aus, und sein östlicher Spross Byzanz existierte ein Jahrtausend." Demgegenüber erscheine der Nationalstaat als ein kaum vernehmbares Blinken am historischen Horizont, als eine Staatsform, die erst vor nicht allzu langer Zeit im Kontext von Imperien entstand und deren Bedeutung für die politischen Vorstellungen und Praktiken sich als transitorisch erweisen könnte.
Cooper, ein eminenter Afrika-Historiker, und Burbank, ausgewiesene Spezialistin für russische Geschichte, bieten eine auf stupender Literaturkenntnis basierende, weitgehend chronologisch angelegte tour d'horizon durch die Weltgeschichte. Der rote Faden der Darstellung ist die Frage nach dem Umgang der Imperien mit Vielfalt. Das Autorenduo analysiert die Strategien imperialer Kontrolle in ganz unterschiedlichen Konstellationen. Das Spektrum der Beispiele reicht vom Römischen Reich, China, Byzanz, den Mongolen, die Amerikas und Afrika, dem Osmanischen Reich bin hin zu den neuen Reichen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts.
Burbank und Cooper betonen, dass Imperien keineswegs so etwas wie die "spontane Umarmung von Diversität" darstellten. Gewalt und täglicher Zwang waren grundlegend für den Aufbau und die politische Praxis imperialer Ordnungen. Ihr Buch zeigt, dass Imperien ihre menschlichen Ressourcen auf sehr unterschiedliche Weise mobilisierten und kontrollierten, sie ein- oder ausschlossen, belohnten oder ausbeuteten, die Macht teilten oder zu zentralisieren suchten. Imperien konnten Einheiten politischer und ethischer Debatten sein, in denen über die Bedeutung von Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten für unterschiedliche Kategorien von Menschen debattiert wurde. Im britischen Fall etwa bildete der abolitionistische Angriff auf die "Sklaverei unter britischer Flagge" die Grundlage vieler Argumentationslinien über Missbräuche und Verantwortlichkeiten.
Der Umgang von Imperien mit Differenz, in diesem Fall mit der multiethnischen Realität von europäischen Großreichen im langen neunzehnten Jahrhundert, steht auch im Mittelpunkt eines umfassenden, von Jörn Leonhard und Ulrike von Hirschhausen herausgegebenen Sammelbandes. In ihrer anregenden Einleitung skizzieren die Herausgeber eine Reihe von Forschungsperspektiven, die von den Beiträgen angesprochen werden, so die Notwendigkeit, den Eisernen Vorhang zwischen der Analyse west- und osteuropäischer imperialer Erfahrungen endlich zu überwinden, das Verhältnis zwischen Imperium und Nationalstaat systematischer auszuleuchten und die vielfältigen Transfers und Interaktionen zwischen Reichen genauer zu untersuchen.
Ein wesentliches Potential des Buches liegt in der vergleichenden Perspektive auf vier Imperien: das Britische Empire, die Habsburgermonarchie, das Osmanische sowie das Russische Reich. Die Umsetzung des komparativen Ansatzes gelingt allerdings nur teilweise. Die einzelnen Abschnitte des Bandes werden zwar jeweils durch - relativ kurze - vergleichend angelegte Kommentare abgeschlossen, doch bleibt die konkrete Arbeit des Vergleichs noch weitgehend den Lesern überlassen.
Der Afrika-Historiker Timothy Parsons zeichnet in seiner Synthese ein unumwunden negatives Bild von Imperien, die in seinen Augen "nie mehr als nacktes, als Tugend kaschiertes Selbstinteresse" repräsentierten. Dieses Urteil mag auch der Auswahl der Fallbeispiele geschuldet sein, zumal etwa das napoleonische Italien, Vichy-Frankreich oder die spätkoloniale Herrschaft Großbritanniens in Kenia für harsche Formen imperialer Ordnungen standen. Parsons warnt jedoch zu Recht vor jeglicher Romantisierung von Imperien, die für ihn trotz aller Differenz zuvorderst Strukturen der gewaltsamen Eroberung, Unterdrückung und Ausbeutung und überdies längerfristig zum Scheitern verurteilt waren. Den Niedergang von Imperien erklärt der Autor als unvermeidbares Resultat einer "Dialektik des Widerstands" - imperiale Gewalt provozierte Gegengewalt nicht zuletzt von jenen Intermediären, welche die imperialen Staaten brauchten, um ihre Autorität auf lokaler Ebene zu etablieren.
Allerdings hat der Niedergang von Imperien, ob er nun unvermeidbar war oder nicht, keineswegs zu einer stabilen, funktionierenden Welt von Nationalstaaten geführt. Burbank und Cooper heben hervor, dass viele rezente blutige Konflikte - in Ruanda, Irak, Afghanistan, dem ehemaligen Jugoslawien, Sri Lanka oder Kongo - aus dem Scheitern hervorgingen, lebensfähige Alternativen zu imperialen Regimen zu entwickeln. Die auf den Territorien ehemaliger Kolonien geschaffenen Staaten haben in der Regel nur wenige der Ziele erreicht, auf die sie zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit gehofft hatten.
Die großen Mächte verkünden zwar eine Welt unverletzbarer und gleicher Nationen, agieren aber ökonomisch und militärisch in einer Weise, die die Souveränität anderer Nationen unterminiert. Die Analyse der Geschichte von Imperien, wie sie die drei besprochenen Bücher auf innovative Weise unternehmen, eröffnet einen neuen Blick auf die Zwänge und Aktionen, die die Vergangenheit geprägt und die Gegenwart hervorgebracht haben.
ANDREAS ECKERT
Jane Burbank und Frederick Cooper: "Empires in World History". Power and the Politics of Difference.
Princeton University Press, Princeton und Oxford 2010. 511 S., Abb., geb., 26,- [Euro].
"Comparing Empires". Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century. Hrsg. v. Jörn Leonhard und Ulrike von Hirschhausen.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 556 S., Abb., geb., 69,95 [Euro].
Timothy H. Parsons: "The Rule of Empires". Those who built them, those who endured them, and why they always fall.
Oxford University Press, Oxford und New York 2010. 496 S., geb., 24,- [Euro].
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