten" in Kalkutta, und dann wandert die Handlung südlich zu den Dörfern der Sundarbans, ins Mündungsdelta des Ganges. Kaum hundert Kilometer südlich der lauten, übervölkerten Großstadt Kalkutta beginnt dieses dünnbesiedelte, von Mangrovenwäldern überwachsene Gebiet, das von breiten und schmalen Flüssen in zahllose Inseln zergliedert wird und darum fast unzugänglich ist. Geschickt wählt Ghosh als Identifikationsfiguren keine analphabetischen Dörfler, sondern eine amerikanische Studentin indischer Abstammung, Piya Roy, und einen Geschäftsmann aus Delhi.
Die Meeresbiologin Piya fährt in die Sundarbans, um das Leben der Delphine zu erforschen. Kanai Dutt, der Geschäftsmann, besucht nach vielen Jahren seine Tante auf einer der Inseln. Diese energische Frau hatte mit ihrem Mann Nirmal früh Kalkutta verlassen und auf der Insel ein Krankenhaus gegründet, während Nirmal in einer Schule unterrichtete. Als Nirmal starb, hinterließ er ein Notizheft mit Aufzeichnungen, addressiert an Kanai. Nun nimmt dieser das Bündel in Empfang.
Das ist die Ausgangssituation. Was folgt, ist die Geschichte von Piyas Forschungsreise auf einem Schiff in den Sundarbans im filmisch-scharfen Szenenwechsel mit Kanais Lebensgeschichte. Es bedarf der ganzen handwerklichen Meisterschaft Amitav Ghoshs, um diese beiden disparaten Erzählstränge plausibel und fesselnd miteinander zu verflechten. In seine Erzählung verwoben sind Einzelheiten über das Leben der Delphine, über Flora und Fauna der Sundarbans und das Leben seiner Bewohner, nicht zuletzt über Bon Bibi, deren machtvolle Schutzgöttin. Einige Kapitel sind von Fakten so reportagehaft überfüllt, daß die Erzählung auseinanderzubrechen droht. Amitav Ghosh ist dafür bekannt, sorgfältig recherchierte wissenschaftliche Zusammenhänge romanhaft aufzubereiten, so wie er im "Calcutta Chromosom" die Entdeckung des Malaria-Erregers in eine verzwickte Kriminalgeschichte eingebunden hatte.
In der zweiten Hälfte des Buches vereinen sich die beiden Erzählstränge. Kanai, der um Piya wirbt, bietet sich als Dolmetscher auf ihrer zweiten Forschungsreise an. Nun begleitet der Lebensbericht des Onkels, den Kanai unterwegs liest, die dramatischen Ereignisse. Die Reise kulminiert in einer Begegnung mit einem der im ganzen Delta gefürchteten Tiger und in einem vernichtenden Wirbelsturm. Nirmals Lebensbericht arbeitet die Geschichte der Sundarbans auf, er beschreibt die Besiedlung und Kultivierung der Gegend am Lebensschicksal einiger Familien. Als geheime Hauptfigur des Romans entpuppt sich der ungebildete Fischer Fokir. Begabt mit einer geheimnisvollen Kommunikationsfähigkeit und Intuition, ohnmächtig verliebt in Piya, bewegt sich Fokir wortlos durch die so wortgewaltigen Kapitel. Um Piya vor dem Sturm zu retten, stirbt er einen Liebestod. Dieses Unglück verleiht dem Roman gen Ende eine melodramatische Grundstimmung, die selbst der überflüssige Epilog, welcher der Tragik ein künstliches Happy-End aufsetzt, nicht zerstören kann.
Die Kritik in Indien feierte den Roman überschwenglich. Amitav Ghosh ist ihr der liebste unter den an Amerika verlorenen literarischen Söhnen. Man lobte das "bengalische Aroma" des Werks, verursacht durch die reichlich eingestreuten bengalischen Worte und Sätze, die in einem Glossar erläutert werden, und den Rhythmus der Dialoge. Ghoshs elegant-flüssige, dramaturgisch geschickte Prosa kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß dem Werk die Tiefe bedeutender Literatur fehlt. Bei aller faktischen Kompetenz spürt man, daß Ghosh die Sundarbans lediglich studienhalber bereist hat. Indische Schriftsteller können stets die mythische Dimension einbringen, die im indischen Leben bis heute spürbar ist. Diesen Vorteil nutzt Ghosh nicht, sondern bleibt ein im westlichen Sinn realistischer und auch lesenwerter Schriftsteller.
Für deutsche Leser hält "Hunger der Gezeiten" noch ein Schmankerl bereit. Nirmal ist ein glühender Verehrer Rainer Maria Rilkes und hat seinen Aufzeichnungen immer wieder Zeilen aus den "Duineser Elegien" als Fazit beigegeben. Rilke wird im Buch stets nur "der Dichter" genannt - eine Ehrbezeichnung, die in Bengalen sonst ausschließlich dem Nationaldichter Rabindranath Tagore vorbehalten ist.
MARTIN KÄMPCHEN
Amitav Ghosh: "Hunger der Gezeiten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Heller. Blessing Verlag, München 2004. 448 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Entsprechend beginnt "Hunger der Gezeiten" in Kalkutta, und dann wandert die Handlung südlich zu den Dörfern der Sundarbans, ins Mündungsdelta des Ganges. Kaum hundert Kilometer südlich der lauten, übervölkerten Großstadt Kalkutta beginnt dieses dünnbesiedelte, von Mangrovenwäldern überwachsene Gebiet, das von breiten und schmalen Flüssen in zahllose Inseln zergliedert wird und darum fast unzugänglich ist. Geschickt wählt Ghosh als Identifikationsfiguren keine analphabetischen Dörfler, sondern eine amerikanische Studentin indischer Abstammung, Piya Roy, und einen Geschäftsmann aus Delhi.
Die Meeresbiologin Piya fährt in die Sundarbans, um das Leben der Delphine zu erforschen. Kanai Dutt, der Geschäftsmann, besucht nach vielen Jahren seine Tante auf einer der Inseln. Diese energische Frau hatte mit ihrem Mann Nirmal früh Kalkutta verlassen und auf der Insel ein Krankenhaus gegründet, während Nirmal in einer Schule unterrichtete. Als Nirmal starb, hinterließ er ein Notizheft mit Aufzeichnungen, addressiert an Kanai. Nun nimmt dieser das Bündel in Empfang.
Das ist die Ausgangssituation. Was folgt, ist die Geschichte von Piyas Forschungsreise auf einem Schiff in den Sundarbans im filmisch-scharfen Szenenwechsel mit Kanais Lebensgeschichte. Es bedarf der ganzen handwerklichen Meisterschaft Amitav Ghoshs, um diese beiden disparaten Erzählstränge plausibel und fesselnd miteinander zu verflechten. In seine Erzählung verwoben sind Einzelheiten über das Leben der Delphine, über Flora und Fauna der Sundarbans und das Leben seiner Bewohner, nicht zuletzt über Bon Bibi, deren machtvolle Schutzgöttin. Einige Kapitel sind von Fakten so reportagehaft überfüllt, daß die Erzählung auseinanderzubrechen droht. Amitav Ghosh ist dafür bekannt, sorgfältig recherchierte wissenschaftliche Zusammenhänge romanhaft aufzubereiten, so wie er im "Calcutta Chromosom" die Entdeckung des Malaria-Erregers in eine verzwickte Kriminalgeschichte eingebunden hatte.
In der zweiten Hälfte des Buches vereinen sich die beiden Erzählstränge. Kanai, der um Piya wirbt, bietet sich als Dolmetscher auf ihrer zweiten Forschungsreise an. Nun begleitet der Lebensbericht des Onkels, den Kanai unterwegs liest, die dramatischen Ereignisse. Die Reise kulminiert in einer Begegnung mit einem der im ganzen Delta gefürchteten Tiger und in einem vernichtenden Wirbelsturm. Nirmals Lebensbericht arbeitet die Geschichte der Sundarbans auf, er beschreibt die Besiedlung und Kultivierung der Gegend am Lebensschicksal einiger Familien. Als geheime Hauptfigur des Romans entpuppt sich der ungebildete Fischer Fokir. Begabt mit einer geheimnisvollen Kommunikationsfähigkeit und Intuition, ohnmächtig verliebt in Piya, bewegt sich Fokir wortlos durch die so wortgewaltigen Kapitel. Um Piya vor dem Sturm zu retten, stirbt er einen Liebestod. Dieses Unglück verleiht dem Roman gen Ende eine melodramatische Grundstimmung, die selbst der überflüssige Epilog, welcher der Tragik ein künstliches Happy-End aufsetzt, nicht zerstören kann.
Die Kritik in Indien feierte den Roman überschwenglich. Amitav Ghosh ist ihr der liebste unter den an Amerika verlorenen literarischen Söhnen. Man lobte das "bengalische Aroma" des Werks, verursacht durch die reichlich eingestreuten bengalischen Worte und Sätze, die in einem Glossar erläutert werden, und den Rhythmus der Dialoge. Ghoshs elegant-flüssige, dramaturgisch geschickte Prosa kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß dem Werk die Tiefe bedeutender Literatur fehlt. Bei aller faktischen Kompetenz spürt man, daß Ghosh die Sundarbans lediglich studienhalber bereist hat. Indische Schriftsteller können stets die mythische Dimension einbringen, die im indischen Leben bis heute spürbar ist. Diesen Vorteil nutzt Ghosh nicht, sondern bleibt ein im westlichen Sinn realistischer und auch lesenwerter Schriftsteller.
Für deutsche Leser hält "Hunger der Gezeiten" noch ein Schmankerl bereit. Nirmal ist ein glühender Verehrer Rainer Maria Rilkes und hat seinen Aufzeichnungen immer wieder Zeilen aus den "Duineser Elegien" als Fazit beigegeben. Rilke wird im Buch stets nur "der Dichter" genannt - eine Ehrbezeichnung, die in Bengalen sonst ausschließlich dem Nationaldichter Rabindranath Tagore vorbehalten ist.
MARTIN KÄMPCHEN
Amitav Ghosh: "Hunger der Gezeiten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Heller. Blessing Verlag, München 2004. 448 S., geb., 22,- [Euro].
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