Arno Geiger
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- Verlag: Büchergilde Gutenberg
- ISBN-13: 9783763256761
- ISBN-10: 3763256768
- Artikelnr.: 24853447
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Garderobenzuschüsse besänftigen die Ehefrau
Ein Roman zwischen Vergessen und Erinnerung: Arno Geiger erzählt die Geschichte eines familiären Totalverweigerers
Philipp Erlach hat bisher keinen großen Wert auf die Beschäftigung mit der Familiengeschichte gelegt. Durch gewisse "unglückliche Umstände" war er "von den genealogischen Informationstransfers, wie sie zwischen Verwandten üblich oder wenigstens nicht unüblich sind, von früh auf abgeschnitten" worden, und der Gedanke, "daß die Toten uns überdauern", war ihm bis zu dem Tag, an dem seine Großmutter ihm eine Villa bei Wien hinterlassen hatte, vollkommen fremd gewesen.
Beim ersten Gang auf den Dachboden fühlt er sich in seiner zögerlichen Haltung
Ein Roman zwischen Vergessen und Erinnerung: Arno Geiger erzählt die Geschichte eines familiären Totalverweigerers
Philipp Erlach hat bisher keinen großen Wert auf die Beschäftigung mit der Familiengeschichte gelegt. Durch gewisse "unglückliche Umstände" war er "von den genealogischen Informationstransfers, wie sie zwischen Verwandten üblich oder wenigstens nicht unüblich sind, von früh auf abgeschnitten" worden, und der Gedanke, "daß die Toten uns überdauern", war ihm bis zu dem Tag, an dem seine Großmutter ihm eine Villa bei Wien hinterlassen hatte, vollkommen fremd gewesen.
Beim ersten Gang auf den Dachboden fühlt er sich in seiner zögerlichen Haltung
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gegenüber der eigenen Vergangenheit dann auch vollauf bestätigt. Die Kartons, Kisten und Koffer, die sich hier angesammelt haben, sind mit einer dicken Schicht von Taubendreck überzogen, und beim Gedanken an die damit einhergehenden "Parasiten" überfällt Philipp eine geradezu panische Angst davor, sich mit dem Virus der Erinnerung zu infizieren: "Er zog den Kopf sofort wieder zurück, die Tür krachend hinterher, sich mehrmals vergewissernd, daß die Verriegelung fest eingeklinkt war."
Der österreichische Autor Arno Geiger hegt bekanntlich Sympathie für solche instinktiven Abwehrreaktionen. Seit seinem Debüt "Kleine Schule des Karussellfahrens" (1997) hat er immer wieder über Menschen geschrieben, die mehr oder weniger erfolgreich vor sich selbst davonlaufen. Darum darf auch der Held seines vierten Romans "Es geht uns gut" seine "familiäre Unambitioniertheit" mitsamt seiner Abneigung gegenüber der Vergangenheit über weite Strecken aufrechterhalten. Was soll's: Im Grunde genommen wäre Philipp Erlach als mittelmäßig erfolgreicher Schriftsteller zwar die richtige Besetzung für die Rolle des rekonstruierenden Rechercheurs, doch der gerade einmal 35 Jahre alte Erbe scheut nun einmal den "Aufwand an Phantasie, der nötig wäre, sich auszudenken, wie die Dinge gewesen sein könnten".
Also streift er lieber durch die Räume der Villa, nimmt hier und da ein Foto in die Hand, befördert ein Bündel Briefe in den Altpapiercontainer und träumt davon, in dem "ausgeputzten, ausgewaschenen, ausgekratzten" Haus die Fenster aufzureißen. Die Geschichte seiner Eltern und Großeltern muß sich erst einmal gewissermaßen von allein schreiben, und Arno Geiger, der sich inzwischen von dem verspielten Ton seiner ersten Romane fast ganz gelöst hat, erledigt das gewissermaßen hinter Philipps Rücken in Form von ausführlichen Rückblenden mit wechselnden Erzählern: Großvater und Großmutter, Vater und Mutter.
Derzeit boomt das Genre des Familienromans, und im deutschsprachigen Raum führen solche literarischen Unternehmungen in den meisten Fällen zielgerichtet zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Darum ist es erstmal keine große Überraschung, daß auch Arno Geigers "Es geht uns gut" im August 1938 einsetzt, nur wenige Monate nach dem "Anschluß" Österreichs. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht hatte Philipps "christlichsozial gesinnter" Großvater Richard die Auflage bekommen, sich politisch nicht mehr zu betätigen. Er ist kein Held und engagiert sich im weiteren auch nur halbherzig für den offiziell verbotenen niederösterreichischen Bauernbund. Sehr viel mehr beschäftigt Richard in diesen Tagen die Frage, wie er das Verhältnis mit dem Kindermädchen Frieda möglichst elegant beenden kann: "Er würde sie entlassen (jawohl), seiner Frau Alma müßte er im Gegenzug das Haushaltsgeld und die halbjährlichen Garderobenzuschüsse erhöhen."
Nicht alle Probleme lassen sich so einfach mit buchhalterischen Mitteln lösen. In den letzten Kriegstagen fällt Richards gerade vierzehn Jahre alter Sohn im "Volkssturm", und während Alma sich in die Lektüre von Stifter-Romanen vergräbt, stürzt er sich nun in seine Arbeit als Minister in der Regierung Figl und verhandelt Tag und Nacht mit den Abgesandten der UdSSR über die Zukunft Österreichs. Er schläft mit seiner Sekretärin, und in den wenigen Stunden, die er noch zu Hause verbringt, streitet er sich mit seiner Tochter Ingrid, die sich schließlich kurz nach dem Abschluß des Staatsvertrages 1955 aus der Tristesse ihres Elternhauses in die absehbar traurige Ehe mit einem Angestellten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit flüchtet: "Das Leben wird aus Kompromissen bestehen", ahnt sie, "mit den Eltern, mit den Sowjets, mit Peter, mit den Kindern, die sie irgendwann mit Peter haben wird."
Tatsächlich wird es "das große Glück" auch für Ingrid, die Mutter von Philipp, nicht geben. "Die Zeit ist einfach weg", denkt sie 1970 am Silvesterabend, als sie müde von der Arbeit kommt und ihr Mann sich umgehend im Hobbykeller verschanzt: "Was habe ich gemacht? Die letzten sechs Monate? Im letzten Jahr?"
Es geht also um die verlorene Zeit, und damit unterscheidet sich "Es geht uns gut" von vielen anderen, oft bestürzend gut gemeinten Familienromanen aus dem deutsprachigen Raum. Der 1968 geborene Arno Geiger versucht als Angehöriger der Enkelgeneration gerade nicht, die letzten dunklen Familiengeheimnisse bis in die Jahre des nationalsozialistischen Sündenfalls zurückzuverfolgen. Bei ihm verschwindet die Vergangenheit einfach so, auch ohne historisch motivierte Verdrängungsleistung, im Nichts: Über Ingrids Ehejahre hat sich der Grauschleier des Alltags gelegt, ihre Mutter verbietet sich mit der Disziplin einer Beamtengattin jeden Gedanken an die Affären ihres Mannes Richard - und daß dieser vor dem Zweiten Weltkrieg noch fest "davon ausgeht", daß er sich eines Tages an die glücklichen Stunden im Garten der Familienvilla "erinnern wird", erweist sich fünfzig Jahre später schlicht als falsch. Der Minister a. D. leidet mittlerweile unter einer schweren Demenz und kann sich nicht einmal mehr den Namen seiner eigenen Frau ins Gedächtnis rufen.
Angesichts dieser familiären Generalamnesie kann man es dem unglücklichen Erben Philipp kaum zum Vorwurf machen, daß er im Frühling des Jahres 2001 zunächst am liebsten die letzten Türen zu den Zimmern der Vergangenheit krachend zuwerfen und für immer fest verriegeln möchte. Ganz gleich, wieviel Verständnis Arno Geiger seiner ambitionslosen Romanfigur auch entgegenbringt: Die zunächst hartnäckig aufrechterhaltene Schutzbehauptung, daß "das Mögliche in der Vergangenheitsform das Vergebliche ist", läßt er dem familiären Totalverweigerer dann aber offenbar doch nicht durchgehen. Zuletzt füllt sich nämlich nach und nach auch Philipps Notizbuch, selbst wenn er sich dabei - "als kleine Huldigung an die Gebrechlichkeit der Welt, die jeder sich zusammenbaut" - nicht immer an die Fakten hält.
Ein Widerspruch liegt darin nicht. Es ist ebendie Literatur, die gleichzeitig vom Vergessen und von der Erinnerung erzählen kann und der es mit den Mitteln der Fiktion manchmal gelingt, ein wenig von der verloren geglaubten Zeit als Möglichkeit zurückzugewinnen. "Es geht uns gut" ist ein sehr überzeugender Beweis dafür.
Arno Geiger: "Es geht uns gut". Roman. Hanser Verlag, München 2005. 389 S., geb., 21,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der österreichische Autor Arno Geiger hegt bekanntlich Sympathie für solche instinktiven Abwehrreaktionen. Seit seinem Debüt "Kleine Schule des Karussellfahrens" (1997) hat er immer wieder über Menschen geschrieben, die mehr oder weniger erfolgreich vor sich selbst davonlaufen. Darum darf auch der Held seines vierten Romans "Es geht uns gut" seine "familiäre Unambitioniertheit" mitsamt seiner Abneigung gegenüber der Vergangenheit über weite Strecken aufrechterhalten. Was soll's: Im Grunde genommen wäre Philipp Erlach als mittelmäßig erfolgreicher Schriftsteller zwar die richtige Besetzung für die Rolle des rekonstruierenden Rechercheurs, doch der gerade einmal 35 Jahre alte Erbe scheut nun einmal den "Aufwand an Phantasie, der nötig wäre, sich auszudenken, wie die Dinge gewesen sein könnten".
Also streift er lieber durch die Räume der Villa, nimmt hier und da ein Foto in die Hand, befördert ein Bündel Briefe in den Altpapiercontainer und träumt davon, in dem "ausgeputzten, ausgewaschenen, ausgekratzten" Haus die Fenster aufzureißen. Die Geschichte seiner Eltern und Großeltern muß sich erst einmal gewissermaßen von allein schreiben, und Arno Geiger, der sich inzwischen von dem verspielten Ton seiner ersten Romane fast ganz gelöst hat, erledigt das gewissermaßen hinter Philipps Rücken in Form von ausführlichen Rückblenden mit wechselnden Erzählern: Großvater und Großmutter, Vater und Mutter.
Derzeit boomt das Genre des Familienromans, und im deutschsprachigen Raum führen solche literarischen Unternehmungen in den meisten Fällen zielgerichtet zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Darum ist es erstmal keine große Überraschung, daß auch Arno Geigers "Es geht uns gut" im August 1938 einsetzt, nur wenige Monate nach dem "Anschluß" Österreichs. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht hatte Philipps "christlichsozial gesinnter" Großvater Richard die Auflage bekommen, sich politisch nicht mehr zu betätigen. Er ist kein Held und engagiert sich im weiteren auch nur halbherzig für den offiziell verbotenen niederösterreichischen Bauernbund. Sehr viel mehr beschäftigt Richard in diesen Tagen die Frage, wie er das Verhältnis mit dem Kindermädchen Frieda möglichst elegant beenden kann: "Er würde sie entlassen (jawohl), seiner Frau Alma müßte er im Gegenzug das Haushaltsgeld und die halbjährlichen Garderobenzuschüsse erhöhen."
Nicht alle Probleme lassen sich so einfach mit buchhalterischen Mitteln lösen. In den letzten Kriegstagen fällt Richards gerade vierzehn Jahre alter Sohn im "Volkssturm", und während Alma sich in die Lektüre von Stifter-Romanen vergräbt, stürzt er sich nun in seine Arbeit als Minister in der Regierung Figl und verhandelt Tag und Nacht mit den Abgesandten der UdSSR über die Zukunft Österreichs. Er schläft mit seiner Sekretärin, und in den wenigen Stunden, die er noch zu Hause verbringt, streitet er sich mit seiner Tochter Ingrid, die sich schließlich kurz nach dem Abschluß des Staatsvertrages 1955 aus der Tristesse ihres Elternhauses in die absehbar traurige Ehe mit einem Angestellten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit flüchtet: "Das Leben wird aus Kompromissen bestehen", ahnt sie, "mit den Eltern, mit den Sowjets, mit Peter, mit den Kindern, die sie irgendwann mit Peter haben wird."
Tatsächlich wird es "das große Glück" auch für Ingrid, die Mutter von Philipp, nicht geben. "Die Zeit ist einfach weg", denkt sie 1970 am Silvesterabend, als sie müde von der Arbeit kommt und ihr Mann sich umgehend im Hobbykeller verschanzt: "Was habe ich gemacht? Die letzten sechs Monate? Im letzten Jahr?"
Es geht also um die verlorene Zeit, und damit unterscheidet sich "Es geht uns gut" von vielen anderen, oft bestürzend gut gemeinten Familienromanen aus dem deutsprachigen Raum. Der 1968 geborene Arno Geiger versucht als Angehöriger der Enkelgeneration gerade nicht, die letzten dunklen Familiengeheimnisse bis in die Jahre des nationalsozialistischen Sündenfalls zurückzuverfolgen. Bei ihm verschwindet die Vergangenheit einfach so, auch ohne historisch motivierte Verdrängungsleistung, im Nichts: Über Ingrids Ehejahre hat sich der Grauschleier des Alltags gelegt, ihre Mutter verbietet sich mit der Disziplin einer Beamtengattin jeden Gedanken an die Affären ihres Mannes Richard - und daß dieser vor dem Zweiten Weltkrieg noch fest "davon ausgeht", daß er sich eines Tages an die glücklichen Stunden im Garten der Familienvilla "erinnern wird", erweist sich fünfzig Jahre später schlicht als falsch. Der Minister a. D. leidet mittlerweile unter einer schweren Demenz und kann sich nicht einmal mehr den Namen seiner eigenen Frau ins Gedächtnis rufen.
Angesichts dieser familiären Generalamnesie kann man es dem unglücklichen Erben Philipp kaum zum Vorwurf machen, daß er im Frühling des Jahres 2001 zunächst am liebsten die letzten Türen zu den Zimmern der Vergangenheit krachend zuwerfen und für immer fest verriegeln möchte. Ganz gleich, wieviel Verständnis Arno Geiger seiner ambitionslosen Romanfigur auch entgegenbringt: Die zunächst hartnäckig aufrechterhaltene Schutzbehauptung, daß "das Mögliche in der Vergangenheitsform das Vergebliche ist", läßt er dem familiären Totalverweigerer dann aber offenbar doch nicht durchgehen. Zuletzt füllt sich nämlich nach und nach auch Philipps Notizbuch, selbst wenn er sich dabei - "als kleine Huldigung an die Gebrechlichkeit der Welt, die jeder sich zusammenbaut" - nicht immer an die Fakten hält.
Ein Widerspruch liegt darin nicht. Es ist ebendie Literatur, die gleichzeitig vom Vergessen und von der Erinnerung erzählen kann und der es mit den Mitteln der Fiktion manchmal gelingt, ein wenig von der verloren geglaubten Zeit als Möglichkeit zurückzugewinnen. "Es geht uns gut" ist ein sehr überzeugender Beweis dafür.
Arno Geiger: "Es geht uns gut". Roman. Hanser Verlag, München 2005. 389 S., geb., 21,50 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Arno Geiger hat hier mehr als einen Österreich- und Familienroman geschrieben, weiß Rezensentin Verena Auffermann. Der Bregenzer Autor widmet sich in seinem neuen Buch zwar einer Familie, die er von 1938 bis 2001 begleitet; aber in Wirklichkeit gehe es ihm darum, das "Leben eines Beobachters" darzustellen. Geigers Interesse gelte den "unausgesprochenen" Gedanken, dem unbewussten Material. Ohne viele Worte zu machen, sondern mit wenigen, aber dafür "niederschmetternden" Gedanken beschreibt er, wie eine klassische Familie - Eltern und zwei Kinder - "auseinanderdriftet". Leben als "absurdes" Aufeinanderfolgen von "Kettenreaktionen" - das ist es, was Geiger einzufangen weiß, lobt der Rezensent. "Raffiniert" springe er dabei durch die Jahre und zeichnet doch ein genaues Bild von über 60 Jahren österreichischer Geschichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Arno Geigers großer österreichischer Familien- und Geschichtsroman jenseits nostalgischer Klischees ... ein Werk von Einfühlungsgabe, Sprachkraft und Intelligenz." Tilman Krause, Die Welt, 27.08.05 "Ein großartiger Familienroman ... Herausragend! 'Es geht uns gut' gehört zum Bemerkenswertesten, was zurzeit in der Literatur deutscher Sprache zu lesen ist. ... Arno Geiger erzählt ohne Sentimentalität mal chronologisch, mal gegen die Chronologie, mit großer Könnerschaft." Volker Hage, Der Spiegel, 29.08.05 "Es ist eben die Literatur, die gleichzeitig von Vergessen und Erinnern erzählen kann und der es mit den Mitteln der Fiktion manchmal gelingt, ein wenig von der verloren geglaubten Zeit als Möglichkeit zurückzugewinnen." Kolja Mensing,
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.09.05 "Mit verbüffender Feinfühligkeit macht Arno Geiger seine Gestalten lebendig und glaubhaft. Die Personen sind fest verankert in den Zeitläufen, sie sind durch das kontinuierliche Erzählen im Präsens von einer fabelhaften Leichtigkeit und Nähe ... Mit meisterhafter Beiläufigkeit erzählt Arno Geiger Privates und Historisches, aus der Epoche der Väter und Grossväter mit ebensolcher Sensibilität wie aus neuerer Zeit, unscheinbare Details, die erst durch den Wortwitz ihren Glanz bekommen. ... Ein großer Roman!" Franz Haas, Neue Zürcher Zeitung, 27.09.05 "Ein großer Wurf!" Der Standard "Ein fulminantes, exzellent geschriebenes Buch." Wolfgang Paterno, profil, 12.09.05 "Arno Geiger versteht es, wie wenige deutschsprachige Autoren, Dialoge zu schreiben und Figuren, vor allem Frauenfiguren, zu charakterisieren. Es ist ein melancholisch-melodisch dahinfließendes Buch, in seinem Dahinfließen geheimnisvoll wie die Zeit, aber es ist auch - wie jedes gute Buch - ein Buch der Verzauberung und Verführung zum Leben." Stefan Gmünder, Der Standard, 10.09.05 "Arno Geigers großartiger, meisterlicher Zeitroman ist ein erstaunlicher Wurf... Seine Fähigkeit, die verschiedenen Familienmitglieder zum Sprechen zu bringen, ist beeindruckend." Ulrich Rüdenauer, Tagesspiegel, 09.10.05 "Ein Roman, der ebenso genau wie leicht vom Gewicht des Lebens spricht." Aus der Begründung der Jury zur Verleihung des Deutschen Buchpreises 2005 "Mit diesem Roman hat sich Geiger in die vorderste Reihe der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vorgearbeitet." Anton Thuswaldner, Frankfurter Rundschau, 19.10.05
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Gebundenes Buch
Arno Geigers großartiger "Familien"Roman ohne Familiengedöns
Am Anfang des Romans stemmt Philipp, der uns die Geschichte seiner Familie und auch seine eigene zu erzählen scheint, mit aller Kraft eine Luke auf den Dachboden des Familienstammsitzes auf. Dort oben …
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Arno Geigers großartiger "Familien"Roman ohne Familiengedöns
Am Anfang des Romans stemmt Philipp, der uns die Geschichte seiner Familie und auch seine eigene zu erzählen scheint, mit aller Kraft eine Luke auf den Dachboden des Familienstammsitzes auf. Dort oben schlägt ihm Staub und Gestank von zentimeterdicker Taubenscheisse, Taubenkadavern und verrotteten Balken entgegen, so dass er die Luke sofort wieder zufallen lässt. Dieses Bild zieht sich durch den gesamten Roman, denn es gibt bei allen Familienmitgliedern die da über 60 Jahre portraitiert werden die Tendenz, die Dinge nicht wirklich anschauen zu wollen, die Klappe sofort wieder zuzumachen, wenn´s Ernst wird.
Anhand von jeweils einem Tag in den Jahren 1938, 45, 55, 62, 70, 78, 82 und 89 werden die Leben der vier Generationen geschildert. Diese grandiose Konstruktion gelingt es, den klischeehaften Aufbau und die langweiligen Figuren der meisten Familienromane zu vermeiden. Geiger erzählt in einer Weise, die der Tatsache gerecht wird, dass es in den meisten Familien darauf ankommt, was NICHT gesagt oder getan wird. Die Entscheidenden Dinge sind die verpassten Gelegenheiten und nichtumgesetzen Träume von einem anderen Leben. Und davon gibt es in jeder Familie mehr als genug. Auch die Figuren in "Uns geht es gut" verharren in dieser geheimnisvollen Gemeinschaft Familie und vertagen ihre Träume und Fluchtgedanken immer wieder.
Die österreichische Geschichte dient dabei als Hintergrund, aber schimmert nur hinein die Schicksale, ob die Nazizeit, der Krieg oder die progressiveren 70er Jahre.
Philipp organisiert sich Schwarzarbeiter, die für ihn den Dachboden reinigen und dabei auch gleich allerlei Artefakte der Vergangenheit, die für ihn keine Bedeutung haben, in Müllcontainer werfen oder verscherbeln. Das Entsorgen löst in Phillipp ein Gefühl der Schuld und Erleichterung zugleich aus, das jeder kennt, der einmal den Keller im Elternhaus ausräumen musste, wo sich der Wohlstandsmüll der Jahrzehnte türmt. Alles Dinge, die einmal Bedeutung hatten und nun nicht mehr zu entziffern sind für die Nachkommen, und deshalb auf dem Müll der Geschichte landen. Von denen man sich aber wünscht, sie könnten einem die Geschichte der Eltern und Grosseltern erzählen, auf dass man auch sich selbst ein wenig besser versteht.
Nur durch die Daten am Anfang jedes Kapitels ist überhaupt zuzuordnen, wann der Tag spielt. Das eigentliche Geschehen in den Kapiteln ist meist zeitlos, denn dort agieren einfach Menschen miteinander, dort funktionieren Familien nicht oder kaum - all das unabhängig von Jahreszahlen. Geiger schiebt in Uwe Johnson Manier aktuelle Zeitungsmeldungen zwischen die Kapitel. Sie fassen das "außerfamiliäre" Geschehen 1938 oder 1955 zusammen, ordnen das vermeintlich Grosse, dem Kleinen der Familie unter. Inklusive der Wettervorhersage. Vergangenheit wird verständlich, als die Geschichte von Menschen, deren Leben sich vor allem aus Nebensächlichkeite
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Gebundenes Buch Ein Autor, der Inhalt und Sprachform begeisternd in Einklang bringt. Seit Frisch habe ich nicht mehr so einen Sprachperfektionisten gelesen.
Antworten 5 von 5 finden diese Rezension hilfreich
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Arno Geiger ist es in hervorragender Weise gelungen, mit kraftvoller Sprache diese Familiengeschichte mit sämtlichen Höhen und Tiefen zu erzählen. Der Roman beginnt mit der Beschreibung, wie der Erbe des Familienhauses sich notgedrungen, um es auszuräumen, in dieses Haus begibt …
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Arno Geiger ist es in hervorragender Weise gelungen, mit kraftvoller Sprache diese Familiengeschichte mit sämtlichen Höhen und Tiefen zu erzählen. Der Roman beginnt mit der Beschreibung, wie der Erbe des Familienhauses sich notgedrungen, um es auszuräumen, in dieses Haus begibt und gleich mit viel Schmutz, Spinnweben, und Taubendreck zu kämpfen hat, alles das, womit er nie ewas zu tun haben wollte und es totzdem bewältigen muß. Ihm wird klar, dass es kein Entrinnen gibt und ihm nichts sowohl bei der Aufräumaktion als auch mit der damit unmittelbar verbundenen Aufarbeitung seiner Familiengeschichte erspart bleibt, wie Taubendreck eben so ist, ätzend und nicht leicht wegzuwischen!
Es ist Arno Geiger wirklich gelungen, dieses Thema bestens literarisch zu verarbeiten.
Sehr empfehlenswert!!!
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Schöne Idee: Während der Enkel dabei ist, die Vergangenheit in Form der Hinterlassenschaft der Großeltern wegzuschmeißen und so verzweifelt versucht, sich der Geschichte seiner Familie zu entledigen, wird gerade diese Familiengeschichte erzählt. Am Ende steht ein …
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Schöne Idee: Während der Enkel dabei ist, die Vergangenheit in Form der Hinterlassenschaft der Großeltern wegzuschmeißen und so verzweifelt versucht, sich der Geschichte seiner Familie zu entledigen, wird gerade diese Familiengeschichte erzählt. Am Ende steht ein antriebsloser, bindungsloser und nun auch wurzelloser Held. Was bleibt ihm also anderes übrig, als sich direkt vom Dach des Hauses aus aus dem Staub zu machen ;)
Hat Spaß gemacht zu lesen, ein schöner Ritt in Etappen durch das letzte (österreichische) Jahrhundert.
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Broschiertes Buch
Funkelnde Diskurse
Mit dem Familienepos «Es geht uns gut» hat der österreichische Schriftsteller Arno Geiger 2005 den Deutschen Buchpreis gewonnen, «… ein Roman, der ebenso genau wie leicht vom Gewicht des Lebens spricht», wie die Jury ihre Wahl begründet …
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Funkelnde Diskurse
Mit dem Familienepos «Es geht uns gut» hat der österreichische Schriftsteller Arno Geiger 2005 den Deutschen Buchpreis gewonnen, «… ein Roman, der ebenso genau wie leicht vom Gewicht des Lebens spricht», wie die Jury ihre Wahl begründet hat. Aber auch die Rezensionen im Feuilleton waren überwiegend positiv. Der ironische Titel dieser drei Generationen umfassenden Geschichte deutet bereits darauf hin, dass hier mit einiger Distanz erzählt wird. Historischer Hintergrund ist die Geschichte Österreichs von 1938 bis 2001, überwiegender Handlungsort die stattliche Villa der Familie in Wien. In 21 tagebuchartigen Kapiteln wird aus jeweils einer Perspektive in klug gesetzten zeitlichen Voraus/Zurück-Sprüngen das wechselvolle Leben einer großbürgerlichen Familie gezeichnet, deren Patriarch es immerhin zum hochangesehenen Minister gebracht hat, während dessen schriftstellernder Enkel schlussendlich sich eher als lebensuntüchtiger Versager und lethargischer Träumer erweist, ein an die Buddenbrooks erinnernder, familiärer Abstieg.
Als Rahmen der Erzählung dient die Entrümpelungsaktion des erfolglosen Dichters Philipp, der von seiner Großmutter Alma die schon etwas heruntergekommene Wiener Familienvilla geerbt hat. Er hat ein Verhältnis mit der verheirateten Meteorologin Johanna, gelegentlich aber kommt es auch schon mal zu einem Quickie mit der Postbotin. Sein Großvater Richard, Sohn aus einer reichen, erzkonservativen Familie, macht als Jurist Karriere, bleibt auf Distanz zu den Nazis und wird nach dem Krieg Minister, der maßgeblichen Anteil hat an den Verhandlungen zum Staatsvertrag mit der Sowjetunion. Seine Frau Alma, die ihm zuliebe das Medizinstudium aufgegeben hat, widmet sich fortan dem Haushalt und den zwei Kindern Otto und Ingrid, sie liest gern und betreibt die Imkerei als Steckenpferd, im Garten der Villa steht ihr eigenes kleines Bienenhaus. Zwischen dem Paar kommt es zu intellektuell geradezu funkelnden ehelichen Diskursen, die aber nie eskalieren, weil Alma sich als die Klügere vorher meist zurücknimmt. Sohn Otto kommt bei Kämpfen kurz vor Kriegsende ums Leben, die Tochter Ingrid studiert Medizin und ist gegen den erbitterten Willen der Eltern mit dem erfolglosen Kleinunternehmer Peter liiert, das Verhältnis zu ihren Eltern nimmt dadurch irreparable Schäden. Trotzig heiratet sie ihn, als sie schwanger wird, und er geht denn auch prompt in Konkurs, findet später Arbeit als Verkehrsplaner und zieht nach Ingrids tragischem Unfalltod die beiden Kinder Sissi und Philipp alleine groß. Während Sissi später als Journalistin in New York lebt und kaum noch von sich hören lässt, versucht sich Philipp erfolglos als Schriftsteller. Er ist mit der ererbten Villa heillos überfordert, am Ende sitzt er hoch oben auf dem Dach: «Gleich wird Philipp auf dem Giebel seines Großelternhauses in die Welt hinausreiten», heißt es träumerisch.
Das Besondere an diesem Roman, dessen Thematik so neu ja nicht ist, sind die geistreichen und bissigen Diskussionen, die da schlagfertig ausgefochten werden. Besonders zwischen Ingrid und ihrem stockkonservativem Vater fliegen die Fetzen, sie ist trotz der finanziellen Abhängigkeit während des Studiums zu keinen Zugeständnissen bereit und kontert seine Vorhaltungen souverän. Gleiches gilt für Alma, die ihrem Mann auch keine Antwort schuldig bleibt, sich aber konzilianter verhält. Ihr grandioser innerer Monolog am Sterbebett ihres dementen Mannes ist eine geistreiche Aufarbeitung jahrzehntelanger Rücksichtnahme und Unterdrückung, - ein gelungenes Fazit des gesamten Romans.
Eheschlamassel, Alltagssorgen, die mühsame Emanzipation der eigentlichen Heldinnen Alma und Ingrid, geschickt verzahnt mit dem historischen Hintergrund, ist das wirklich Tragende bei diesem Roman. Die sympathischen Figuren und ein polyperspektivisch in Montagetechnik geradezu beiläufig erzählter, stimmiger Plot mit einer Fülle von Motiven machen diese Chronik zu einem äußerst bereichernden Lesevergnügen.
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Philipp Erlach, ein 36-jähriger, weder besonders ambitionierter noch erfolgreicher Schriftsteller, erbt nach dem Tod seiner Großmutter deren Villa in Wien. Bei der widerwillig vorgenommenen Entrümpelung wird er mit der Familiengeschichte konfrontiert. – Unter dem sarkastischen …
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Philipp Erlach, ein 36-jähriger, weder besonders ambitionierter noch erfolgreicher Schriftsteller, erbt nach dem Tod seiner Großmutter deren Villa in Wien. Bei der widerwillig vorgenommenen Entrümpelung wird er mit der Familiengeschichte konfrontiert. – Unter dem sarkastischen Titel "Es geht uns gut" erzählt Arno Geiger von drei Generationen einer Wiener Familie in der Zeit von 1938 bis 2001 und veranschaulicht dabei zugleich politische und gesellschaftliche Wandlungen.<br />Arno Geiger erzählt mit viel Liebe zum Detail, großem Einfühlsvermögen und besonderem Gespür für Tragikomik von der Last der Vergangenheit. Dabei versetzt er sich in wechselnde Figuren und stellt das Geschehen aus ihrer subjektiven Sicht im Präsens dar.
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Gebundenes Buch Langweilig und einschläfernd!
Wenn jemand was über Tauben im Dachboden
aber nur Tauben im Dachboden lesen will ...bitte.
Vermutlich hab ich´s nicht verstanden,
ich kann die gute Bewertung nicht verstehen.
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