Mais Bildband über Frankfurt, in dem er 51 Aufnahmen aus den vergangenen zehn Jahren versammelt hat, werden Möglichkeiten und Grenzen der Panoramafotografie sichtbar. Es gelingen atmosphärisch dichte Einblicke, etwa in die nobel-unpersönliche Nomadenstimmung eines Hochhaus-Apartments. Auch die in Rot getauchte Impression aus einem Nachtclub ist suggestiv. Während die Selbstinszenierung des Personals im Anblick der Kamera hier noch zum Sujet paßt, ist sie bei anderen Aufnahmen eine Schwäche. In einer Sachsenhäuser Apfelweinkneipe etwa ist der Mann hinter dem Tresen bemüht, die Anwesenheit der Kamera zu überspielen. Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde flirten dagegen verhalten mit dem Betrachter. Und die Tanzgruppe in einem Theaterstudio legt sich für die Kamera richtig ins Ausdruckszeug. Bei Straßenszenen ist es ein wenig wie in den Anfangstagen der Fotografie: Passanten bleiben stehen und schauen auf die ungewöhnliche Kamera. Eine einheitliche Bildsprache hat Mai nicht entwickelt. Am "natürlichsten" sind die Bilder geraten, die von Hochhausspitzen aus entstanden: Hier fallen Thema und Technik in eins, hier machen sich auch die Verzerrungen nicht so stark bemerkbar. Vorangestellt ist den Bildern ein kleiner Essay von Martin Mosebach, dem Gebildetsten unter den Nichtverächtern von Frankfurt. Mosebach versteht es, den Reiz der Stadt zu vermitteln, indem er über die oft häßlichen Details auf das schöne Ganze blickt. Es entsteht dort, wo die Proportionen der Stadt stimmen, etwa wenn man sie vom Main aus betrachtet.
ale.
"Frankfurt 380 Grad" von Jürgen Mai. Edition Panorama, 2006. 120 Seiten, 51 Farbfotos. Gebunden, 35 Euro. ISBN 3-89823-281-6.
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