Quentin Skinner, damals Königlicher Professor für neuere Geschichte an der Universität Cambridge, die Ford Lectures über das Thema "Freedom, Representation and Revolution, 1603-1651". Die Vorträge zum Problem der Repräsentation hat Skinner als Aufsätze publiziert. In Buchform liegen jetzt die Kapitel über die Freiheit vor - die Freiheit in den Werken des Thomas Hobbes von "The Elements of Law" (1640) über "De cive" (1642) bis zum "Leviathan" (1651).
Gleichzeitig ist eine deutsche Version erschienen, die auf die Adorno-Vorlesungen des Instituts für Sozialforschung und des Suhrkamp Verlages im Jahr 2005 zurückgeht. Was in Oxford im Zusammenhang von Deutungen des englischen Bürgerkrieges stand, stellte Skinner in Frankfurt als Beitrag zur "Theoriebildung in den Humanwissenschaften" zur Diskussion. Die Adorno-Vorlesungen sollen laut Statut den Einfluss Adornos auf diese Theoriebildung fördern. In der Buchfassung kommt Adorno weder explizit noch - diese Feststellung kann man wagen, obwohl Skinner ein Fachmann für versteckte Botschaften ist - implizit vor. Die Vorlesungen sollen allerdings auch keine "philologische Ausdeutung" Adornos bieten. (Nebenbei: Will Suhrkamp sich mit dem Umzug nach Berlin eigentlich auch aus den Fesseln solcher selbstauferlegter Pietätspflichten lösen?)
Toten Denkern ohne philologische Anstrengung Einfluss auf die heutige Theoriebildung zu verschaffen: dafür gäbe Skinner sich nie her. Denn gegen solche Prätentionen richtete sich in den sechziger Jahren die Attacke der Cambridge-Schule der Geschichte des politischen Denkens, als deren Haupt Skinner neben John Pocock gilt. Skinners Adorno-Vorlesungen bieten eine philologische Ausdeutung der Entwicklung des Freiheitsbegriffes von Hobbes nach allen Regeln der Kunst. So ziehen sie zur Interpretation der von Hobbes verwendeten Wörter die Bücher heran, die Hobbes als Hauslehrer der Grafen von Devonshire in der gräflichen Bibliothek zur Hand hatte.
Skinners Verdienst um die Theoriebildung in den Humanwissenschaften, das am Wochenende mit dem an Niklas Luhmann erinnernden Bielefelder Wissenschaftspreis gewürdigt wurde, ist die Betonung des agonalen Kontextes der politischen Philosophie. Was wollte ein politischer Denker sagen? Skinner übersetzte diese Frage in den berühmten Aufsätzen seiner Jugend, die bereits Hobbes als Exempel wählten, mit Austin und Wittgenstein: Was wollte der politische Denker tun? Die Frage nach der Intention führt auf die Frage nach dem Gegner. (Sollte Suhrkamp in Berlin statt Hegel-Vorlesungen - gibt's schon, in Dahlem, natürlich als Hegel Lectures - Schmitt-Vorlesungen stiften wollen, könnten sie Skinner noch einmal einladen.)
Wendet man Skinners Methode auf das Corpus seiner Ford-Adorno-Vorlesungen an, so ist das Frankfurter Ambiente - zwanglos konnten an seine Erläuterungen zu den Paradoxien der Freiheit im "Leviathan", die je nach Perspektive im Staat vollkommen vernichtet oder restlos konserviert wird, Gedanken über den Verhängniszusammenhang der Moderne anschließen - weniger interessant als der Oxforder Kontext. Skinner setzte die Geschichte wieder in ihre Rechte im Reich der politischen Theorie ein: So wird seine Lebensleistung in den Lexika zusammengefasst. In Oxford, so scheint es, nahm Skinner sich das Umgekehrte vor: das klassische Problem der englischen politischen Geschichte durch eine reine Begriffsanalyse zu erhellen.
Wie Hobbes im "Leviathan" zu einer Definition der Freiheit (als Abwesenheit äußerer Hemmnisse) gelangte, die einige Widersprüche seiner früheren Schriften vermied, ist das Thema des Buches. Frappant ist, welche Kontexte nicht vorkommen - selbst wenn man nur nach theoretischen Kontexten fragt. Ist die Unterwerfung unter einen Eroberer, der mir keine Ketten anlegt, also meine Bewegungen nicht mit physischer Gewalt behindert, ein Akt der freien Zustimmung? Hobbes illustriert seine positive Antwort mit einem moralphilosophischen Denkbeispiel aus den Emblembüchern seiner Zeit (der Vorzug der englischen Buchausgabe sind die Abbildungen): Ein Seefahrer, der seine Ladung ins Meer wirft, um einem Seeungeheuer zu entkommen, opfert seinen Besitz willentlich, weil er sein Leben retten will - er wäre frei, sich auffressen zu lassen.
Mit keinem Wort erwähnt Skinner die theologische Schule, die von den Puritanern als Säule des monarchischen Kirchenregiments wahrgenommen wurde und sich durch ihre prädestinationskritische Lehre vom freien Willen definierte: den Arminianismus. Dieses Schweigen ist eine deutliche Stellungnahme im Streit darüber, was für ein Christ Hobbes war. Gegen wen könnte es sich richten, wenn Skinner Freiheit und Revolution in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts erörtert und die Theologie in die Fußnoten verbannt? Der Ford Lecturer des Jahres 1987/88, Conrad Russell, Sohn von Bertrand Russell, hob unter den "Causes of the English Civil War" die Religion hervor. Einen Dissens über die Staatsverfassung wollte Russell dagegen nicht als Ursache des Bürgerkrieges sehen, sondern als dessen Ergebnis.
Skinner gibt den republikanischen Meinungen nun wieder denkbar großes historisches Gewicht: Um der offenkundig damals weithin plausiblen Theorie von der (positiven) Freiheit als Selbstregierung etwas entgegenzusetzen, entwickelte Hobbes seine ungeheuer wirkungsreiche Theorie von der (negativen) Freiheit als Nichtbehinderung.
In der Klarheit der Exposition und der logischen Schärfe reicht Skinner an Hobbes heran. Skinner legt die polemische Intention "unter der täuschend glatten Oberfläche" des "Leviathan" frei. Mit seinem Buch kann man ebenso verfahren. Die Umsicht, mit der es die Argumentation von Hobbes rekonstruiert, soll beweisen, dass James Harrington recht hatte, als er Hobbes vorhielt, er bleibe den Beweis seiner Freiheitstheorie schuldig. Eine Definition ist keine Demonstration.
PATRICK BAHNERS
Quentin Skinner: "Hobbes and Republican Liberty". Cambridge University Press, Cambridge 2008. 246 S., 19 Abb., br., 12,99 brit. Pfund.
Quentin Skinner: "Freiheit und Pflicht". Thomas Hobbes' politische Theorie. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 142 S., br., 15,80 [Euro].
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