"Bild"-Zeitung ballt der Torhüter groß die Faust, während Ronaldo klein erscheint; bei der im Sportverlag Berlin erschienenen Hardcover-Hommage auf Kahn faßt er sich an die Nase. Auf dem im gleichen Verlag flink veröffentlichten allgemeinen WM-Buch hingegen sind viele Akteure vor blauem Hintergrund zu sehen - das Bildchen von Torschützenkönig Ronaldo mit der WM-Trophäe ist dabei kleiner als jenes von ZDF-Sportchef Poschmann mit Mikrofon. Die Herausgeber der druckfrischen WM-Bildbände mit Begleittexten werden genauso wichtig genommen wie der Anlaß selbst.
Ob Poschmann und sein ZDF-Team, die "Bild"-Journalisten oder die "Kicker"-Redaktion für Copress - alle vier Jahre wieder fokussieren sich die Herausgeber von WM-Büchern auf dasselbe Motto: Bilder, Bilder, Bilder, und immer an die Leser denken. Aber was erwartet der Käufer, der vielleicht sogar ein Leser ist, von diesen Werken? Ein buntes Allerlei von vielen Fotos und weniger Texten? Oder illustrierte Informationen, die er von Zeit zu Zeit immer mal wieder nachschlagen kann? Die jüngst im Eiltempo erschienenen Bücher gehen verschiedene Wege.
Vermeintlich flott bis furchtbar flapsig kommt das im HL-Verlag erschienene Werk daher. Knappe Zusammenfassungen, das Allernötigste an Zahlen, oft blasse Bilder, die auch durch zwangspointierte Unterzeilen wie "Eckenbauer" und "Flinkfuß" oder Überschriften wie "fix & figo" nicht gerade an Qualität gewinnen. Überhaupt tat sich die Redaktion schwer mit der deutschen Hochsprache und der Metaphorik. Formulierungen wie "Ein Land flippte aus" oder "Gespielt wie im Urlaub, ein bißchen Holzschuhfußball" muß man in Kauf nehmen, wenn man das preisgünstigste aller WM-Bücher erstehen will.
Während das Bilderbuch der "Bild"-Zeitung vor allem auf Texte zurückgreift, die während der WM schon in dem Boulevardblatt standen, bietet in bewährter Manier des "Kicker" hingegen das Copress-Buch alles, was viele Fußballfreunde anspricht: zu jedem WM-Spiel ein kurzer Bericht von Fachredakteuren, dazu reichlich Statistik, bei Begegnungen mit deutscher Beteiligung auch Stimmen von Beteiligten und Medien, außerdem Aufstellungen der besten Spieler. Holzschuh regiert auch hier, hat doch der Chefredakteur des "Kicker" zu jeder WM-Runde einen Kommentar verfaßt. Was will man mehr? Vielleicht die Meinungen von Diplomaten aus den 32 WM-Nationen, die sich im Buch des Sportverlages Berlin über den Fußball in ihrem Land äußern. So hübsch die Idee im Vorfeld gewesen sein mag, so unzeitgemäß lesen sich ihre Äußerungen mittlerweile. "Inzwischen werden wohl nur noch Ignoranten behaupten, Afrikas Fußball sei schwach", schreibt Paul Badji, Botschafter der Republik Senegal in Deutschland, in seinem Beitrag. Diese Frage ist, nachdem die westafrikanische Elf das Viertelfinale in Asien erreicht hatte, ebenso längst von der Wirklichkeit überholt wie das Loblied vom Botschaftsgesandten Jean-Pierre Laboureix auf die französische Nationalmannschaft, die torlos nach der Vorrunde ausgeschieden war. Mit Themen, Tagebuch und Statistik ist auch dieses Buch sehr gut ausgestattet. Erleichtert nimmt der Leser zudem zur Kenntnis, daß nicht alle Kommentare so rundum sinnfrei sind wie Poschmanns WM-Bilanz: "Fußball war weltumfassend, jetzt ist er global." Vergleichbares gilt auch für alle mit heißer Nadel gestrickten WM-Werke: Früher waren sie bunt, heute sind sie farbig.
THOMAS KLEMM
Besprochene Bücher: Wolf-Dieter Poschmann (Hg.): Fußball-WM 2002, Sportverlag Berlin, 14,95 Euro. - Kicker/Sven Simon (Hg.): Fußball-WM 2002 Japan/Südkorea, Stiebner Verlag, 19,90 Euro. - DSV - Deutscher Sportverlag (Hg.): Fußball-WM 2002, HL-Verlag, 10,20 Euro. - Fußball-WM 2002 (Bild-Buch, 12,95 Euro. - Oliver Kahn. Ein Porträt der Nummer eins, Sportverlag Berlin, 9,95 Euro.
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