Nationalsozialismus in Form übernommener Wehrmacht- und Abwehroffiziere sowie Gestapo-, SS- und SD-Angehöriger - nun im Zeichen des Antikommunismus. Zum anderen konzentriert sich die Darstellung auf die "Entwicklung des BND in den sechziger und siebziger Jahren hin zum Global Player im internationalen Geheimdienstgeschäft". Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Begründung "schmutziger und bedenkenloser Waffengeschäfte" in Krisengebieten (Nahost, Afrika, Lateinamerika), wobei die konkreten Skandale dann zum großen Teil doch ein wenig mager ausfallen. Insgesamt werden unzählige Einzelheiten und Geschichten über Seil- und Machenschaften, über Personen und Affären ausgebreitet, die Willy Brandt in anderem und doch ähnlichem Zusammenhang als "klebrig" bezeichnete.
Flott geschrieben ist das alles und spannend zu lesen. Zu einem Resümee oder übergreifenden Ergebnis führt es jedoch nicht (sieht man von dem kritischen Befund ab, daß der BND bei der Aufklärung der illegalen Proliferation von Material, Technik und Know-how keine gute Figur abgibt). Auch die selbstgestellte Leitfrage, ob der BND ein nachgeordnetes Instrument des Regierungsapparats blieb oder ob er sich als Akteur verselbständigte, wird letztlich nicht bündig beantwortet. Den Anspruch einer "umfassenden Gesamtdarstellung der Geschichte des deutschen Auslandsgeheimdienstes" im "Kontext der politischen Geschichte der Bundesrepublik" löst das Buch somit nicht ein. Es ist auch mit dem Forschungsstand dieses Kontextes nicht wirklich vertraut, sondern greift punktuell auf einzelne wissenschaftliche Werke zurück. Ansonsten beruht es auf journalistischen und publizistischen Zeugnissen. Die unbekannten, unpublizierten Quellen hingegen sind weitgehend nicht verifizierbar, die Belege unbrauchbar: Ein "BND-Vermerk, 25. 4. 1968" in der Anmerkung 836 ohne jede weitere Angabe ist zum Beispiel ebenso unauffindbar wie die dutzendfach zitierten Vermerke des BND-Vizepräsidenten Dieter Blötz aus den siebziger Jahren.
Und dies wohl nicht ohne Grund: Die an das Bundesarchiv in Koblenz abzugebenden Akten des BND sind noch nicht freigegeben. Ein dünner Satz über "Dokumente und Unterlagen, deren Herkunft zweifelsfrei überprüft werden konnte", deutet vielmehr auf die journalistische Praxis des "Kofferarchivs" inoffiziell akquirierter, selektiver und folglich nicht verifizierbarer Akten hin; mit der Konsequenz, daß das Buch viel Richtiges enthalten mag - leider weiß man nur nicht, was. Abhelfen läßt sich dem nur durch gesichertes Aktenwissen. Dazu aber bedarf es einer möglichst umfassenden Offenlegung und Übergabe der Akten an das Bundesarchiv, zumal vor dem Hintergrund des erheblichen innerdeutschen Ungleichgewichts: Während nämlich die Geheimdienstakten der DDR zugänglich sind, liegen diejenigen der Bundesrepublik hinter den Mauern von Klassifizierungen, die die üblichen Dreißig-Jahres-Fristen bislang auch noch unbegrenzt verlängern.
Der bürgergesellschaftliche Anspruch auf freiheitlichen Umgang mit Vergangenheit bedeutet auch freien Zugang zu den Geschichtsquellen des Gemeinwesens (im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, der aller Erfahrung nach genügend groß ist). Dies im allgemeinen und eine solide, nachprüfbare Geschichte der Geheimdienste im besonderen liegen im öffentlichen Interesse.
Peter F. Müller, Michael Mueller: Gegen Freund und Feind. Der BND: Geheime Politik und schmutzige Geschäfte. Rowohlt Verlag, Reinbek 2002. 719 Seiten, 24,90 [Euro].
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