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»Von eminentem historischen und literarischen Wert« - F.A.Z.Im Jahr 2003 erschienen die bewegenden Aufzeichnungen der Wochen vom 20. April bis zum 22. Juni 1945 - verfasst von einer Unbekannten: Eine Frau in Berlin. Die massenhafte Vergewaltigung von Frauen im besetzten Land durch Rotarmisten, die Rache der Sieger in den Ruinen von Berlin, berührte ein Tabuthema. Die Schreckenstage, festgehalten in Schulheften und auf Zetteln, erschütterten Zehntausende von Leserinnen und Lesern. Lakonisch wird von Bombenalarm, Hunger oder von Selbstmorden berichtet. Illusionslose Kaltblütigkeit, unbestec...
»Von eminentem historischen und literarischen Wert« - F.A.Z.
Im Jahr 2003 erschienen die bewegenden Aufzeichnungen der Wochen vom 20. April bis zum 22. Juni 1945 - verfasst von einer Unbekannten: Eine Frau in Berlin. Die massenhafte Vergewaltigung von Frauen im besetzten Land durch Rotarmisten, die Rache der Sieger in den Ruinen von Berlin, berührte ein Tabuthema. Die Schreckenstage, festgehalten in Schulheften und auf Zetteln, erschütterten Zehntausende von Leserinnen und Lesern. Lakonisch wird von Bombenalarm, Hunger oder von Selbstmorden berichtet. Illusionslose Kaltblütigkeit, unbestechliche Reflexion, schonungslose Beobachtung und makabrer Humor zeichnen dieses Tagebuch aus.
1954 erschien »A Woman in Berlin« zuerst in den USA, ein Schweizer Verlag veröffentlichte 1959 eine erste deutschsprachige Ausgabe - einer neuen Publikation stimmte die Anonyma unter der Bedingung zu, dass diese erst nach ihrem Tod stattfinden dürfe.
Nach dem Erscheinen von "Eine Frau in Berlin" kam es zu einer heftigen Diskussion um die Enthüllung der Identität der anonymen Autorin und über die Authentizität ihrer Aufzeichnungen.
Im Jahr 2003 erschienen die bewegenden Aufzeichnungen der Wochen vom 20. April bis zum 22. Juni 1945 - verfasst von einer Unbekannten: Eine Frau in Berlin. Die massenhafte Vergewaltigung von Frauen im besetzten Land durch Rotarmisten, die Rache der Sieger in den Ruinen von Berlin, berührte ein Tabuthema. Die Schreckenstage, festgehalten in Schulheften und auf Zetteln, erschütterten Zehntausende von Leserinnen und Lesern. Lakonisch wird von Bombenalarm, Hunger oder von Selbstmorden berichtet. Illusionslose Kaltblütigkeit, unbestechliche Reflexion, schonungslose Beobachtung und makabrer Humor zeichnen dieses Tagebuch aus.
1954 erschien »A Woman in Berlin« zuerst in den USA, ein Schweizer Verlag veröffentlichte 1959 eine erste deutschsprachige Ausgabe - einer neuen Publikation stimmte die Anonyma unter der Bedingung zu, dass diese erst nach ihrem Tod stattfinden dürfe.
Nach dem Erscheinen von "Eine Frau in Berlin" kam es zu einer heftigen Diskussion um die Enthüllung der Identität der anonymen Autorin und über die Authentizität ihrer Aufzeichnungen.
Produktdetails
- Die Andere Bibliothek 221
- Verlag: AB - Die Andere Bibliothek
- Artikelnr. des Verlages: 513/62009
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 4. Dezember 2015
- Deutsch
- Abmessung: 129mm x 217mm x 29mm
- Gewicht: 471g
- ISBN-13: 9783847720096
- ISBN-10: 3847720090
- Artikelnr.: 42874690
Herstellerkennzeichnung
AB Die Andere Bibliothek
Prinzenstraße 85
10969 Berlin
info@die-andere-bibliothek.de
Die Geschichte der Anonyma
Quellenkritik eines verspäteten Bestsellers: "Eine Frau in Berlin", Chronik der totalen Niederlage in Gestalt eines Tagebuchs, ist zu größeren Teilen erst nach 1945 verfasst worden.
Am 20. März 1960 schrieb Kurt W. Marek, unter dem Pseudonym C. W. Ceram Autor des Sachbuchbestsellers "Götter, Gräber und Gelehrte", einen Brief mit literarischen Ratschlägen an seine Freundin Marta Hillers. Marek lebte im Bundesstaat New York, Hillers mit ihrem Schweizer Ehemann, einem Goldschmied, in Basel. 1954 war auf Vermittlung Mareks und mit einem Vorwort aus seiner Feder in den Vereinigten Staaten das Buch "A Woman in Berlin" erschienen, ein Erlebnisbericht in Tagebuchform über die Wochen um den 8. Mai
Quellenkritik eines verspäteten Bestsellers: "Eine Frau in Berlin", Chronik der totalen Niederlage in Gestalt eines Tagebuchs, ist zu größeren Teilen erst nach 1945 verfasst worden.
Am 20. März 1960 schrieb Kurt W. Marek, unter dem Pseudonym C. W. Ceram Autor des Sachbuchbestsellers "Götter, Gräber und Gelehrte", einen Brief mit literarischen Ratschlägen an seine Freundin Marta Hillers. Marek lebte im Bundesstaat New York, Hillers mit ihrem Schweizer Ehemann, einem Goldschmied, in Basel. 1954 war auf Vermittlung Mareks und mit einem Vorwort aus seiner Feder in den Vereinigten Staaten das Buch "A Woman in Berlin" erschienen, ein Erlebnisbericht in Tagebuchform über die Wochen um den 8. Mai
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1945. Außerhalb Deutschlands wurde das Buch ein Bestseller. Von der deutschen Erstausgabe, die in einem kleinen Genfer Verlag ohne Mareks Vorwort herauskam, wurden im Erscheinungsjahr 1959 nur 735 Exemplare verkauft. Die Tantiemen für die Autorschaft flossen an Marta Hillers, bei den ausländischen Ausgaben abzüglich eines Anteils von zehn Prozent für Marek. Im Buch blieb die Autorin namenlos, englisch "Anonymous" , deutsch "Anonyma".
1960 trug sich Hillers mit neuen literarischen Plänen. Marek forderte sie auf, sich von den Kritiken der deutschen Ausgabe nicht irritieren zu lassen. "Ein gutes Buch braucht schlechte Kritiken. Ein schlechtes Buch kriegt nicht einmal schlechte Kritiken." Paradoxerweise sah der Profi Marek ein Handicap darin, dass ihr das Schreiben "zu leicht" falle. "Du bist immer an der Grenze der Schnoddrigkeit." Aber in der modernen Literatur gab es Beispiele für die Nobilitierung der Vulgarität im Dienst der "schonungslosen Beschreibung". Marek griff so hoch wie möglich. "Lies noch einmal Stücke aus dem Ulysses von Joyce. Dort kannst Du ahnen, wie weit Du gehen kannst."
In einem Postskriptum berichtete Marek, dass er in New York einen "höchst angenehmen Mann" kennengelernt habe, den englischen Verleger von "A Woman in Berlin", Fredric Warburg. "Sonderbarerweise" habe er diesem "tatsächlich versichern" müssen, dass es sich "wirklich um ein authentisches Tagebuch handelt". Der Engländer "hatte Zweifel". Drei Punkte stehen am Schluss dieser Mitteilung. Mehr musste nicht gesagt werden. Autor und Empfängerin des Briefes wussten, was es wirklich mit dem Buch auf sich hatte. Sie teilten dieses Wissen miteinander und hielten es vor der Welt geheim.
Der Verlag Secker & Warburg hatte Karl Dietschy, dem Ehemann von Hillers, der für sie die Geschäftskorrespondenz führte, im Frühjahr 1959 mitgeteilt, dass "A Woman in Berlin" einer der erfolgreichsten Titel der Firmengeschichte sei. Bis dahin waren von der englischen Ausgabe 210 000 Stück abgesetzt worden. Fredric Warburg war der Verleger von George Orwell. Worauf bezogen sich seine Zweifel? In welchem Sinne könnte das Buch kein authentisches Tagebuch sein? Zweifelte Warburg daran, dass es auf Erlebtem beruhte? Oder bezweifelte er, dass es sich um ein Tagebuch im Sinne der mehr oder weniger gleichzeitigen Niederschrift des Erlebten handelt?
Die Authentizität wurde Thema einer heftigen Kontroverse, als "Eine Frau in Berlin" 2003, zwei Jahre nach dem Tod von Marta Hillers, in einer neuen deutschen Ausgabe erschien, in der "Anderen Bibliothek" von Hans Magnus Enzensberger. In dieser Gestalt wurde das Buch mit einem halben Jahrhundert Verspätung auch in Deutschland ein Bestseller. Hillers hatte die postume Neuausgabe autorisiert; die Erbin des Urheberrechts, Hannelore Marek, die Witwe des 1972 verstorbenen Kurt Marek, bestand darauf, dass der Eichborn Verlag die Anonymität wahrte. Jens Bisky, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", fand die Identität der Verfasserin heraus und machte sie publik. Zur Biographie von Hillers teilte Bisky mit, dass sie im Hitler-Reich als Journalistin gearbeitet und Kriegspropaganda produziert hatte. Er machte auf literarische Eigenheiten des Textes aufmerksam, die für eine spätere Entstehung oder Überarbeitung sprachen, insbesondere die filmhafte Erzählweise, und äußerte die Vermutung, dass Marek am Text mitgeschrieben habe oder sogar Ghostwriter gewesen sei.
Der Verlag bestellte ein Gutachten bei Walter Kempowski, der als Sammler, Herausgeber und Monteur von Tagebuchtexten aus dem Zweiten Weltkrieg als kompetent galt. Kempowski ließ sich die Urschrift des Tagebuchs, drei Schreibhefte, und eine mit Schreibmaschine erstellte Abschrift vorlegen und stellte durch Stichproben fest, dass diese Textzeugen sich so verhalten, wie es das (in absurder Konsequenz ebenfalls anonyme) Vorwort der Eichborn-Ausgabe darstellte: Die Notate waren in eine flüssigere Form gebracht worden. Auf Nachfrage gab Kempowski an, für seine Echtheitsbescheinigung kein Honorar erhalten zu haben. "Ich hatte die Hoffnung, man würde mir die Tagebücher für mein Archiv überlassen. Aber nicht einmal eine Fotokopie wollte man mir gönnen. Vielleicht kommt das ja noch."
Es kam nicht mehr. Hannelore Marek verfügte vor ihrem Tod, wohl eine Instruktion Marta Hillers' befolgend, dass deren auf "Eine Frau in Berlin" bezogener Teilnachlass in die Obhut des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) in München gelangen solle, dem ihr Sohn die Dokumente im Jahre 2016 übergeben hat. Yuliya von Saal, wissenschaftliche Mitarbeiterin im IfZ und Expertin für russische Geschichte, legt nun im Juliheft der "Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte" eine quellenkritische Untersuchung vor. Das Ergebnis: Der Untertitel der 2015 im neuen Verlag der Anderen Bibliothek noch einmal aufgelegten Enzensberger-Ausgabe, "Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945", ist irreführend. Der größere Teil des Textes ist erst nach 1945 entstanden, steht jedenfalls nicht in dem angeblich im Sommer 1945 angefertigten Typoskript.
Der Gutachter Kempowski, dem Frau Marek und ein Eichborn-Lektor Manuskript und Typoskript zeigten, sieht nun ähnlich naiv aus wie der weltberühmte Historiker Hugh Trevor-Roper, der die Hitler-Tagebücher für echt erklärte, nachdem er sie in einer Zürcher Bank durchgeblättert hatte. Die offensichtliche Frage stellte Kempowski, Autor etlicher dickleibiger Bestseller, nicht: Wie konnte aus einem Konvolut von 121 Schreibmaschinenseiten ein Buch von 300 Druckseiten werden? Von Saal hat gezählt: Das Typoskript umfasst 49 610 Wörter, das Buch 91 120. "Vergleicht man Buch und Original, sind nur noch circa 35 Prozent des publizierten Texts als authentisch zu bewerten."
Eine Mitautorschaft Mareks hält von Saal für äußerst unwahrscheinlich. Diese Einschätzung ist gut begründet, steht allerdings unter dem Vorbehalt der Quellenlage. Es muss ein Typoskript für den amerikanischen Übersetzer gegeben haben. Eine Durchschrift enthält der Münchner Nachlass nicht. Hannelore Marek, deren Vermächtnis die Erforschung der Textgenese möglich macht, hat die Öffentlichkeit zu Lebzeiten über entscheidende Fakten getäuscht, insoweit die Arbeit ihres Mannes fortsetzend, dessen Beschreibung der Manuskripte im Nachwort voller Erfindungen (Geheimschrift) steckt. Auf Frau Mareks Angaben beruhte die auch in dieser Zeitung (F.A.Z. vom 25. September 2003) wiedergegebene Auskunft des Verlags, das Typoskript von 1945 sei bis auf Kleinigkeiten mit dem Buch identisch.
Yuliya von Saal nimmt an, dass Hillers die spätere Buchfassung um 1950 fertigstellte. Ihre nach München gegebene Korrespondenz mit Marek setzt erst 1952 ein. Abwegig nannte der Herausgeber Enzensberger 2003 "die Idee, dass hinter einer solchen Publikation in den fünfziger Jahren eine verlegerische Spekulation stehen könnte". Das war nicht die einzige grotesk abwegige Einlassung Enzensbergers zur Sache. Im Briefwechsel von Marek und Hillers, aus dem in einer kleinen Ausstellung im IfZ jetzt mehrere Stücke gezeigt werden, geht es durchgehend um solche Spekulationen. Der abgebrühte Sound der Buchgeschäftsfreunde ist eine interessante Variante des neusachlichen, unheimlich ungerührten Tons, mit dem die Anonyma die Leser ihres Protokolls eines Alltags unter dem Gesetz der ständigen Vergewaltigung in den Bann schlug.
In München erörterte von Saal ihre Ergebnisse vorgestern im Gespräch mit der Zürcher Historikerin Svenja Goltermann, die 2017 das Buch "Opfer" veröffentlichte, und dem "Spiegel"-Redakteur Martin Doerry, dessen Edition der Briefe seiner Großmutter Lilli Jahn ein Bestseller wurde. Es bestand Einigkeit darüber, dass die historische Aussagekraft des Buches eher noch zunimmt, wenn man sich Rechenschaft darüber gibt, dass der Text selbst eine Geschichte hat. Was den Kern des Berichts angeht, so hat die New Yorker Historikerin Atina Grossmann geltend gemacht, dass das offene, drastische Reden über erlittene sexuelle Gewalt durchaus typisch für die Berlinerinnen von 1945 war.
Die Leserinnen und Leser von 2003 bezauberte, dass die Tagebuchschreiberin diese Haltung in eine fertige Philosophie der souveränen Ergebenheit übersetzt. Nach dem Befund von Saals sind aber die "Reflexionen über das deutsche Leid, den Zusammenbruch der Zivilisation und die Sinnlosigkeit der Technik im zerbombten Berlin, über die Verfügbarkeit des weiblichen Körpers" wie über Sexualität und Nationalsozialismus "nicht authentisch", sondern spätere Zusätze. Es war eine Selbsttäuschung, dass die Kritik dieses Buch für einen Text der Art der Tagebücher von Victor Klemperer hielt. Yuliya von Saal belegt "die dramaturgische Aufladung einzelner Szenen mit fiktiven Elementen, die zu filmskriptartig wirken".
Am Ende des Krieges stehe "auch die Niederlage der Männer als Geschlecht", mit der "männerbeherrschten Naziwelt" stürze "der Mythos ,Mann'": Warum wollte man unbedingt glauben, dass die Namenlose ihre Erfahrung schon auf diese allgemeine Formel gebracht hatte, als sie noch in der Gewalt der sowjetischen Männer war? Von der Niederschrift einer Selbsttherapie sprach eine Rezension - mit der Pointe, dass die Therapie gleichzeitig mit der Verletzung gewesen sein soll. So beglaubigte das Buch von 1959 im Jahre 2003 eine Phantasie von der heilenden, ermächtigenden Kraft weiblichen Schreibens.
Das Institut für Zeitgeschichte ist befugt, eine kritische Ausgabe von "Eine Frau in Berlin" zu veranstalten. Welcher Verlag wird als erster in München anrufen? Der nicht länger namenlosen Autorin steht ihre Karriere als Schriftstellerin vielleicht erst bevor.
PATRICK BAHNERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
1960 trug sich Hillers mit neuen literarischen Plänen. Marek forderte sie auf, sich von den Kritiken der deutschen Ausgabe nicht irritieren zu lassen. "Ein gutes Buch braucht schlechte Kritiken. Ein schlechtes Buch kriegt nicht einmal schlechte Kritiken." Paradoxerweise sah der Profi Marek ein Handicap darin, dass ihr das Schreiben "zu leicht" falle. "Du bist immer an der Grenze der Schnoddrigkeit." Aber in der modernen Literatur gab es Beispiele für die Nobilitierung der Vulgarität im Dienst der "schonungslosen Beschreibung". Marek griff so hoch wie möglich. "Lies noch einmal Stücke aus dem Ulysses von Joyce. Dort kannst Du ahnen, wie weit Du gehen kannst."
In einem Postskriptum berichtete Marek, dass er in New York einen "höchst angenehmen Mann" kennengelernt habe, den englischen Verleger von "A Woman in Berlin", Fredric Warburg. "Sonderbarerweise" habe er diesem "tatsächlich versichern" müssen, dass es sich "wirklich um ein authentisches Tagebuch handelt". Der Engländer "hatte Zweifel". Drei Punkte stehen am Schluss dieser Mitteilung. Mehr musste nicht gesagt werden. Autor und Empfängerin des Briefes wussten, was es wirklich mit dem Buch auf sich hatte. Sie teilten dieses Wissen miteinander und hielten es vor der Welt geheim.
Der Verlag Secker & Warburg hatte Karl Dietschy, dem Ehemann von Hillers, der für sie die Geschäftskorrespondenz führte, im Frühjahr 1959 mitgeteilt, dass "A Woman in Berlin" einer der erfolgreichsten Titel der Firmengeschichte sei. Bis dahin waren von der englischen Ausgabe 210 000 Stück abgesetzt worden. Fredric Warburg war der Verleger von George Orwell. Worauf bezogen sich seine Zweifel? In welchem Sinne könnte das Buch kein authentisches Tagebuch sein? Zweifelte Warburg daran, dass es auf Erlebtem beruhte? Oder bezweifelte er, dass es sich um ein Tagebuch im Sinne der mehr oder weniger gleichzeitigen Niederschrift des Erlebten handelt?
Die Authentizität wurde Thema einer heftigen Kontroverse, als "Eine Frau in Berlin" 2003, zwei Jahre nach dem Tod von Marta Hillers, in einer neuen deutschen Ausgabe erschien, in der "Anderen Bibliothek" von Hans Magnus Enzensberger. In dieser Gestalt wurde das Buch mit einem halben Jahrhundert Verspätung auch in Deutschland ein Bestseller. Hillers hatte die postume Neuausgabe autorisiert; die Erbin des Urheberrechts, Hannelore Marek, die Witwe des 1972 verstorbenen Kurt Marek, bestand darauf, dass der Eichborn Verlag die Anonymität wahrte. Jens Bisky, Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", fand die Identität der Verfasserin heraus und machte sie publik. Zur Biographie von Hillers teilte Bisky mit, dass sie im Hitler-Reich als Journalistin gearbeitet und Kriegspropaganda produziert hatte. Er machte auf literarische Eigenheiten des Textes aufmerksam, die für eine spätere Entstehung oder Überarbeitung sprachen, insbesondere die filmhafte Erzählweise, und äußerte die Vermutung, dass Marek am Text mitgeschrieben habe oder sogar Ghostwriter gewesen sei.
Der Verlag bestellte ein Gutachten bei Walter Kempowski, der als Sammler, Herausgeber und Monteur von Tagebuchtexten aus dem Zweiten Weltkrieg als kompetent galt. Kempowski ließ sich die Urschrift des Tagebuchs, drei Schreibhefte, und eine mit Schreibmaschine erstellte Abschrift vorlegen und stellte durch Stichproben fest, dass diese Textzeugen sich so verhalten, wie es das (in absurder Konsequenz ebenfalls anonyme) Vorwort der Eichborn-Ausgabe darstellte: Die Notate waren in eine flüssigere Form gebracht worden. Auf Nachfrage gab Kempowski an, für seine Echtheitsbescheinigung kein Honorar erhalten zu haben. "Ich hatte die Hoffnung, man würde mir die Tagebücher für mein Archiv überlassen. Aber nicht einmal eine Fotokopie wollte man mir gönnen. Vielleicht kommt das ja noch."
Es kam nicht mehr. Hannelore Marek verfügte vor ihrem Tod, wohl eine Instruktion Marta Hillers' befolgend, dass deren auf "Eine Frau in Berlin" bezogener Teilnachlass in die Obhut des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) in München gelangen solle, dem ihr Sohn die Dokumente im Jahre 2016 übergeben hat. Yuliya von Saal, wissenschaftliche Mitarbeiterin im IfZ und Expertin für russische Geschichte, legt nun im Juliheft der "Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte" eine quellenkritische Untersuchung vor. Das Ergebnis: Der Untertitel der 2015 im neuen Verlag der Anderen Bibliothek noch einmal aufgelegten Enzensberger-Ausgabe, "Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945", ist irreführend. Der größere Teil des Textes ist erst nach 1945 entstanden, steht jedenfalls nicht in dem angeblich im Sommer 1945 angefertigten Typoskript.
Der Gutachter Kempowski, dem Frau Marek und ein Eichborn-Lektor Manuskript und Typoskript zeigten, sieht nun ähnlich naiv aus wie der weltberühmte Historiker Hugh Trevor-Roper, der die Hitler-Tagebücher für echt erklärte, nachdem er sie in einer Zürcher Bank durchgeblättert hatte. Die offensichtliche Frage stellte Kempowski, Autor etlicher dickleibiger Bestseller, nicht: Wie konnte aus einem Konvolut von 121 Schreibmaschinenseiten ein Buch von 300 Druckseiten werden? Von Saal hat gezählt: Das Typoskript umfasst 49 610 Wörter, das Buch 91 120. "Vergleicht man Buch und Original, sind nur noch circa 35 Prozent des publizierten Texts als authentisch zu bewerten."
Eine Mitautorschaft Mareks hält von Saal für äußerst unwahrscheinlich. Diese Einschätzung ist gut begründet, steht allerdings unter dem Vorbehalt der Quellenlage. Es muss ein Typoskript für den amerikanischen Übersetzer gegeben haben. Eine Durchschrift enthält der Münchner Nachlass nicht. Hannelore Marek, deren Vermächtnis die Erforschung der Textgenese möglich macht, hat die Öffentlichkeit zu Lebzeiten über entscheidende Fakten getäuscht, insoweit die Arbeit ihres Mannes fortsetzend, dessen Beschreibung der Manuskripte im Nachwort voller Erfindungen (Geheimschrift) steckt. Auf Frau Mareks Angaben beruhte die auch in dieser Zeitung (F.A.Z. vom 25. September 2003) wiedergegebene Auskunft des Verlags, das Typoskript von 1945 sei bis auf Kleinigkeiten mit dem Buch identisch.
Yuliya von Saal nimmt an, dass Hillers die spätere Buchfassung um 1950 fertigstellte. Ihre nach München gegebene Korrespondenz mit Marek setzt erst 1952 ein. Abwegig nannte der Herausgeber Enzensberger 2003 "die Idee, dass hinter einer solchen Publikation in den fünfziger Jahren eine verlegerische Spekulation stehen könnte". Das war nicht die einzige grotesk abwegige Einlassung Enzensbergers zur Sache. Im Briefwechsel von Marek und Hillers, aus dem in einer kleinen Ausstellung im IfZ jetzt mehrere Stücke gezeigt werden, geht es durchgehend um solche Spekulationen. Der abgebrühte Sound der Buchgeschäftsfreunde ist eine interessante Variante des neusachlichen, unheimlich ungerührten Tons, mit dem die Anonyma die Leser ihres Protokolls eines Alltags unter dem Gesetz der ständigen Vergewaltigung in den Bann schlug.
In München erörterte von Saal ihre Ergebnisse vorgestern im Gespräch mit der Zürcher Historikerin Svenja Goltermann, die 2017 das Buch "Opfer" veröffentlichte, und dem "Spiegel"-Redakteur Martin Doerry, dessen Edition der Briefe seiner Großmutter Lilli Jahn ein Bestseller wurde. Es bestand Einigkeit darüber, dass die historische Aussagekraft des Buches eher noch zunimmt, wenn man sich Rechenschaft darüber gibt, dass der Text selbst eine Geschichte hat. Was den Kern des Berichts angeht, so hat die New Yorker Historikerin Atina Grossmann geltend gemacht, dass das offene, drastische Reden über erlittene sexuelle Gewalt durchaus typisch für die Berlinerinnen von 1945 war.
Die Leserinnen und Leser von 2003 bezauberte, dass die Tagebuchschreiberin diese Haltung in eine fertige Philosophie der souveränen Ergebenheit übersetzt. Nach dem Befund von Saals sind aber die "Reflexionen über das deutsche Leid, den Zusammenbruch der Zivilisation und die Sinnlosigkeit der Technik im zerbombten Berlin, über die Verfügbarkeit des weiblichen Körpers" wie über Sexualität und Nationalsozialismus "nicht authentisch", sondern spätere Zusätze. Es war eine Selbsttäuschung, dass die Kritik dieses Buch für einen Text der Art der Tagebücher von Victor Klemperer hielt. Yuliya von Saal belegt "die dramaturgische Aufladung einzelner Szenen mit fiktiven Elementen, die zu filmskriptartig wirken".
Am Ende des Krieges stehe "auch die Niederlage der Männer als Geschlecht", mit der "männerbeherrschten Naziwelt" stürze "der Mythos ,Mann'": Warum wollte man unbedingt glauben, dass die Namenlose ihre Erfahrung schon auf diese allgemeine Formel gebracht hatte, als sie noch in der Gewalt der sowjetischen Männer war? Von der Niederschrift einer Selbsttherapie sprach eine Rezension - mit der Pointe, dass die Therapie gleichzeitig mit der Verletzung gewesen sein soll. So beglaubigte das Buch von 1959 im Jahre 2003 eine Phantasie von der heilenden, ermächtigenden Kraft weiblichen Schreibens.
Das Institut für Zeitgeschichte ist befugt, eine kritische Ausgabe von "Eine Frau in Berlin" zu veranstalten. Welcher Verlag wird als erster in München anrufen? Der nicht länger namenlosen Autorin steht ihre Karriere als Schriftstellerin vielleicht erst bevor.
PATRICK BAHNERS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Liebe Leserinnen und Leser,
natürlich war mir schon vor dem Kauf bewusst, dass dieses Buch nicht zum Schmunzeln oder Schmökern ohne viel nachzudenken sein wird. Aber dies war von mir auch so ausgesucht und angedacht. Denn zwischendurch soll man sich ja auch mal mit einer Lektüre …
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Liebe Leserinnen und Leser,
natürlich war mir schon vor dem Kauf bewusst, dass dieses Buch nicht zum Schmunzeln oder Schmökern ohne viel nachzudenken sein wird. Aber dies war von mir auch so ausgesucht und angedacht. Denn zwischendurch soll man sich ja auch mal mit einer Lektüre beschäftigen, welche zum Nachdenken anregt, so auch dieses Buch.
Erst dachte ich, dass es sich hier um eine Art Tag für Tag Vorstellung handelt, da es sich ja um eine Art Tagebuch handeln sollte. Aber der Text ist flüssig zu lesen und kommt auch nicht ins stocken, da die Tagebuchaufzeichnungen alle miteinander verbunden sind und somit eine Art fortlaufende Geschichte erzählen. So erzählt uns die Romanautorin / Tagebuchschreiberin sehr ehrlich und offen über die Geschehnisse in diesen Wochen und Monaten zum Ende des Krieges hin. Sie berichtet über den Hunger und seine Auswirkungen, wie zum Beispiel, dass kleine Babys sterben, da es keine Milch mehr gibt und die Mütter unter diesen Stressbedingungen auch keine eigene Milch erzeugen können. Sie erzählt auch über die schlaflosen Nächte, weil man aufgrund der Bombenangriffe die langen Nachtstunden in den Kellern zur eigenen Sicherheit verbringt. Aber auch ebenso, dass jeder Keller mit seinen dort weilenden Menschen eine eigene Geschichte hat. So halten sich in einem Keller die Hausbewohner bei jedem Bombenangriff Tücher vor den Mund. In einem anderen Keller beugen sich alle nach vorne, um anders zu atmen, etc. Aber es wird auch über Hass und Gewalt der Soldaten untereinander und gegenüber den örtlichen Bewohnern erzählt.
Natürlich habe ich schon viele Filme gesehen, Berichte gehört und / oder gelesen etc. Trotzdem hat mich dieses Buch sehr berührt und gleichsam gefesselt. Denn trotz der allgegenwärtigen Gewalt, des Hungers und der Angst, gibt die Erzählerin nicht auf. Es ist für mich bewundernswert, wie sie eingangs der Notizen erwähnt, dass sie sicher ist, nicht zu sterben. Denn sie hätte im Leben schon viel Schlimmes mit gemacht und erlebt - und würde somit auch den Krieg überleben. Die Frage für sie wäre halt nur: wie schlimm oder weniger schlimm das Überleben werden würde.
Auch empfinde ich ihre Aufzeichnungen als sehr ehrlich. So schreibt sie an einer anderen Stelle, dass sie keine Lust hat, sich in die Menschenschlange einzuordnen, nur um auf Fleisch zu warten, welches hier vergeben wird, da man Fleisch nicht aufbewahren kann, sondern sofort essen müsste und sich dafür das lange Warten nicht lohnen würde. Gleichsam räumt sie ein, dass sie vielleicht noch nicht richtig hat Hunger leiden müssen - um solche Gedanken zu haben.
So kann ich viele Situationen nachempfinden, da auch bei der Autorin immer mal wieder Vorteil und Nachteil einer jeweiligen Situation abgewogen werden und zu den jeweiligen Entscheidungen führen, welche man vielleicht auch hinterher mal bereut.
Was mich auch bewegt hat, ist die Art dieser Niederschrift. Denn während in Filmen und anderen Büchern die einzelnen Situationen gerne mal dramatisiert werden, merkt man hier wirklich, dass es sich um eine Person handelt, welche dem Krieg nun schon seit Jahren ins Auge sieht. So sonnt sie sich auch mal zwischen Glassplittern und ausgebombten Häusern und wundert sich selbst, wie selbstverständlich sie dabei das Kanonenfeuer im Hintergrund hinnimmt, ohne mehr Angst davor zu haben, während sie vor langer Zeit bei jedem Explosions-Geräusch am liebsten zum Schutz in den Keller gerannt wäre.
Gleichzeitig überraschte mich auch die Art, wie sie über die "Feinde" spricht, oder besser gesagt, schreibt. Denn während ich wohl in ihrer Situation nur böse Wörter hierfür hätte, erzählt sie fast sachlich über die Kriegszustände, Einmärsche, Angriffe etc.
So ist dies mal eine ganz andere Art von Erzählung aus einer sehr schwierigen Zeit der Vergangenheit und kann von mir zum Lesen absolut empfohlen werden!
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Hier schreibt eine Frau aus dem Volk ein erschütterndes Tagebuch - über das Vorrücken der Russen von Straße zu Straße, während die Nazis immer noch Deserteure ihrer dem Untergang geweihten Armee öffentlich hinrichten, über den Kriegsalltag mit …
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Hier schreibt eine Frau aus dem Volk ein erschütterndes Tagebuch - über das Vorrücken der Russen von Straße zu Straße, während die Nazis immer noch Deserteure ihrer dem Untergang geweihten Armee öffentlich hinrichten, über den Kriegsalltag mit Kellernächten, Bomben und dem Mangel an Alltäglichem wie Wasser- und Gasversorgung, die Plünderungen und zahllosen Vergewaltigungen durch die Rote Armee.Ich konnte dieses zugleich entsetzliche und anrührende Buch nicht aus der Hand legen, bis ich es ausgelesen hatte, und kann es jedem nur empfehlen.
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Antworten 16 von 17 finden diese Rezension hilfreich
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Dieses Buch ist ein ausergewöhnliches Zeitzeugendokument über die Zeit nach Ende des zweiten Weltkrieges in Berlin. Es sind Tagebuchaufzeichnungen einer Frau, die die Schrecken nach dem Einzug der Roten Armee in das besetzte Berlin erzählen. Schonungslos und offen berichtet die Frau …
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Dieses Buch ist ein ausergewöhnliches Zeitzeugendokument über die Zeit nach Ende des zweiten Weltkrieges in Berlin. Es sind Tagebuchaufzeichnungen einer Frau, die die Schrecken nach dem Einzug der Roten Armee in das besetzte Berlin erzählen. Schonungslos und offen berichtet die Frau über die Zustände die dort vorherschten. Dass die Schreiberin dabei anonym bleiben will, ist nur verständlich. Es tut auch nichts zur Sache, da diese Ereignisse in unzähliger Weise vorgekommen sind. Die Aufzeichnungen betreffen den Zeitrahmen vom 20.April bis 22 Juni 1945. In dieser Erzähung wird über die Vergewaltigungen genauso geschrieben, wie über das Überleben allgemein nach dem Krieg. Die Frau findet unter den russischen Besatzern einen "Beschützer" so dass vieles für sie erträglicher zu sein scheint. Diese Berichte berühren den Leser in sehr menschlicher Art und Weise und machen so die Schrecken des Krieges deutlich.<br />Dieses Buch ist für alle, die geschichtlich interessiert sind. Für alle die nie vergessen sollen, was damals geschah und nie mehr geschehen darf. Es ist ein wichtiges Dokument des nicht vergessens. Für alle nachfolgenden Generationen.
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Anonym will man bleiben, wenn man sich versteckt. Aber anonym musste eine Frau bleiben, weil sie eine Geschichte zu erzählen hatte, die für Aufregung und Entsetzen sorgte und deren Wahrheitsgehalt angezweifelt wurde.
Diese Geschichte trug sich in Berlin am Ende des 2. Weltkrieges zu. …
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Anonym will man bleiben, wenn man sich versteckt. Aber anonym musste eine Frau bleiben, weil sie eine Geschichte zu erzählen hatte, die für Aufregung und Entsetzen sorgte und deren Wahrheitsgehalt angezweifelt wurde.
Diese Geschichte trug sich in Berlin am Ende des 2. Weltkrieges zu. Deutschland steht kurz vor der Kapitulation, die Männer sind im Krieg oder in Gefangenschaft. Die Frauen Berlins kämpfen ums Überleben, jeden Tag, in zerstörten Häusern, Bombenkellern oder auf der Suche nach Lebensmitteln. Dann rückt die Rote Armee ein und das Grauen bekommt noch ein anderes Gesicht. Plünderungen und Vergewaltigungen stehen ab sofort auf der Tagesordnung. Die Frauen müssen sich arrangieren, selbst wenn sie dafür prostituieren ...<br />Nüchtern, gefühllos und ohne Übertreibung erzählt die anonyma Verfasserin vom Leben der Frauen 1945. Sie will kein Mitleid, sie will aufklären, zeigen, was Hunderttausende von Frauen erdulden mussten. Anonymas Bericht lässt die Leserin sprach- und fassungslos zurück. Wie viel Leid, Angst und Gewalt das Leben der Frauen prägte, wie stark sie jeden Tag sein mussten - das darf niemals vergessen werden!
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So viele Historiker und Schriftsteller haben schon darüber geschrieben und berichtet, was1945 in den letzten Kriegstagen in Berlin passierte. Entweder als Zeitzeuge oder nach gründlichen Recherchen - so kennen viele die Situation, meist nicht aus persönlichem Erleben. Wer sich traut, …
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So viele Historiker und Schriftsteller haben schon darüber geschrieben und berichtet, was1945 in den letzten Kriegstagen in Berlin passierte. Entweder als Zeitzeuge oder nach gründlichen Recherchen - so kennen viele die Situation, meist nicht aus persönlichem Erleben. Wer sich traut, dies auf das Intimste und mit so unglaublicher Nähe zu erleben, muss dieses Buch lesen. Tagebucheintragungen sind ja eigentlich da, um Erlebnisse, Freude, Trauer, Wut... herauszulassen - auf Papier - es ist in dem Moment der geduldigste Zuhörer. Was die anonyme Frau hier im April 1945 aufschrieb, stellt jedes Geschichtsbuch in den Schatten.<br />Leser erleben das Kriegsende ungeschminkt: mit Zerstörung, Hunger, Ängsten und vor allem der Rache der russischen Sieger. Viele Frauen haben darüber geschwiegen, aber hier geht eine Frau ohne Selbstmitleid, pragmatisch und helfend damit um, wie man es kaum für möglich hält.
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Als die Tagebuchaufzeichnungen erscheinen, wurden sie sowohl inhaltlich wie auch stilistisch sehr positiv von Fachleuten bewertet. Es handle sich dabei um weit mehr als „nur“ um private Aufzeichnungen, hieß es, ein Zeugnis der letzten Kriegstage in Berlin. Ich selbst tat mich …
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Als die Tagebuchaufzeichnungen erscheinen, wurden sie sowohl inhaltlich wie auch stilistisch sehr positiv von Fachleuten bewertet. Es handle sich dabei um weit mehr als „nur“ um private Aufzeichnungen, hieß es, ein Zeugnis der letzten Kriegstage in Berlin. Ich selbst tat mich sehr schwer mit dem Lesen, nicht weil die Erlebnisse und Beobachtungen so sachlich und offen geschildert waren, vielmehr schockierte mich die Gefühlslosigkeit der 30 jährigen Anonyma. Mir schien es fast so, als ob über eben diese letzten Tage mit einer zeitlichen Distanz berichtet wurde.
Die Stimmung dieser letzten Tage und vor allem die Taten der Sieger an den eingekesselten Berliner sind schockierend keine Frage. Die unzähligen Vergewaltigungen, die Erniedrigungen sind bekannte Tatsachen, neu ist allerdings die Bereitschaft der Frauen zu sexuellen Handlungen für Nahrung und einen gewissen „Schutz“. Dieser Waren-Dienstleistung -Tausch wird dermaßen emotionslos geschildert, dass auch dieser unglaubwürdig auf mich wirkt.
Die Tatsache dass die Schreiberin gebildet, kultiviert und in Friedenszeiten viel gereist ist, macht das gesamte Buch noch fragwürdiger. Unabhängig von den Diskussionen der Fachleuten war es für mich ein Flopp.
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