empirische Forschungen in freier Männerwildbahn betreiben: "Also alle Kraftsportler duzen einander? ... Ist das eine Art Ständeritual?" Um peinlichen Fragen auszuweichen, gibt sich Oskar als Kranführer aus und schockiert mit bewußt plumper Anmache. Als er sie zum Essen überreden kann, findet er Gefallen an der Rolle des feinfühligen Proletariers: "Noch am gleichen Nachmittag nahm er sie mit zu sich nach Hause. Sie war betrunken, aber auch wieder nicht so sehr, daß sie in Oskars Arbeitszimmer nicht verstanden hätte, daß sie sich nicht in der Wohnung eines Kranfahrers befand."
Der Prager Autor Michal Viewegh, Jahrgang 1962, nennt sein neues Buch wieder Roman, obwohl es eigentlich eine Sammlung von Kurzgeschichten mit der gleichen Hauptfigur ist. Die ersten Oskar-Stories stammen noch aus den achtziger Jahren; Viewegh griff erneut zur Maske dieses Alter ego, um von Lust und Last des Singledaseins zu erzählen - von der Frage, welches der "Mädels" am Freitag abend zuerst anzurufen ist, von der Qual, sich unerwartet heftig in die Frau des besten Freundes zu verlieben, oder dem proustschen Problem, plötzlich vom Geruch einer Tütenchinasuppe unwillkürlich an die Exfrau erinnert zu werden. Viewegh zitiert Lewis Nordan: "Natürlich sind die Begebenheiten nicht wahr, aber sie gehören schon so lange zu meinem Leben, daß sie über mich gewissermaßen weit mehr aussagen als das meiste von dem, was wirklich passiert ist." Bruchstücke einer großen Konfusion also, die man modernes Leben nennt.
Das klingt manchmal nach Milan Kundera, manchmal nach Woody Allen oder Tschechow - oder auch John Updike, der seine Stories um das Ehepaar Maples später in einem Band zusammenfaßte. Wo bei einem Maxim Biller Schmerz, Tragik und auch beißender Spott dominieren, rückt Viewegh seine Beziehungsdramolette mit flapsig-derber Komik in selbstironische Distanz - so wenn eine Kneipenrunde die Frage umtreibt, was einen denn mit fünfzig allein noch erregen wird, wenn schon mit 35 die sexuelle Vorstellungskraft nur noch Perversionen hervorbringt. Ein solches Schutzschild verlangt die Schonungslosigkeit, mit der hier maskuliner Selbstbetrug und intellektuelle Eitelkeit vorgeführt werden, etwa wenn in "Hunde und Katzen" der geballte Schwachsinn einer Unterhaltung mit Animierdamen protokolliert wird oder Oskar mit wachsender Lächerlichkeit ein für ihn trotz seiner Künstleraura unerreichbares Mädchen herumzukriegen versucht ("Zwei Könige"). Überhaupt sind die schönsten Liebesgeschichten hier die, die unerfüllt bleiben, so die wunderbare Romanze des Prager Routiniers mit der naiven, aber liebenswerten Dorfschönheit Maruska. Bei Viewegh ist also viel über Sex zu lernen. Vor allem dies: Es läuft immer darauf hinaus, aber es geht niemals darum.
Michal Viewegh: "Geschichten über Sex und Ehe". Roman. Aus dem Tschechischen übersetzt von Johanna Posset. Deuticke Verlag, Wien 2004. 256 S., geb., 19,90 [Euro].
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