als ein Bus, aber immer noch öffentlich.
Hier trifft Eitan Einoch auf Giora Gueta, hier reden sie das erste und letzte Mal miteinander: Der Mann da vorne soll ein Terrorist sein? Nein, der ist in Ordnung. Bloß keine Paranoia zeigen. Doch kaum ist Einoch - Spitzname "Krokodil" - ausgestiegen und im Aufzug zu seinem Büro verschwunden, explodiert ebenjener kleine Neuner. Die Paranoia war begründet, Giora Gueta und alle anderen Insassen sind tot. Hinterlassen hat Gueta nur die halbe Bitte, seiner Freundin Schuli etwas auszurichten. Was, das hat er nie gesagt.
Doch bevor Krokodil auf Schuli trifft, entgeht er, ebenso zufällig, einem weiteren Attentat. Heckenschützen treffen seinen Beifahrer, er selbst bleibt unversehrt. Und nachdem er die trauernde Freundin Guetas gefunden hat, entgeht er dem dritten Anschlag und wird zum Held. Das Krokodil, das drei Anschläge überlebte. Stolzes Symbol eines ungebrochenen Israels und traumatisierter Mensch in einem. Er wird durch die Radio- und Fernsehsendungen des Landes gereicht, geht in die Gruppentherapie und vernachlässigt Beruf und Beziehung, weil ihn nur noch eine Frage antreibt: Was machte der Jerusalemer Giora Gueta an diesem Morgen in Tel Aviv?
Parallel dazu erzählt Asaaf Gavron, Autor von "Ein schönes Attentat", von Fahmi. Dieser ist Palästinenser, stammt aus den besetzten Gebieten und hat die Bombe für das Attentat auf den Neuner gebaut. Er war es, der mit seinem Bruder die Straße beschoss, als Krokodil dem zweiten Attentat entging. Und er baute den Sprengsatz, der für das dritte Attentat genutzt wurde. Doch jetzt liegt er im Krankenhaus im Koma, gefangen in seinen Erinnerungen an die eigene Familie, die Entscheidung zum bewaffneten Kampf gegen Israel, die Zweifel und die eigene Ideologie. Und an Eitan Einoch, dessen Weg er immer wieder kreuzte, ohne das er es selbst geplant hätte.
Diese Planung lag einzig und allein bei Gavron. Durch die Verdichtung des Geschehens zeichnet er anhand der zwei Charaktere das Gesamtbild des alltäglichen Wahnsinns im Nahen Osten mit vielen seiner Facetten nach. Abzugsgegner und Abzugsbefürworter, radikale und pazifistische Palästinenser kommen zu Worte und haben stets gute Gründe für ihren jeweiligen Standpunkt. Fahmi, bereit zum Mord für die eigene Sache, und Eitan, in politischen Zusammenhängen oft ohne eigene Meinung, stehen auch hier im interessanten Gegensatz.
Doch die Kondensierung dieses Konflikts in den beiden Personen reicht nicht aus, dem Text eine durchgängige Dichte zu verleihen. Zu viele Nebensächlichkeiten räumt der Autor immer wieder Platz ein, ohne ihnen die entsprechende Bedeutung zu geben, nur um sie dann für die nächsten hundert Seiten wieder ins Abseits zu befördern. Eitans Beziehungs- und Berufsleben mögen als Indikatoren seiner Befindlichkeit dienen, entwickeln jedoch nie eine Intensität, die den Umfang ihrer Ausführungen rechtfertigt. Eine bedeutungsvolle Verdichtung, wie sie guter Literatur eigen ist, findet jenseits der Anhäufung von Zufällen kaum statt.
Viele Handlungsstränge haben in "Ein schönes Attentat" keinen Anfang und finden dort auch kein Ende. Dieser Umstand hat jedoch keine besondere erzählerische oder ästhetische Wirkung. So erhält man den Eindruck, nicht einen Roman vor sich zu haben, sondern ein Stück transkribierter Wirklichkeit mit all ihren Belanglosigkeiten. Dem widerspricht aber die besagte Konzentrierung der eintretenden Zufälle bei den Terroranschlägen, weshalb sich allmählich ein Unbehagen ob der Beschaffenheit des vorliegenden Textes einstellt. Ansatzweise aufgelöst wird es erst auf den letzten hundert Seiten, als die Beantwortung der Frage nach Giora Guetas Aufenthalt in Tel Aviv in den Vordergrund tritt und die Erzählstränge um Eitan und Fahmi endgültig zusammenlaufen.
Dass dabei nun plötzlich typischen Elementen des Kriminalromans, die in den ersten zwei Dritteln des Buches kaum eine Rolle spielten, eine tragende Funktion zukommt, trägt auch nicht eben zur Kohärenz dieser Erzählung bei. Hätte Gavron sich auf einen Aspekt seines Textes konzentriert, wäre ein guter Roman entstanden.
THOMAS SCHOLZ
Asaaf Gavron: "Ein schönes Attentat". Roman. Aus dem Hebräischen übersetzt von Barbara Linner. Luchterhand Literaturverlag, München 2008. 352 S., geb., 19,90 [Euro].
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