Stuck.
Das Leben von ihm und seiner Frau Mary Lindpaintner ist in dem Buch "Franz & Mary. Bei Stvcks zu Hause" in einer Art Comicstrip dargestellt. Er ist von Ulrike Steinke, die auch alle anderen Illustrationen, Zeichnungen und Bilder dafür gemacht hat. Zusammen mit den zeitgenössischen Fotografien und den klugen kurzen Texten ist die Aura des ehrgeizigen "Gesamtkunstwerks" Villa Stvck im Münchner Stadtteil Haidhausen, samt der Ambitioniertheit seiner Bewohner, wunderbar eingefangen. Herausgegeben hat den Band das Museum Villa Stvck, zum fünfzigsten Jubiläum, und der Direktor Michael Buhrs macht sich in seinem Vorwort den Spaß, in handgeschriebenen Versalien des Künstlers Schreib-Marotte - FRANZ VON STVCK - aufzunehmen.
Was "interaktives Mitmachbuch" hier bedeutet, ist schnell herauszufinden. Denn zuerst wird das Haus, eben die Villa Stvck sorgfältig, in Bild und Text, aufgebaut, nicht zuletzt nach den Wünschen der eleganten Mary. Man ahnt, dass da einer mit Größenphantasien unterwegs ist, beflügelt von seiner Ehefrau - ein Säuleneingang, Götterstatuen auf dem Dach und eine herrschaftliche Auffahrt, ein veritabler Palast ist das. Wie es dort innendrin aussah - und ja ein ganzes Stück weit noch aussieht -, ist ebenfalls kennenzulernen. Wobei die Betrachter spielend selbst zu Akteuren gemacht werden, während sie, ganz nebenbei, eine Menge Fakten erfahren.
Zum Beispiel über die wahrlich eindrucksvolle "Reitende Amazone", jene martialische Bronzeplastik einer nackten Frau auf ihrem ungesattelten und ungezäumten Pferd, die gerade ihren Speer wirft. Stuck hat sie 1897 entworfen; heute steht sie vor dem prunkvollen Eingang der Villa Stvck. Dass sie in ihrer Wucht auch falsche Verehrer hatte - Göring stellte sich einst einen weiteren Guss vor sein Anwesen Carinhall -, kann man woanders nachlesen. Jedenfalls war die Kriegerin Stucks erster großer Erfolg als Bildhauer, und - das ist mal eine sinnige Information - "sie wiegt so viel wie ein kleines Auto". Die Aufforderung im Buch: "Gib der Bronze eine Kriegsbemalung" ist eine erste echte Herausforderung, an alle seine Leser. Etwas später gleich zum Ausschneiden und Anmalen ist die Umrisszeichnung des Gorgonenhaupts von der Eingangstür, dessen Maul als Briefschlitz diente.
Ausgesprochenen Witz hat auch hinten im Buch der Ausschneidebogen mit dem Mobiliar, das im repräsentativen Empfangssalon der Villa Stvck stand, der auf einer Doppelseite vorher eindrucksvoll dargestellt und beschrieben wird. Es heißt dort: "Nimm dir ein großes Blatt Papier. Zeichne deinen eigenen Empfangssalon und bestücke ihn mit Möbeln der Villa Stvck." Vielleicht doch lieber nicht? Möchte man einwenden; doch das hieße, das Spiel mit und um Stucks Kunst und Leben zu verderben. Denn der Eklektizismus des Malerfürsten schult durchaus den Blick für die Möglichkeiten - und für die Unmöglichkeiten - stilvollen Einrichtens. Was gerade in unseren Zeiten zwischen Retro-Attitüde und anything goes als ein sanfter Hinweis auf eigenständige Geschmacksbildung gelten darf. Entsprechend steht ein paar Seiten vor Schluss auch etwas zum Thema "Stil-Mix", herrlich bündig erläutert: "Franz fiel es nicht schwer, verschiedene Stile zu kombinieren. Er bediente sich beim Klassizismus, Symbolismus und beim Jugendstil und vermischte ohne Bedenken alle Formen und Ideen. So entstand die besondere Art seiner Malerei - und die gesamte Ausstattung der Villa Stuck wurde zu einem Gesamtkunstwerk." O ja, da besteht jetzt doch einiger Erklärungsbedarf.
Wird allen Anweisungen in diesem Buch voller Überraschungen gefolgt - dann ist es am Ende kaputt. Das macht man nicht mit so schönen Büchern. Oder eben doch! Weil so ein eigenes Werk entsteht. Und genau das ist die großartige Idee dahinter: dass schöpferische Kräfte aufgeweckt werden, die etwas Neues hervorbringen.
ROSE-MARIA GROPP
Ulrike Steinke: "Franz & Mary - Bei Stucks zu Hause".
Sieveking Verlag, München 2018. 80 S., geb., 19,90 [Euro]. Ab 8 J.
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