sich im späteren Werk entfaltet: Kolbes Psychologie kennt die Haltungen der feierlichen Erwartung, der Bereitschaft, der Wachsamkeit, des Entsetzens, des Zögerns und vor allem die der Fernsicht. Musikalität war von hier aus die eine Konsequenz, die andere war die Mobilmachung.
Daß Kolbe 1914/15 eine Ausbildung als Flugzeugführer durchlief und später die Figur des "Großen Wächters" für die Flak-Abteilung von Lüdenscheid gestaltete, gehört zur Politik solcher Ästhetik. Für Kolbe, der sich die bildhauerische Moderne, vor allem Rodin, im Kontext der Gesichte des "Faust" und des "Zarathustra" angeeignet hatte, waren Figuren attraktiv, denen er zutraute, die Vision des Kommenden in politische Macht zu übersetzen. Ein gewisses Schillern ist dabei nicht zu übersehen: Walther Rathenau und der sozialdemokratische Reichspräsident Friedrich Ebert galten ihm ebensoviel wie der General Franco; eine Büste des Kosmikers und George-Freundes Ludwig Derleth findet sich ebenso wie die des Benjamin-Freundes Fritz Heinle. Unsere Abbildung zeigt einen stehenden Akt; Radierung, um 1928. (Detlev Rosenbach: "Georg Kolbe". Das druckgraphische Werk. Edition Rosenbach Hannover im Gebr. Mann Verlag, Berlin 1997. 174 S., geb., 119 Abb., 135,- DM.) L.J.
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